Eingespieltes Duo Bettina Peifer-Thiel und  Benjamin Peifer wählen gemeinsam die Weine zum Menü aus; Foto: Enrico Markx
Eingespieltes Duo Bettina Peifer-Thiel und Benjamin Peifer wählen gemeinsam die Weine zum Menü aus; Foto: Enrico Markx

Weißer Rauch über Wachenheim

Nach vier Jahren Planung hat Ende 2022 das neue Intense in Wachenheim eröffnet. Die Küche ist geprägt von offenem Feuer, von heimischen Zutaten und japanischen Zubereitungsmethoden, die Weinkarte gespickt mit hochwertigen Schaumweinen.
Text: Sascha Speicher

Küchenchef Benjamin Peifer gilt schon lange als eines der größten Versprechen am deutschen Kulinarik-Himmel. Gemeinsam mit seiner Frau Bettina Peifer-Thiel konnten sie in Wachenheim ein Restaurant ganz nach ihren Vorstellungen erschaffen. Zumindest konzeptionell, denn räumlich setzte die vorhandene Bausubstanz der Kreativität Grenzen: vorne ein denkmalgeschütztes ehemaliges Pfarrhaus, hinten ein früherer Getränkemarkt.

Zwei Welten, verbunden durch eine Schatzkammer, vereint das Intense auch kulinarisch. Nachdem der Gast an der Tür geläutet hat, wird er von der Gastgeberin und Sommelière Bettina Peifer-Thiel in die „Guud Stubb“ geführt. In dieser werden vor den Augen der Gäste klassische Gerichte im Kleinformat zubereitet. Zum Teil klassisch, wie die Dampfnudel mit „Woisoß“, zum Teil komplett neu interpretiert, wie die „Gequellde mit weißem Kees“ Für alle, die des Pfälzischen nicht mächtig sind: im Grunde eine Kombination aus Kartoffel und Frischkäse, hier jedoch zu großer aromatischer Vielfalt verfeinert. Noch mehr Handwerk zeigt der „Kerscheplotzer“, eine mit Schokolade und Leber gefüllte Kirsche, auf einem krokanten Chip serviert. Ein Vorgeschmack auf das, was später im Restaurant folgen wird. Das hier glasweise zu den regionalen Snacks Empfohlene offenbart die Leidenschaft der Chefin, die sie praktischerweise mit ihrem Ehemann und Küchenchef teilt: hochwertiger Schaumwein. An diesem Abend werden 2013 Blanc de Noir Réserve Brut von Raumland, ein Chouilly Grand Cru Rosé Extra Brut von Vazart-Cocquart, die Grande Cuvée von Krug, aber auch ein alkoholfreier Trauben-Kräutersecco von Sven Leiner offeriert. Auf der Weinkarte sind allein zehn Sekterzeuger aus der Pfalz gelistet, dazu weitere deutsche Spitzen­adressen und eine noch weit größere Anzahl an Winzern und Häusern aus der Champagne. „Gerade aus der Champagne wird es noch deutlich mehr werden“, kündigen beide unisono an. „Vor allem im Sommer würden wir die Getränkebegleitung am liebsten nur aus Schaumweinen zusammenstellen. Wir beobachten auch, dass immer häufiger Champagner zum Menü getrunken wird.“ Doch jetzt ist Winter, das Menü wurde gerade zum ersten Mal nahezu komplett gewechselt. „Jetzt haben wir keinen Schaumwein in der Begleitung, weil die Winterküche einfach Getränke mit etwas mehr Druck benötigt.“

Zwischen Sashimi und Dampfnudel: Im Intense treffen japanische Küchentechniken auf Pfälzer Hausmannskost
Zwischen Sashimi und Dampfnudel: Im Intense treffen japanische Küchentechniken auf Pfälzer Hausmannskost

Die Küche

Bevor das eigentliche Menü und damit auch die Getränkebegleitung beginnt, wird man von der guten Stube in die Schatzkammer geführt. Ein schwarzer, effektvoll beleuchteter Raum, in dem mittels Licht die Aufmerksamkeit voll auf die Zutaten gelenkt wird, die später zum Einsatz kommen. Die selbstgebackenen Brotlaibe des ausgebildeten Bäckers Benjamin Peifer, der an der Decke hängende Speck und der vor sich hin fermentierende, leicht dampfende Koji-Reis verbreiten einen würzigen, anregenden Duft. Hier wird die doppelt fermentierte Sojasauce erklärt, ebenso die getrocknete Gelbflossenmakrele aus dem Saarland, die für die Zubereitung des eigenen Dashi-Suds essentiell ist. Die Techniken haben sich Peifer und sein Team selbst angeeignet. Einiges konnte er sich auch vor Ort abschauen: „Ich war zweimal für sieben Tage in Japan, jeden Tag zweimal Essen.“ Auch die Zeit des Lockdowns nutzten die Peifers, um sich von den Besten inspirieren zu lassen: „Frantzén war bisher das prägendste Restauranterlebnis für mich. Das lässt sich mit nichts messen.“

Hier wie dort üblich ist die informative Präsentation der verwendeten Produkte. Altrheinzander, Lachsforelle, ein Dry Aged Stör aus dem eigenen Reifeschrank, geräucherter Aal – der Anblick der Zutaten, die in den folgenden Gängen die Hauptrollen spielen, lässt die Herzen der Fischfans höher schlagen. „Wir vertrösten Vegetarier auf den Juni. Im Sommer haben wir viele vegetarische Gerichte auf der Karte, im Winter funktioniert das nicht, darum bieten wir aktuell auch kein vegetarisches Menü an“, erklärt Peifer seine konsequente Linie. Bis auf den mit Koji gereiften Coppa und ein Reh aus dem Pfälzerwald werden auch eingefleischte Fleischesser zunächst einmal enttäuscht auf die dargebotenen Köstlichkeiten blicken, doch das Feuer wird hier einiges ausgleichen.

Der große Grill ist das Herzstück der offenen Küche, umgeben von einer großen Theke, an der zehn Gäste Platz nehmen können. Zwei größere Tische in zwei separaten Nischen sowie vier kleine Tische schaffen Raum für maximal 28 Gäste. Auch im Restaurant wird sehr gezielt mit dem Licht gearbeitet. Auf die Plätze gerichtete Spots mit hellem, aber warmem Licht lassen auf den in der Pfalz handgefertigten Tellern jedes Detail erkennen, während der Raum insgesamt eher dunkel bleibt. So wird der Blick fast automatisch auf das Feuer gelenkt, das in Form von Rauch- oder Grillaromen in fast jedem Gericht einmal stärker, einmal schwächer, seine Spuren hinterlässt. „Feuer weckt eben einen Urinstinkt im Menschen. Wenn ­Umami der fünfte Geschmack ist, sind Feuer und Rauch der sechste. Das habe ich mal in einem Interview gesagt. Die Aussage wollte ich mir eigentlich patentieren lassen, denn das stimmt. Raucharomen lassen sich keinem Geschmack zuordnen, sie bilden eine eigene Dimension.“

Abgesehen vom Grill gibt es nur zwei Induktionsfelder für die ganze Küche: „Die sind dann speziell in der Vorbereitung auch schon mal heiß umkämpft, zum Beispiel, wenn ich einen Saucenansatz mache und mich dann auch nicht vertreiben lasse“, merkt Peifer grinsend an. „Durch den großen Grill können wir viel feiner, viel weniger brachial mit den Grillaromen arbeiten als früher mit dem Green Egg.“

Benjamin Pfeiffer
Benjamin Pfeiffer

„Unser Ziel war ganz klar ein Restaurant, das internationale Standards erfüllt und im besten Fall übertrifft. Das sollte so auch in New York oder London funktionieren können, aber gleichzeitig die Pfalz mittransportieren.“

Benjamin Pfeiffer
Küchenchef

Die Weine

Das Serviceteam besteht aus drei Personen, inklusive Bettina Peifer-Thiel, die den Service leitet und zugleich als Sommelière für die Weinberatung zuständig ist. Die gebürtige Moselanerin ist in die Aufgabe hineingewachsen, wie sie selbst erklärt: „Das war learning by doing. Im alten Intense in Kallstadt haben wir oft lange zusammengesessen und uns ausgetauscht. Davon profitiere ich jetzt.“ Sie teilt den Weingeschmack mit ihrem Mann. „Eigentlich bin ich der Trinker von uns beiden. Entsprechend habe ich immer schon einige Weine zu einem neuen Gericht im Kopf, die wir dann gemeinsam ausprobieren“, erklärt der Küchenchef. Neben der bereits beschriebenen Leidenschaft für Schaumwein stehen Weißweine aus der Heimat (von Mosel bis Pfalz) und aus Frankreich hoch im Kurs des Ehepaars. Gerade die Pfalz- und Rheinhessen-Rieslinge bietet Bettina Peifer-Thiel auch gereift an. „Wir haben viel gekauft in den letzten Jahren, zum Beispiel von Wittmann und Keller, aber die Weine noch gar nicht auf die Karte gesetzt. Wir möchten, dass sie getrunken werden, wenn sie trinkbereit sind“, erklärt die Sommelière. Richtung Sommer möchte sie für die Begleitung noch einiges an Chenin Blanc und Sauvignon von der Loire einkaufen. „Diese Weine passen sehr gut zu Bennis Sommer-Küche.“

Bettina Peifer-Thiel
Bettina Peifer-Thiel

„Champagner soll noch mehr Raum einnehmen auf der Weinkarte, weil er sehr gut zum Essen funktioniert. Das gilt aber auch für deutsche Spitzensekte, zum Beispiel von Raumland“

Bettina Peifer-Thiel
Sommelière

Wie wichtig die Weinbegleitung im Intense ist, wurde bei unserem Besuch deutlich: Mit Ausnahme eines Zweier-Tisches hatten sich alle Gäste für die Getränkebegleitung mit oder ohne Alkohol entschieden. Die alkoholfreien Kreationen basieren auf Wasserkefir, Kombucha oder Saft und greifen bestimmte Zutaten des jeweiligen Ganges auf. Die „Getränkereise“ gestaltet die Hausherrin äußerst abwechslungsreich: zwei klassische deutsche Weißweine, einmal Sake, einmal Jura mit Flor aus der Mini-Appellation L’Étoile, ein Bier, ein gereifter Rotwein und schließlich ein Jerez. Wie auf der Weinkarte spielt auch in der Begleitung der Rotwein eine untergeordnete, jedoch keineswegs unwichtige Rolle beim Übergang vom Hauptgang zum Dessert.

Den Auftakt im Restaurant bildet Julian Hubers Chardonnay Alte Reben 2019 (aus der Magnum) zum Sashimi vom Altrheinzander, Périgord-Trüffelponzu und Shiitake: Die erdige, jodig-salzige Würze und zitrische Frucht ist sowohl auf dem Teller als auch im Glas prägend, folglich ein harmonisch-frischer Auftakt in die Getränkereise. Zugleich ein Gericht, das schon sehr gut die Weiterentwicklung der Peifer-Handschrift zeigt, wie er selbst erklärt: „Wir sind sicher erwachsener geworden, etwas reduzierter. Die Ponzu ist ja an sich nichts Außergewöhnliches, nur dass wir eben mit frischer Yuzu arbeiten, unsere eigene Sojasauce herstellen, eine frische Dashi kochen. Das macht dann den Unterschied.“

Die folgende Lachsforelle hatte einen doppelten Auftritt. Einmal als Tatar, vorher mit der heißen Kohle der japanischen Steineiche abgerieben, mit verschiedenen rohen oder fermentierten Rettich-Sorten und Dashi-Sud. Sowohl bei dieser als auch  bei Variante zwei, der warm geräucherten Lachsforelle, mit von der Partie: der Rauch. Diese wird begleitet von mariniertem Kopfsalat und einem krossen Malzchip. Auf den Rauch und die vegetabilen Aromen von Rettich und Salat antwortet die Sommelière mit einem jungen Riesling von Klaus Peter Keller, der genügend mineralisches Extrakt besitzt, um sich zu behaupten, gleichzeitig den Fisch aber nicht überlagert. Eine erfrischende, fast neutralisierende Begleitung.

Als „perfect match“ lässt sich die folgende Paarung aus Sake und Dry Aged Stör mit Koji Coppa, Winterspargel, einer Beurre Blanc mit fermentierten Spargelschalen, sowie Kaviar und Verbene-Öl bezeichnen. Viel Umami, feine Salzigkeit und Cremigkeit prägen das Gericht und der positiv rustikale, würzige und zart-nervige Junmai „Glücklicher Reis“ fügt sich dem Gericht geschmeidig an, antwortet mit Viskosität auf die Salzigkeit. „Vodka und Kaviar ist ja klassisch, aber Sake und Kaviar bilden eine ebenso stimmige Kombination.“ 

Der folgende Gang trägt den Namen „Beifang“ der Altrheinfischer. Neben Hecht wurden auch die Abschnitte der anderen Fische des Menüs zu einem feinen Knödel verarbeitet, gefüllt mit Ra-Yu, einem rauchig-scharfen Öl, und eingehüllt in Spitzkohl. Nicht die dankbarste Aufgabe für einen Wein, doch der Étoile von Montbourgeau nahm ohne Scheu die pikante Herausforderung an.

Sauerteigbrot mit fermentiertem Fünf-Korn, Nussbutter, Brotmiso, Honig Knärzje; im Glas dazu Helles Kellerbier mit Brot gebraut
Sauerteigbrot mit fermentiertem Fünf-Korn, Nussbutter, Brotmiso, Honig Knärzje; im Glas dazu Helles Kellerbier mit Brot gebraut
Lachsforelle einmal warm geräuchert,  einmal „Aburi“; beide begleitet von 2020er Von der Fels Riesling, Klaus Peter Keller
Lachsforelle einmal warm geräuchert, einmal „Aburi“; beide begleitet von 2020er Von der Fels Riesling, Klaus Peter Keller
Zwei Gerichte, ein Wein: 2009 Cuvée Prestige, Pfalz, Dr. Bürklin-Wolf aus der Magnum zu Rehrücken mit Quitte, Unagi und Shiso-Rotkohl sowie „Der gar nicht mal so arme Ritter“ mit Marone, Haselnuss und Perigordtrüffel
Zwei Gerichte, ein Wein: 2009 Cuvée Prestige, Pfalz, Dr. Bürklin-Wolf aus der Magnum zu Rehrücken mit Quitte, Unagi und Shiso-Rotkohl sowie „Der gar nicht mal so arme Ritter“ mit Marone, Haselnuss und Perigordtrüffel

Der einzige Rotwein des Tages durfte gleich doppelt ran. Ein Relikt, denn die Cuvée Prestige 2009 von Dr. Bürklin-Wolf wird heute gar nicht mehr hergestellt. Die Kombination aus Rehrücken, Quitte, geräuchertem Aal, Lardo und Shiso-Rotkohl entwickelte etwas zu viel Power für diese Pfälzer Cuvée. Das Reh wird nur kurz geflämmt und gart dann im rauchigen, aber feinen Sud weiter. Was sehr gut zum Gericht passt, ist die leichte Reife des Weins, der sich anschließend zum ersten und zugleich besten von vier vorzüglichen Desserts als Überraschungstreffer erweist: „Der gar nicht mal so arme Ritter“ aus selbstgebackenem, getoastetem Brioche mit reichlich Périgord-Trüffel, feinen Akzenten von gerösteten Haselnüssen und Maronen besitzt maximalen Suchtfaktor.

Ebenfalls über zwei Gänge darf der Old Harvest PX der Bodegas Ximénez-Spínola seine breitgefächerten Einsatzmöglichkeiten demonstrieren. Zunächst zur über dem Feuer kandierten Rote Bete, Pfälzer Zwetschgenmus, geraspelter Fro Faux Foie Gras und PX und anschließend zum würzig-pikanten Käse-Dessert.

Noch vor dem abschließenden Milchreis sind die restlichen Gäste an der Theke bereits wieder beim Champagner gelandet. Nachvollziehbar angesichts der gebotenen Auswahl und bestens geeignet, dieses gastronomische Feuerwerk hochleben zu lassen.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote