Von flüssigem Dessert über „Marmeladen“-Bier bis hin zum Lebkuchen-Ale. Wir präsentieren fünf verrückte Biere, die die Konventionen sprengen.
Text: Mareike Hasenbeck
Dass neben Wasser, Malz, Hopfen und Hefe auch mal alternative Zutaten im Sudkessel landen, ist eigentlich nichts Neues. In den Jahrhunderten vor dem deutschen Reinheitsgebot kippten Brauer alles in die Bottiche, was Wald und Wiese so hergaben. Damals waren diese wilden Rezepturen aber nicht sonderlich bekömmlich und führten manchmal sogar zu Krankheit und Tod. Das ist heute anders. Auch, wenn eingefleischte Traditionalisten noch immer auf das heilige Gebot schwören, experimentieren mutige Brauer mit alternativen Rohstoffen, um einzigartige Biererlebnisse zu konzipieren. Hier kommen fünf spannende Sude, die Sie unbedingt mal probieren sollten.

Absacker für den Winter: „Oma Lene“
Kolja Gigla von Mashsee aus Hannover steht eigentlich auf untergärige Biere. Bei „Oma Lene“ handelt es sich allerdings um ein 6,6-prozentiges Lebkuchen-Ale. Genauer gesagt, um ein Brown Ale, das der Brauer in Kooperation mit der lokalen Lebkuchenmanufaktur Lenchen entwickelte. Neben sechs Malzen und einer Hopfensorte aus den USA stecken noch viele andere natürlich Zutaten im Sud: Kakaonibs, Zimt, Fenchel, Anis, Koriander, Ingwer, Nelken, Sternanis, Piment, Muskatnuss sowie Kardamom. So vereint „Oma Lene“ den Geschmack aus Bier und Lebkuchen zu einem spannenden Aromaabenteuer. Es zeigen sich würzig-fruchtige sowie schokoladig-malzige Noten auf der Zunge. Und wer jetzt die Nase rümpft: Die Gewürze und Kräuter sind harmonisch eingebunden, sodass man nicht von einer Überdosis Weihnachtsaromen erschlagen wird. Und: offiziell dauert der Winter noch bis 20. März!
Der etwas andere Aperitif: „Corals Fruited Sour“
Die Chefs von Fuerst Wiacek aus Berlin scheuen für besondere Biere keine Zutaten. So packten sie in ihr nagelneues Sauerbier einfach mal Pfirsichpüree, Meersalz und Kamille. Im Glas zeigt sich das Fruited Sour in einem attraktiven Gelbton, während in die Nase ein fruchtig-frischer Duft mit einem Anklang der Kamille strömt. Auch auf der Zunge präsentiert das Bier mit knapp sechs Umdrehungen einen fruchtigen Charakter, der von einer gewissen Säure und einem feinen Kamille-Touch begleitet wird. Das Meersalz hält sich auf der Zungenspitze und sorgt für ein besonderes Mundgefühl. Perfekt als Aperitif oder als Erfrischung für zwischendurch.


Kurzurlaub im Glas: „Shades Of Orange #3“
Felix vom Endt ist mit Orca Brau aus Nürnberg bekannt für experimentelle Biere. Bei seinem „Shades of Orange“ handelt es sich um ein 4,5-prozentiges belgisches Saison, das er mit frischgepresstem Orangensaft und Orangenschalen der besonders süßen und saftigen Sorte „Navel lane late“ braut. Die Zitrusfrüchte stammen von seinem eigenen Baum, den er über ein sogenanntes Crowdfarming-Konzept bei der spanischen Farm „Naranjas del Carmen“ adoptiert hat. Das Bier kommt bei seinen Fans offensichtlich so gut an, dass Felix vom Endt es bereits in der dritten Auflage rausbringt. Es strahlt in einem Sonnengelb durchs Glas und charakterisiert sich durch würzige Hefenoten, eine angenehme Orangenfruchtigkeit und ein trockenes Finish, das zum nächsten Schluck animiert.
Flüssiges Dessert: „Black Forest Cake“
Zu jedem guten Essen gehört auch ein Dessert. Das muss aber nicht immer eine Tarte, ein Pudding oder eine Creme sein. Wie wäre es mal mit einem flüssigen Nachtisch? Die Macher von Black Forest Brewing aus Hornberg im Schwarzwald kreierten ein Sweet Stout mit Laktose, Kakaopulver und Sauerkirschsaft. Das schokoladenbraune Bier besitzt 5,5 Prozent und betört die Nase mit röstigen Anklängen und Aromen von Kakao, Kirsche und dunkler Brotkruste. Im Antrunk zeigt sich das Stout angenehm süßlich. Auf der Zunge breitet sich das Ale weich und mit einer moderaten Kohlensäure aus. Das Geschmacksspiel setzt sich aus Noten von Milchschokolade, Sauerkirschen, Toffee und einer dezenten Röstigkeit zusammen – also quasi eine flüssige Schwarzwälder Kirschtorte mit hoher Trinkfreude.


Wie bei Oma: „Kick out the Jams“
Bei diesem Bier schafft allein schon die Aufmachung für Aufmerksamkeit. Die Dose von „Kick out the Jams“ soll optisch an Omas Marmeladenglas erinnern. Darin versteckt sich ein 6,3-prozentiges Sauerbier, das die Jungs von TrueBrew aus München mit jeder Menge Blaubeerenpüree und Madagaskar Bourbon Vanille brauten. So duftet es fruchtig nach den Beeren und etwas nach Vanille, bis es sich auf der Zunge cremig und süß-säuerlich ausbreitet. Das Bier erinnert im Geschmack tatsächlich an Omas Marmelade. Inzwischen kreierten die Münchener daraus eine Serie. Die Version mit Pflaumen und Zimt ist ebenso empfehlenswert – allerdings nicht unbedingt zum Frühstück.

Die bekannte Bierjournalistin und Biersommelière Mareike Hasenbeck (Feiner Hopfen) führt uns mit diesem Buch in 20 Kreativbrauereien aus Deutschland, Österreich sowie der Schweiz. Packende Geschichten von Gründern und Brauern, wertvolle Tipps, exklusive Fotos und Originalrezepte machen „Bier Unser“ zu einem informativen Gesamtwerk. Anleitungen zum Selberbrauen sowie Tipps und Tricks für die nächste Verkostung zu Hause fehlen in diesem Werk natürlich auch nicht. Callwey Verlag, 208 Seiten, gebunden, 45 € (erscheint am 17. März 2023).