(Foto: Master1305 – Stock.Adobe.com)
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Bier neu erschaffen

Trotz turbulenter Zeiten für Brauer setzen sich Bierspezialitäten bei den Konsumenten weiter durch. Vor allem die Erlebnisgastronomie haucht dem Segment neues Leben ein und dient als Absatzmotor.

Text: Mareike Hasenbeck

Die deutsche Bierbranche hat es wirklich nicht leicht. Nach jahrzehntelangem Brauerei- und Wirtshaussterben sowie kontinuierlich sinkendem Bierkonsum legte ein Virus das Land lahm, Bars und Kneipen mussten monatelang schließen. Und jetzt auch noch ein Krieg in Europa. Nach dem Überfall der Russen auf die Ukraine gingen die Rohstoffpreise durch die Decke und wegen explodierender Inflationsraten müssen Konsumenten jetzt auch noch am Genuss sparen. Da blickt so manch einer schon fast sehnsüchtig auf die 2010er Jahre, als der Bierszene hierzulande durch die Craftbier-Bewegung neues Leben eingehaucht wurde, Regional- und Landbrauereien aus dem Dämmerschlaf erwachten, kreative Braustätten mit originellen Bierspezialitäten lockten und coole neue Bierbars aus dem Boden wuchsen. 

Und jetzt? Brauereisterben und Gastronomieschließungen gehen schleichend weiter und die Branche stolpert von einer Krise in die nächste. Auch der Deutsche Brauer-Bund zeichnet mit seinen derzeitigen Prognosen für dieses Jahr ein nicht gerade erfreuliches Szenario. „Für 2023 zeichnet sich ab, dass viele Bierspezialitäten und regionale Marken an Dynamik verlieren könnten“, bedauert Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Aber selbst, wenn das auf den ersten Blick ziemlich düster klingen mag, bedeutet das nach Ansicht von Eichele noch längst nicht den Untergang für besondere Biere. So beobachtet der Brauer-Bund auch, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die große Sortenvielfalt in Deutschland inzwischen sehr zu schätzen wissen und diese Vielfalt weiterhin von den Brauereien einfordern. So würden nach aktuellen Statistiken vor allem regionale Bierspezialitäten wie Landbiere, Kellerbiere, Märzen und vor allem Helles immer beliebter werden. Allerdings erwartet der Konsument bei den zum Teil traditionellen oder neu interpretierten Rezepturen gern auch mal einen exklusiven Genusskick.  

Jeff Maisel hat mit Maisel & Friends schon früh erfolgreich eine Spezialitäten-Range aufgelegt.
Jeff Maisel hat mit Maisel & Friends schon früh erfolgreich eine Spezialitäten-Range aufgelegt.

Bierspezialitäten: Bitte nicht zu extrem

Von diesem Trend profitieren vor allem die Macher von experimentierfreudigen Brauereien. Einer, der schon seit geraumer Zeit auf die Kombination aus Tradition und Moderne setzt, ist Jeff Maisel von der gleichnamigen Wirkungsstätte in Bayreuth. Bekannt war er ursprünglich für Maisel‘s Weisse und das Bayreuther Brauhaus, bis er zusätzlich die Kreativmarke Maisel & Friends gründete. Mit einem vielfältigen Bierangebot mit Hellem, alkoholfreien Sorten, Weißbier, aber auch Pale Ale und India Pale Ale heimst Maisel regelmäßig internationale Preise ein. „Die gegenwärtige Marktsituation bestätigt uns, dass wir die Konsumenten glücklicherweise richtig eingeschätzt haben“, bekräftigt der fränkische Unternehmer. Er habe sowohl bei den traditionellen als auch bei den modernen Bierspezialitäten auf eine Strategie gesetzt, die sich ganz nach Ansprüchen und Vorlieben deutscher Bierliebhaber richtet.

Warum trinken junge Menschen kaum noch Bier, wie können Brauereien diesem Negativtrend entgegenwirken und wie bedeutend sind in der Hinsicht eigentlich Bars? Ulrich Köhler vom Trendbüro München erklärt, wie die Generation Z tickt, was Bier attraktiv macht und welche Rolle die Gastronomie dabei spielt.

Mit seiner Sortenvielfalt gelingt es Maisel tatsächlich, die Wünsche der Konsumenten nach außergewöhnlichen Geschmacksnoten zu erfüllen. Eines jedoch steht für ihn fest: Innerhalb des jeweiligen Stils dürfen die Geschmacksprofile nicht zu extrem ausarten. Und um all diese Bierspezialitäten an Mann und Frau zu bringen, sieht der Brauerei-Chef vor allem die Gastronomie als wichtigsten Absatz-Instrument. Taprooms, Wirtshäuser, Restaurants, Bars und Kneipen sind für ihn die wichtigsten Orte, um Menschen mit neuen Bieren in Berührung zu bringen.

Maisel bestätigt, ebenso wie viele seiner Kollegen in der Bierbranche, dass die Verbraucher während der Pandemie deutlich probierfreudiger geworden sind. Dieses Potential wird von vielen Brauern derzeit mit einer speziellen Sortenauswahl in den Gastronomie-Betrieben ausgeschöpft. So bietet Maisel in seiner Bayreuther Location „Liebesbier“ etwa Tastingboards an, mit denen Gäste verschiedene Sorten in moderaten Portionen probieren können. Zudem finden regelmäßige Verkostungen und Seminare mit dem Biersommelier statt – auch zum Thema Foodpairing.

Marc Rauschmann konzentriert sich mit seiner Marke BraufactuM seit einer Weile auf wenige, ausgewählte Spezialitäten. (Foto: ©Laessig)
Marc Rauschmann konzentriert sich mit seiner Marke BraufactuM seit einer Weile auf wenige, ausgewählte Spezialitäten. (Foto: ©Laessig)

Junge Zielgruppe essentiell

Dass vor allem die Erlebnisgastronomie eine bedeutende Rolle für die Bierszene spielt, weiß auch Mirco Alexander Nikolitsch, Mitgründer und Geschäftsführender Gesellschafter der BMB-Gruppe mit mehr als 30 Gastronomie-Konzepten in Berlin. Innerhalb der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde „Talk & Taste“ im vergangenen November in der Bundeshauptstadt, veranstaltet von BraufactuM aus Frankfurt, betonte er: „Ein ausgewähltes Angebot an Bierspezialitäten liefert genau den Facettenreichtum, der auch die Lust zum Probieren auslöst.“ Dadurch würden auch jüngere Menschen angesprochen, die offen seien für Neues, sagt der Gastronom. Und genau diese Zielgruppe ist nach seiner Ansicht essenziell für die Branche.

In der Berliner Diskussionsrunde ergänzte Ulrich Köhler vom Trendbüro aus München, dass gerade jetzt nach dem absehbaren Ende der Pandemie die Deutschen wieder bereit seien, in gastronomischen Genuss zu investieren. Über den langen Zeitraum wurde seiner Meinung nach eine große Sehnsucht nach gemeinschaftlichen Ereignissen erzeugt. „Aktuell entscheiden Konsumenten und Konsumentinnen sehr bewusst, was sie sich gönnen, und erwarten parallel zum Genuss auch ein unkompliziertes gemeinschaftliches Erlebnis, das in Erinnerung bleibt“, weiß Trendforscher Köhler.

"Bier unser" von Mareike Hasenbeck, erscheint bei Callwey.
"Bier unser" von Mareike Hasenbeck, erscheint bei Callwey.
Buchtipp
Bier unser

Die bekannte Bierjournalistin und Biersommelière Mareike Hasenbeck (Feiner Hopfen) führt uns mit diesem Buch in 20 Kreativbrauereien aus Deutschland, Österreich sowie der Schweiz. Packende Geschichten von Gründern und Brauern, wertvolle Tipps, exklusive Fotos und Originalrezepte machen „Bier Unser“ zu einem informativen Gesamtwerk. Anleitungen zum Selberbrauen sowie Tipps und Tricks für die nächste Verkostung zu Hause fehlen in diesem Werk natürlich auch nicht. Callwey Verlag, 208 Seiten, gebunden, 45 € (erscheint am 17. März 2023). 

Konzentration aufs Wesentliche

In der Branche kursieren verschiedenste Prognosen, wie es wohl jetzt weitergehe mit den Bierspezialitäten. Marc Rauschmann, der mit BraufactuM als hiesiger Craftbier-Pionier gilt, verfolgte in den vergangenen Jahren seine eigene Strategie. Er konzentriert sich auf das Wesentliche. Von einer einst üppigen Bierauswahl reduzierte er mit seinem Team das Angebot auf die drei Sorten: Pale Ale, India Pale Ale und Brown Ale. „Wir wollen mit leichter zugänglichen, aber herausragenden Bieren eine breite Zielgruppe anzusprechen und geschmacklich überzeugen“, betont Braumeister Rauschmann. Dadurch sehe er die Möglichkeit, die Konsumenten Schritt für Schritt abzuholen und sie von der neuen Biervielfalt zu begeistern. Die Spezialsude von BraufactuM hingegen werden konzentriert in den Gastronomieobjekten in Berlin ausgeschenkt.

Branchenkenner wie Marc Rauschmann und Jeff Maisel sind sich einig, dass trotz turbulenter Zeit noch viel Potential im Produkt und im Thema Bier steckt. Durchhalten, weitermachen und weiterhin die Gastronomie stärken heißt ihre Devise. Damit verbinden sie zusätzliche Events, Tastings und Aktionen, die sie als Chance werten, ungewöhnlichen Bierspezialitäten weiterhin den Weg in die Mitte der Gesellschaft zu ebnen.

Advertorial | Ob als Begleiter beim Aperitivo, beim Essen mit guten Freunden und Bekannten oder als Filler in kreativen Bier-Cocktails - Peroni Nastro Azzurro, das beliebteste Bier Italiens, sorgt für einzigartige Momente, die uns "La Dolce Vita" erleben lassen. 

fizzz 04/2023

Themen der Ausgabe

Dominik Mohr, Felix Engels und Dominique Simon, Köln

Barbetreiber und Netzwerker - das Kölner Dreigestirn prägt die Barszene der Stadt, nicht zuletzt mit dem Education-Format „Bar Symposium Cologne“.

Israeli Cuisine in NYC

Tel-Aviv-Fieber in New York: Die israelische Küche erobert mit ausgelassenen, innovativen Konzepten die Stadt.

Signature Street Dishes

Die heißesten Signature Dishes mit optischem Wow-Effekt aus den Straßen Berlins. Gratis-Werbung inklusive dank „Instagramability“.