Matthias Knorr, Inhaber und Geschäftsführer der Barschule München (Foto: Barschule München)
Matthias Knorr, Inhaber und Geschäftsführer der Barschule München (Foto: Barschule München)

"Über Gin wird gesprochen, aber Vodka wird getrunken"

Glasklar, rein und elegant – und durchaus divers in seinem Geschmacksprofil. Ein Dauerbrenner, der in keiner Bar fehlen will: Vodka! Was Nachwuchsbartender:innen über das beliebte Destillat wissen sollten, erklärt uns Matthias Knorr, der als Inhaber und Geschäftsführer der Barschule München der Kategorie Vodka gerne ein besonderes Augenmerk widmet.

Interview: Mia Bavandi

fizzz: Welchen Stellenwert hat Vodka denn ganz allgemein und in der Bar-Szene im Speziellen?

Matthias Knorr: "Aktuell ist der Konsum von Spirituosen rückläufig. Der low ABV-Trend zum Beispiel ist eine spannende Sache, die sich halten, aber die gute, alte Trinktradition nicht ersetzen oder in Gänze ablösen wird. Vodka gehört nach Shōchū und Cachaça zu den meist verkauften Spirituosengattungen und liegt mengenmäßig weit vor Whisky, der mengenmäßig wiederum weit vor Rum liegt. In unseren Regionen spielt Vodka immer noch die erste Geige. Gerade durch Drinks wie Moscow Mule ist Vodka auch in der Barkultur immer noch sehr etabliert. Das Besondere daran ist, dass Konsumenten ihn nicht wegen einer bestimmten Vodka- oder Filler-Marke, sondern wegen des Drinks an sich bestellen."

In Zeiten von Low ABV- und alkoholfreien Drinks und der Gin & Tonic-Bewegung hat es Vodka nicht unbedingt leicht. Dennoch sind es gerade die hochprozentigen Vodka-Cocktails wie der konstante Szene-Liebling Moscow Mule, die Vodka auf Kurs halten.

Unterscheidet das Vodka etwa vom Gin?

"Wenn wir vergleichsweise den populären Gin & Tonic heranziehen, passiert es oft, dass Konsumenten einen besonderen G & T möchten, den sie noch nie probiert haben. Das ist fast wie das Sammeln von Briefmarken. Es wäre eine schöne Spielwiese, beim Moscow Mule so an das Thema Vodka heranzugehen und es an den Gästen näherzubringen. Auch ein Vodka & Tonic kann hervorragend sein, wenn die Qualität des Vodkas ebenso hervorragend ist. Gin hat den Vodka in der Wahrnehmung der Gäste an Prestige überholt. Sogar jene Varianten, die gar nicht mehr nach Wacholder schmecken. Für den Kunden oder Gast ist es gerade bei Vodka schwierig, geschmacklich zu differenzieren. Das liegt auch daran, dass er selten pur getrunken wird. Über Gin wird gesprochen, aber Vodka wird getrunken."

Man spricht immer von Vodka als neutraler Spirituose. Ist das richtig?

"Ich halte neutral für eine unglückliche Assoziation, weil Vodka definitiv Aromen und Geschmäcker transportiert. Allerdings sind sie nicht in solch‘ einer Opulenz ausgeprägt wie bei Whisky, der die Fassnoten in der Lagerung aufnimmt. Neutral ist anders. Ich bezeichne das Profil von Vodka als mild, elegant, rein und verträglich. Dieser dezente Geschmack ohne Aromensättigung wie beim Whisky macht es Gästen schwer zwischen den Produkten zu differenzieren."

Purovka Vodka
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Der bekannte Bisongras-Wodka aus Polen bekommt einen Bruder – Purovka heißt der milde, klare Vodka aus dem Hause Grasovka. Der Marktführer für Vodka in Polen und aromatisierten Vodka in Deutschland setzt mit der unverfälschten Variante auf noch mehr Mixability und bereichert die Kategorie der Umsatzbringer-Spirituose Nr. 1 an der Bar.

Wodurch kommt diese Reinheit des Vodkas zustande?

"Diese vielfach als neutral bezeichnete Geschmacksnote kommt durch das mehrfache Destillationsverfahren in Brennkolonnen und verschiedene Filtrier-Methoden wie Aktivkohlefiltration oder Kaltfiltration zustande."

Florian Renschin ist Gründer des deutschen Freimut Wodkas. Im Interview sprechen wir mit ihm über aktuelle und vergangene Hypes, Charakterfragen und seine Definition von Craft-Wodka.

Wie geht Ihr an das Thema in der Barschule München heran, wie wird Vodka gelehrt?

"Unsere Kurse sind in Stufen- oder im Level-System mit dem jeweiligen Abschluss aufgebaut. In einem Kurs des ersten Levels wird unter anderem einiges an Theorie gelehrt. Es geht um Gärung, Destillation und darum, was einen guten Drink ausmacht. Es geht um das Verständnis für einen Drink. Dafür ziehen wir gerne Vodka, aber auch Gin heran. Beide Kategorien sind für die Barwelt von hoher Relevanz. Denn um eine Spirituose und das Mixen damit zu verstehen, sollte jene im anfänglichen Lernstadium nicht von Fassaromen beeinflusst sein. Zukünftige Bartender:innen sollen verstehen lernen, was mit der Spirituose passiert, wenn eine weitere Komponente hinzukommt, und was sich dann verändert. Wir lehren keine Rezepturen, die Schüler:innen einfach auswendig lernen, sondern vermitteln Verständnis für die Kategorie, die verschiedenen Qualitäten, Geschmacksnuancen und die Wertigkeit von Destillaten."

Purovka Clubland
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Purovka Clubland
  • 3 cl Purovka Vodka
  • 3 cl Hugo Asbach Aperitif Rosé
  • 1,5 cl Elisir Gambrinus
  • 1 dash Angostura 
  • 1 dash Plum Bitters
  • Deko: Amarena Kirsche

by Thomas Magg

Wie vermittelt ihr die Wertigkeit?

"Vodka wird in der Barwelt anders betrachtet. Er ist einfach immer vorhanden, und man braucht ihn nach wie vor für Drinks wie Moscow Mule, neuerdings wieder Espresso Martini, Sex on the Beach, Cosmopolitan, Vodka Gimlet, Touchdown, White Russian und nicht zu vergessen Bloody Mary. Um die Wertigkeit von Vodka, die ganz einfach in einem schlichten, hervorragenden Vodka-Soda erfahrbar werden kann, zu erlernen, bringen wir ihn auf Raumtemperatur und servieren ihn pur, wie er leider selten getrunken wird. Dadurch werden Konsumenten an seine weiche Konsistenz und Klarheit herangeführt. Sie entdecken das Mundgefühl, ob er rau, fein oder ölig schmeckt."

Advertorial | Seit 1953 wird im finnischen Dorf Koskenkorva der gleichnamige Vodka hergestellt. Und schon lange bevor der Klimawandel ein Thema war, hat man hier Nachhaltigkeit gelebt – und sich stetig darin verbessert.

Welches Aroma erwartet man bei hochwertigem Vodka?

"Olfaktorisch lässt sich nicht viel erkennen, weil Vodka an sich auch nicht aromatisiert und grundsätzlich nicht gelagert ist. Vodka besteht zu 60 Prozent aus Wasser. Daher ist die Wasserqualität für die Vodkaherstellung von besonderer Bedeutung. Man schmeckt, ob das Wasser weich, hart oder besonders mineralisch ist. Wenn man das gleiche Destillat mit unterschiedlichen Wasserqualitäten versetzt, ist es geschmacklich wahrnehmbar. Wasser macht also einen riesigen Unterschied. In Sibirien zum Beispiel ist das Wasser in den Bergen silberhaltig, und das wirkt sich auf das Endprodukt aus. Auf alle diese Feinheiten gehen wir in der Barschule München ein."

Warum hat Vodka aber an Stellenwert und Präsenz eingebüßt?

"Eigentlich hat Vodka Gin als führende Spirituose in den 1960er-Jahren abgelöst. Diese Entwicklung ging einher mit Bonds Vodka Martini, den emigrierenden Russen, der Clubszene, Andy Warhol, Fashionlabels, Sondereditionen oder lederverkleideten Flaschen. Da ging es mit der Akzeptanz von Vodka erst richtig los, und jetzt ist es der Gin, der sich auf hippem Weg wieder in den Vordergrund gedrängt hat. Das ändert aber nichts an der schönen Notwendigkeit des klaren Destillats, etwa aus Weizen – vorwiegend in Russland – oder Roggen –  verstärkt in Polen."

Vodka bleibt also ein Dauerbrenner?

"Auf jeden Fall. Vodka ist nicht nur weit verbreitet, sondern unerlässlich in vielen klassischen Drinks. In der Barschule in München ist es uns ein Anliegen, Teilnehmer:innen ein Verständnis für dieses elegante Destillat und seine entsprechende Verwendung zu vermitteln."

Schmeckt neutral, riecht nicht, geht immer. Diese Vorwürfe sollte sich Vodka nicht gefallen lassen müssen. Nimmt man das klare Wässerchen ernst, entdeckt man die Schokoladeseite des osteuropäischen Kulturgutes, das aus Russland stammt. Oder doch aus Polen? 

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

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Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
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