Die drei großen Rosé-Appellationen (Côtes de Provence, Coteaux Varois en Provence und Coteaux d’Aix-en-Provence) stellen sich in Marseille Handel und Gastronomie vor; Foto: Artaïs Studio
Die drei großen Rosé-Appellationen (Côtes de Provence, Coteaux Varois en Provence und Coteaux d’Aix-en-Provence) stellen sich in Marseille Handel und Gastronomie vor; Foto: Artaïs Studio

Uptrading mit „Rosé de garde“

Die Rosés de Provence, unumstrittene Marktführer der Kategorie, wollen vom Sommerwein-Image weg. Mit reifefähigen „vins de gardes“ soll die Zukunft gesichert werden.

Es gibt große Weißweine und es gibt große Rotweine. Aber große Rosé? Im Rosé-Paradies Provence hatte man es lange nicht nötig, mehr als einen jugendlich frisch-fruchtigen, freundlich hell-rosafarbenen, technologischen Saft zu erzeugen, der nur möglichst kalt sein muss. Allein die 13 Millionen Touristen an der Côte d’Azur nagen jeden Sommer schon kräftig am Vorrat von jährlich rund 150 Millionen Flaschen. Seit den neunziger Jahren sind die Rosés auch technisch alle einwandfrei, schmecken entweder attraktiv nach Zitrusfrüchten oder nach roten Beeren. Die Investitionen in die Technik wurden belohnt. Der Fassweinpreis stieg von 126 €/hl in 2002 auf 348 €/hl in 2022, also beinahe eine Verdreifachung innerhalb von zwei Jahrzehnten. Das schaffte noch kein deutscher Wein.

Dennoch wollen sich die Südfranzosen nicht am Strand auf ihren Lorbeeren ausruhen. Bei „national und international wachsender Konkurrenz“ sollen die Rosés de Provence auch „qualitativer Leader in der Welt“ werden, wie CIVP-Präsident Eric Pastorino jüngst als Parole ausgab. Ende Februar präsentierten sich unter dem Titel „Vins de Provence expériences“ die drei großen „Provence“-Appellationen (Côtes de Provence, Coteaux Varois en Provence und Coteaux d’Aix-en-Provence) in Marseille erstmals gemeinsam dem Handel und der Gastronomie. Im altehrwürdigen Palais du Pharo am alten Hafen freuten sich 180 Aussteller über exakt 1015 Besucher (auf 600 hatten die Veranstalter gehofft), meist aus der Region, die sich vor allem dem Thema Rosé widmeten. Slogan (frei übersetzt): „Der Rosé, der anders ist“.

Ein Image- und Stil-Wechsel

Ein Weg in höhere Qualitätssphären sei die Definition von Terroirs („Manch generische Appellationen durchleben eine schwere Krise, die Crus nicht“) sowie die Kreation von „Rosés de garde“. Darunter versteht man Weine, die mit mehrjähriger Reife an Komplexität und Tiefe gewinnen. Bislang repräsentieren diese Prestige-Gewächse gerade einmal ein Prozent der Produktion. Das absolute Gros der Rosés setzt auf jugendliche Frucht und Frische und wird überwiegend innerhalb eines Jahres getrunken.

Rosés mit Reifepotenzial und Tiefe müssen selbstverständlich speziell vinifiziert werden: perfekte Traubenreife bei niedrigen Erträgen; Mazeration statt direkte Pressung, und die möglichst lange; Gärung und/oder Ausbau im (neuen) Holz, mittlere Toastung oder mehr. Eine Reifung auf der Feinhefe ist fundamental, dazu Bâtonnage, das Ganze über mindestens neun Monate. So die wesentlichen Grundrezepte für lager- und reifefähige Weine.

Die offene Verkostung im Palais du Pharo am alten Hafen in Marseille; Fotos: Artaïs Studio
Die offene Verkostung im Palais du Pharo am alten Hafen in Marseille; Fotos: Artaïs Studio

Dass Rosés auch tatsächlich gut reifen können, zeigte die Präsentation einiger älterer Jahrgänge, etwa die 2019er von Château Paradis (Terre des Anges mit noch heller Frucht und feiner Phenolik) und Château de Chausse (noch prickelnd-frischer Tourmaline) sowie der schon etwas ältere 2015er Longue Tubi (kandierte Frucht mit warmer Würze, saftige Viskosität). Der Vignelaure 2014 war mit seiner Rumtopfaromatik schon etwas müde, lebte aber noch durch seinen feinen Cabernet-Biss.

Vielleicht noch spannender eine Vertikale der Domaine Camaissette, mit dem zwiebelschalenfarbenen, delikaten, salinen 2010er, den cognacfarbenen, aber brillanten 2006er und 2004er: alle mit attraktiven Aromen nach Trockenfrüchten, Feige und warmer Würze; einzig der 2000er war schon etwas müde. Die Weine sind tatsächlich noch im Verkauf. Bei den Proben fällt auf, dass unter den älteren, gereiften Rosés die spannendsten einen guten Schuss Rolle (Vermentino) mit drin hatten, mindestens 10, oft 20 Prozent. Vielleicht ist das ein kleines, zukunftsweisendes Erfolgsgeheimnis. mHo

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote