Hopfengarten in Holsthum im  Naturpark Südeifel; Foto: Hardy Welsch
Hopfengarten in Holsthum im Naturpark Südeifel; Foto: Hardy Welsch

Bier & Terroir: Teil II

In der Welt des Weines längst etabliert, fremdelt die Bierbranche noch mit dem Begriff „Terroir“. Zurecht? Wie und wo lässt sich Terroir im Bier finden?
Eine Spurensuche in zwei Teilen.
Teil II: Von Hopfen, Hefe und regionalem Savoir faire.
Text: Benjamin Brouër

Bei aller Unterschiedlichkeit zwischen den Genussmitteln Wein und Bier gibt es doch auch einige Parallelen, wie Michael Zepf von der Doemens Academy im ersten Teil unserer Spurensuche festgestellt hat. Auch beim Bier könne Terroir definiert werden als der Einfluss von Klima, Landschaft und Boden auf die Rohstoffe und damit das fertige Produkt. Den konkreten Charakter eines Rohstoffs im verzehrfertigen Bier dingfest zu machen, ist jedoch ungleich schwieriger als beim Wein. Schließlich haben wir es beim Bier mit gleich mehreren Elementen zu tun, die je ihren eigenen Ursprung, ihr eigenes Terroir, haben können und zudem weltweit zum Einsatz kommen. Nach dem Malz und dem Wasser im ersten Teil beleuchten wir nun die Rolle des Hopfens und der Hefe.

Hopfen – Grünes Gold auf besonderem Boden

Noch bis vor einigen Jahren wurde Hopfen fast ausschließlich mit Bittere, also seiner würzenden und die Haltbarkeit steigernden Funktion in Verbindung gebracht. Mit Aufkommen der Craftbierbewegung hat sich der Fokus von der Alphasäure weg, stärker hin zu den Aromaölen verlagert, die je nach Hopfensorte mehr oder weniger und in ganz unterschiedlichen aromatischen Ausprägungen vorhanden sind. Man denke nur an die tropischen Fruchtaromen einiger India Pale Ales, die der Aromahopfen beisteuert. Das „grüne Gold“ hat sich mit der Zeit zum Star unter den Bierrohstoffen entwickelt, nicht nur eingefleischten Bier-Nerds sind Sorten wie Citra, Callista oder Mandarina Bavaria heute ein Begriff.

Leutschach in der Südsteiermark: nicht nur Weinort sondern auch größte hopfenanbauende Gemeinde Österreichs mit 90 Hektar
Leutschach in der Südsteiermark: nicht nur Weinort sondern auch größte hopfenanbauende Gemeinde Österreichs mit 90 Hektar

Das Problem der wachsenden Nachfrage: Die Erntemenge ist begrenzt, denn die weltweit geeigneten Anbauflächen für Hopfen sind rar. Die anspruchsvolle Pflanze braucht besonders gute, lockere und tiefgründige Böden und ein ganz spezielles Klima mit ausreichend Sonnenschein und einer gewissen Menge an Niederschlag. Der klimatische und der Einfluss des Bodens sind noch einmal um ein Vielfaches höher als beim Malz. Das beweist ein Vergleich ein und derselben Hopfensorte, die in unterschiedlichen Gegenden, etwa den USA und Deutschland, angebaut wird. Die aromatischen Unterschiede sind signifikant. „Und selbst innerhalb Deutschlands oder sogar innerhalb eines Gebietes, auf verschiedenen Äckern, fällt das Aromaprofil anders aus“, schildert Michael Zepf. Hitze und Trockenheit führten zudem dazu, dass sich weniger Aroma und weniger Öle im Hopfen wiederfänden. Rezepturen, so der Experte, müssten aufgrund der schwankenden Bedingungen also immer wieder angepasst werden.      

Hopfen, so lässt sich festhalten, trägt ohne Zweifel Terroir in sich. Allerdings sind die allermeisten Brauereien darauf angewiesen, diesen aus nah und fern zuzukaufen – mit der Folge, dass dieser im Sudkessel in Kombination mit dem Malz zum großen Terroir-Mix verrührt wird. Gleichwohl lässt sich Hopfen-Terroir auch in Reinkultur erleben: Für die immer populärer werdenden Grünhopfenbiere werden frische, ungedarrte Hopfendolden verwendet, die möglichst schnell nach der Ernte verarbeitet werden müssen, da diese zu 80 % aus Wasser bestehen und schon wenige Stunden nach der Ernte zu verrotten beginnen. Grünhopfenbiere können naturgemäß also nur im unmittelbaren Umfeld des Anbaugebietes gebraut werden – und dies nur ein einziges Mal im Jahr, im September, wenn der Hopfen erntereif ist. Auch große Brauereien wie Bitburger haben die Attraktivität dieses saisonalen und stark regional geprägten Bierstils entdeckt. Für das Bitburger Grünhopfenbier wird im eigenen Hopfengarten in Holsthum im Naturpark Südeifel frischer Cascade-Aromahopfen gepflückt und direkt im Sudhaus in Bitburg eingebraut. Anders als bei den Bestseller-Bieren, die auf geschmackliche Konstanz getrimmt sind, hinterlassen bei Grünhopfenbieren Herkunft und Jahrgang und somit das Terroir bewusst aromatische Spuren.

Hefe – es liegt was in der Luft

Im Zennetal und im Pajottenland südwestlich von Brüssel befinden sich einige der traditionsreichsten und bekanntesten Brauereien Belgiens. Das Geheimnis ihrer so berühmten Biere liegt sprichwörtlich in der Luft. Aufgrund des dortigen Obstanbaus hat sich eine Mikroflora mit speziellen wilden Hefen herausgebildet, die dem spontan vergorenen Lambic, einem der ältesten Bierstile der Welt, zu weltweiter Popularität verholfen haben. Ob als Lambic oder gereift und verschnitten als Gueuze, der Charakter dieser Biere ist einzigartig. Eine Mikroflora kann nun einmal nicht dergestalt eingefangen werden, dass sie an einem anderen Ort zu einem gleichen Ergebnis führt. Lambic- und Gueuze-Biere stellen im Bierkosmos, der ansonsten – Reproduzierbarkeit als oberstes Gebot – mit Reinzuchthefen arbeitet, eine absolute Spezialität dar, die auf dem Weltmarkt auch entsprechende Preise erzielt.
In ähnlicher Weise wie die traditionellen belgischen Brauer arbeiten heute viele Produzenten der Italian Grape Ales (IGA). Bei diesem noch recht neuen Bierstil werden Trauben oder Traubenmost entweder beim Kochen, bei der Gärung oder bei der abschließenden Reifung zugegeben. Und immer mehr italienische Brauer setzen – ihre Winzerkollegen aus dem Top-Bereich im Blick – auf eine spontane Vergärung der Biere durch die wilden Hefen auf den Trauben. „Mehr Terroir als eine solche Spontanvergärung geht eigentlich nicht“, ist sich Michael Zepf sicher. Für das Mengengeschäft ist eine solche Vorgehensweise sicherlich nicht geeignet, aber eine eigene Hefe, gewonnen aus der Mikroflora der Region und entsprechend kultiviert, hält der Bierexperte durchaus für eine Zukunftsoption für Brauer, die konsequent auf die regionale Karte setzen.    

Faktor Mensch &  lokale Tradition

Granitzwecken: In Hofstetten im oberösterreichischen Granitland werden heiße Steine auch beim Brauvorgang eingesetzt; Brauerei Hoffstetten
Granitzwecken: In Hofstetten im oberösterreichischen Granitland werden heiße Steine auch beim Brauvorgang eingesetzt; Brauerei Hoffstetten
Hopfenbauer Andreas Dick (l.) und Bitburger Braumeister Ulrich Lübken prüfen den  Siegelhopfen; Foto: Hardy Welsch
Hopfenbauer Andreas Dick (l.) und Bitburger Braumeister Ulrich Lübken prüfen den Siegelhopfen; Foto: Hardy Welsch
Rauchbier von Schlenkerla aus Bamberg – eine von vielen regionalen Bierspezialitäten, die seit Generationen gepflegt werden; Foto: Daniel Retter
Rauchbier von Schlenkerla aus Bamberg – eine von vielen regionalen Bierspezialitäten, die seit Generationen gepflegt werden; Foto: Daniel Retter

Savoir faire – Tradition braut mit

Weitet man das Verständnis von Terroir über den Einfluss von Klima und Boden hinaus aus, so kommt auch der menschliche Einfluss in Form von Handwerk, Erfahrung und überlieferten Traditionen ins Spiel. Die Menschen sind es, die das Bier mit Herz und Leben füllen und so brauen, wie es ihnen „im Blut liegt“. Dass norddeutsche Biere beispielsweise im Schnitt eine ganze Ecke herber ausfallen als süddeutsche, erklärt Michael Zepf mit der jahrhundertelangen Prägung des Geschmacksinns. Grünkohl und Endiviensalat, im Süden einst weder bekannt noch verfügbar, hätten von klein auf die Norddeutschen an den bitteren Geschmack gewöhnt. Eine Tradition, die noch heute ihre Spuren hinterlässt.
Ob Bamberger Rauchbier, Goslarer und Leipziger Gose, fränkische Kellerbiertradition oder flaschenvergorenes Weißbier aus Bayern – die deutsche Bierlandschaft ist voller Spezialitäten, die Zeugnis von über Jahrhunderte tradierter Brautradition ablegen. Ein ganz besonderes Beispiel wird nach wie vor in der nördlichen Oberpfalz gelebt. Der Zoigl wird gemeinschaftlich von Privatpersonen im Kommunbrauhaus gebraut. Die Würze nehmen die Zoiglbrauer mit nach Hause und vergären sie je nach eigenem Rezept. Von Ort zu Ort, von Wirt zu Wirt schmeckt der Zoigl also etwas anders und präsentiert gewissermaßen ein Mikro-Terroir.       

Fazit

Wer sich auf die Suche begibt, wird in jedem Bestandteil eines Bieres Hinweise auf Terroir finden können. Dass allerdings die wenigsten Biere tatsächlich im Ganzen ein Terroir widerspiegeln, liegt zum einen am globalen Rohstoffhandel – man denke etwa an US-Aromahopfen in deutschem Craftbier. Zum andern haben sich weltweit bestimmte Geschmacksprofile etabliert – etwa das milde Aroma eines hellen Lagerbieres –, die auf Ursprungs-Anonymität und Reproduzierbarkeit ausgelegt sind. Jahrgangsschwankungen, schmeck- und erlebbare Saison und damit Terroir sind im großen Bierbusiness nicht vorgesehen. Dies bleibt besonderen Spezialitäten wie der belgischen Gueuze oder auch den immer beliebter werdenden Grünhopfenbieren vorbehalten. Letztere zeigen einen von vielen Wegen auf, wie regionale Brauereien wieder stärker an Profil gewinnen können. Überhaupt muss Terroir beim Bier zugleich mit Regionalität gedacht werden und sollte sich nicht allein auf das sensorisch Zuordenbare beschränken. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass sich viele Brauereien fester lokal oder regional positionieren, etwa indem sie selbst Gerste anbauen oder mit örtlichen Landwirten Lieferverträge abschließen. Für Michael Zepf ist das Thema zukunftsweisend und ein wichtiger Imagefaktor: „Brauereien werden sich, etwa bei Führungen, immer schwerer damit tun, Fragen zur Herkunft ihrer Rohstoffe zu beantworten, wenn diese mit der Heimat nichts zu tun haben.“ Bier von hier – das Konzept könnte in Zukunft relevanter denn je sein und auch Raum für mehr Terroir schaffen.

In der Welt des Weines längst etabliert, fremdelt die Bierbranche noch mit dem Begriff „Terroir“. Zurecht? Wie und wo lässt sich Terroir im Bier finden?

 

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

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Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote