Interview: Mareike Hasenbeck
fizzz: Die Generation Z greift laut Statistiken immer weniger zum Bier. Woran liegt das? Ist Bier den jungen Menschen nicht attraktiv genug?
Köhler: Zunächst gilt, dass nicht nur weniger Bier, sondern generell unter jungen Menschen weniger Alkohol getrunken wird. Das liegt einerseits an dem auch während der Pandemie stark gestiegenen Gesundheitsbewusstseins und einem allgemeinen Trend zu funktionaler Ernährung. Zum anderen unterscheidet sich das Sozialleben der Generation Z stark von älteren Generationen.

fizzz: Was bedeutet das?
Köhler: Gemeinsamer Alkoholkonsum ist nicht mehr von zentraler Bedeutung. Als eher soziales Getränk leidet da die Kategorie Bier besonders stark. Und anders als andere Getränkekategorien gehört zum Bierkonsum eine gewisse Lernkurve: Um sich für herbe Hopfennoten begeistern zu können, benötige ich einen Gewöhnungs- oder Lerneffekt. Konsument*innen, die keinen Zugang zu Bier entwickeln, erlangen ihn selten in späteren Lebensphasen.
fizzz: Viele der 18- bis 24-Jährigen wollen Abwechslung und sind permanent auf der Suche nach etwas Besonderem. Wie können Brauereien vorgehen, um auch diese Altersgruppe zu begeistern?
Köhler: Entscheidend ist für Brauereien die Zugänglichkeit. Möchte ich Zielgruppen erreichen, die bislang wenig Berührungspunkte mit Braukultur hatten, muss ich die Hürden abbauen, die dem Biergenuss entgegenstehen. Das bezieht sich sowohl auf die Genussmomente – also die Notwendigkeit einer gewissen Eventisierung des Bierkonsums, und das Experimentieren mit Erlebnis-Gastronomieformaten – als auch das Produkt selbst.
fizzz: Trifft Craftbier mit neuen und individuellen Sorten da nicht genau den Nerv der Zeit?
Köhler: Craftbier hat natürlich viele Elemente, die es für junge Altersgruppen attraktiv machen könnten: sehr individuelle Sorten, eine Insider-Kultur und auch Elemente von Rebellentum. Andererseits werden viele Craftbiere von Craftbier-Fans für Craftbier-Fans gebraut. Nur wenige zielen geschmacklich oder auch in der Vermarktung auf Bier-Einsteiger*innen ab. Das ist aber wichtig, um neue Konsument*innenschichten an diese Produkte heranzuführen.
fizzz: Welche Rolle spielt die Gastronomie beim Biergenuss für die Gen-Z? Sind Tasting-Boards, spezielle Verkostungsangebote oder Foodpairings sinnvoll?
Köhler: Auch hier gilt aus unseren Beobachtungen, dass anspruchsvolle Formate in der Gastronomie häufig eher abschreckend wirken. Für einen jungen Gast geht es ja eher selten darum, die perfekten Biere für ein Mehr-Gänge-Menü zu finden, sondern überhaupt Interesse und Spaß an Braukultur zu entwickeln. Ein gut zusammengestelltes Tasting-Board kann helfen, den Geschmack an komplexere Biere heranzuführen. Allerdings muss vorher die Lust an Bier geweckt werden: Komplexitätsreduktion in einer auf die Generation angepassten Erlebnisgastronomie sind Stichworte, die in die richtige Richtung gehen. Zudem ist das Image dessen, was junge Menschen konsumieren, mindestens so wichtig wie Geschmack und Brauweise. Was für ein Lebensgefühl transportiert mein Bier? Wer soll es eigentlich in der Hand halten? Welche Orte passen dazu? Das alles sind Fragen, die es zu stellen wert sind.
fizzz: Es ist bekannt, dass junge Leute auf Genuss fixiert sind, sich gern etwas Besonderes gönnen und sich nach gemeinschaftlichen Erlebnissen sehnen. Was können die Brauer damit in Bezug auf den Bierabsatz anfangen?
Köhler: Erst einmal sind das alles gute Nachrichten für die Gastronomie. Die starken sozialen Einschränkungen der letzten drei Jahre haben hedonistische Tendenzen in Richtung einer lustvollen Erlebniskultur befeuert. Menschen wollen Freunde an ‚dritten Orten‘ treffen, sie wollen sich dort inszenieren und über die sozialen Netze ihr Umfeld daran teilhaben lassen. Brauer müssen also überlegen, wie sie Gleichgesinnte zusammenbringen und Einzigartigkeit ermöglichen können. Denn als Marke wird es immer wichtiger, Gemeinschaft herzustellen und dieser dann Zugang zu exklusiven Erlebnissen zu geben.
fizzz: Die Gen-Z gilt auch als die Online-Generation schlechthin. Wie bedeutend sind Instagram, TikTok oder Facebook für den Kauf von Bier?
Köhler: Aus unserer Arbeit wissen wir, dass soziale Medien der Generation vor allem Orientierung gibt. Es wird genau erfasst, wer was konsumiert und was Zugehörigkeit zu einer bestimmten Szene symbolisiert. Influencer sind dabei mehr als reine Werbeträger, sondern Filter dessen, was in das eigene Leben gelassen wird. Eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten Online-Kanälen für die Zielgruppe ist daher unerlässlich. Idealerweise aber in Kombination mit der Auswahl weiterer relevanter „Touchpoints“, also den Orten, an denen ich mit meiner Zielgruppe in Kontakt komme. Ich möchte bezweifeln, dass dazu die etablierten Craftbier-Bars gehören.