Vodka ist zu mehr imstande, als neutral und aromafrei zu schmecken (Foto: iStock.com/denisrublevski)
Vodka ist zu mehr imstande, als neutral und aromafrei zu schmecken (Foto: iStock.com/denisrublevski)

Vodka neu denken

Schmeckt neutral, riecht nicht, geht immer. Diese Vorwürfe sollte sich Vodka nicht gefallen lassen müssen. Nimmt man das klare Wässerchen ernst und schenkt man ihm gebührend Aufmerksamkeit, entdeckt man die Schokoladeseite des osteuropäischen Kulturgutes, das aus Russland stammt. Oder doch aus Polen? 

Text: Mia Bavandi

Das Fass mit der Herkunftsfrage wollen wir an dieser Stelle wirklich nicht öffnen. Denn aus welchem Land in Osteuropa Vodka nun wirklich stammt, wäre natürlich interessant zu erfahren. Aber stichfest rekonstruieren lässt sich nicht, in welchem Land das mit „Wässerchen“ wörtlich übersetzte Destillat zum ersten Mal geflossen ist. Ob nun Russland oder doch Polen die Erfinderfahne schwenken darf.

Sei’s drum, bei Vodka darf man den Gürtel eben nicht zu eng schnallen, denn getrunken wird er nicht nur dort, sondern auch rund um seinen „Heimatgürtel“ in Estland, Litauen, Lettland, in Island, Finnland, in Belarus oder Schweden und Norwegen. Und das schon seit vielen Jahrhunderten. Denn bereits vor der Herstellung und dem Genuss von Vodka, wie er heute den Getränkemarkt und die Barkultur dicht besiedelt, gab es Getreidedestillate, die vorwiegend als Heilmittel eingesetzt wurden.

Advertorial | Seit 1953 wird im finnischen Dorf Koskenkorva der gleichnamige Vodka hergestellt. Und schon lange bevor der Klimawandel ein Thema war, hat man hier Nachhaltigkeit gelebt – und sich stetig darin verbessert.

Keines der genannten Länder aber will das Wässerchen gänzlich für sich behalten. Als beliebtes Exportgut hat Vodka seine Kanäle von Nord- und Osteuropa bis in die USA ausgebaut. Laut Statista galt Schweden im Jahr 2020 als weltweit wichtigstes Exportland für Vodka, gefolgt von Frankreich, Polen, der Ukraine und Lettland. Rund 83.940 Tonnen haben das Land im hohen Norden in alle Richtungen verlassen.  

Das klare, reine Kulturgut aber wird nicht nur in der ganzen Welt verteilt, sondern traditionellerweise auch unter Landsleuten gemeinsam und zumeist in purer Form geteilt. In Russland oder Polen darf es in keiner geselligen Runde fehlen und ist Trink-Protagonist bei feierlichen Anlässen mit unzähligen Trinksprüchen zwischen den Gängen auf einer reich gedeckten Tafel.

Florian Renschin ist Gründer des deutschen Freimut Wodkas. Im Interview sprechen wir mit ihm über aktuelle und vergangene Hypes, Charakterfragen und seine Definition von Craft-Wodka.

Ursprünglich wird Vodka aus Getreide hergestellt. Während Weizen als Ausgangsrohstoff vorwiegend in Russland verwendet wird, ist es in Polen vielfach der Roggen, der zur Vodka-Produktion dient. Die Spielwiese der Rohstoff-Verwendung ist allerdings eine weite. Laut Europäischer Spirituosenverordnung ist Vodka eine Spirituose aus Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs, der durch Gärung aus Kartoffeln und/oder Getreide oder aus anderen landwirtschaftlichen Rohstoffen gewonnen werden kann. Diese Begriffsweite eröffnet Produzenten ein kreatives Experimentierfeld. Daher geistern mittlerweile auch Vodka-Editionen aus Weintrauben, Zuckerrüben oder dem Pseudogetreide Quinoa durch die nicht zu stillende Konsumentenmenge.

Vielleicht ist diese Perspektive durch die Verfügbarkeit und Einsatzmöglichkeit vieler regionaler, landwirtschaftlicher Rohstoffe mit ein Grund für die weite Verbreitung und Beliebtheit von Vodka, der sich wie das „kleine Schwarze“ als verlässlicher Partner in der Barkultur verfestigt hat. Kein Espresso Martini, Sex on the Beach oder Cosmopolitan kann und will ohne den beliebten Aromen-Transporteur. Vielleicht ist es aber auch sein Fahrwasser, in dem er sich bewegt und das seinen angestammten Gürtel erweicht. Vodka nämlich gilt weithin als neutrale, weil olfaktorisch und geschmacklich selten durch den Normalverbraucher wahrnehmbare Spirituose.

In Zeiten von Low ABV- und alkoholfreien Drinks und der Gin & Tonic-Bewegung hat es Vodka nicht unbedingt leicht. Dennoch sind es gerade die hochprozentigen Vodka-Cocktails wie der konstante Szene-Liebling Moscow Mule, die Vodka auf Kurs halten.

Schade, denn es lohnt, die Geschmackstiefe, Klarheit und milde Feinheit eines exzellenten Vodkas zu erfahren, und das funktioniert am besten beim Pur-Genuss bei Zimmertemperatur. Dann, wenn Vodka seine Güte offenbart, die durch beste Rohstoffqualität, das jeweils geeignete Destillations- und vor allem Filtrierverfahren und hervorragendes Wasser zustande kommt.  

Glasklar, rein und elegant – und durchaus divers in seinem Geschmacksprofil. Ein Dauerbrenner, der in keiner Bar fehlen will: Vodka! Was man über das beliebte, mehrfach filtrierte Destillat zumeist aus Getreide wissen sollte, erklärt uns Matthias Knorr von der Barschule München.

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

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Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

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