Im Jahr 2002 zeigten in Berlin 78 Weingüter erstmals Weine aus rund 100 Lagen – die ersten VDP.Großen Gewächse (VDP.Erstes Gewächs aus dem Rheingau). Basierend auf den Vorarbeiten der “Comitées Erstes Gewächs” im Rheingau, der Pfalz und Rheinhessen beschleunigten sie die Renaissance des großen, trockenen Weines, der seit Mitte der 90er-Jahre hauptsächlich als Spätlese trocken zunehmend an Beliebtheit gewann. Heute werden die „GG“s in knapp 100 Länder weltweit exportiert, und das obwohl die Abkürzung in englischer Sprache grauenhaft klingt. Doch die Qualität von Riesling & Co. setzt sich durch.
Die Einführung des VDP.Großes Gewächs erwies sich als Meilenstein für den Verband, dem heute rund 200 Weingüter angehören. Zur Jubiläumsfeier lud der Verband Deutscher Prädikatsweingüter am 20. August 2022 in das Jagdschloss Platte in Wiesbaden. Mit von der Partie waren auch flüssige Zeugnisse aus zwei Jahrzehnten, Große und Erste Gewächse von 2001 bis 2021, die deutlich machten, wie sehr sich der deutsche Weine in der Spitze weiterentwickelt hat, wie monumental aber auch der eine oder andere Wein aus den Anfangszeiten der GGs heute noch im Glas steht.
Highlights der Verkostung aus den Anfangsjahren bis 2011:
2002 STEIN Riesling GG Juliusspital Würzburg
pfeffrige Würze, voll ausgereift, von Botrytis geprägt, saftig, intensiv, viel Zug, vollreife, goldene Ananas, pikante, üppige Länge; ein Spiegel des Jahrgangs und damaligen Zeitgeistes
2002 MICHAELSBERG Riesling, Karl Schaefer
das genaue Gegenteil, komplett zeitlos: edle Würze, reifer Apfel, Brotgewürz, gute, stimmige Verbindung, saftig, viel Zug, so ähnlich könnten die 2018er von Schaefer in einen Jahrzehnt auch schmecken, trotz des unterschiedlichen Jahrgangscharakters
2003 JESUITENGARTEN Riesling GG, Dr. Bürklin-Wolf
edel gereift, würzig, Petrol, getrocknete exotische Frucht; saftig, pikant, salzig, druckvoll, engmaschig und mit einer Spur Teetannin, besitzt noch die volle Spannung, ein absolutes Jahrgangs-Highlight
2005 HUNDSRÜCK Spätburgunder GG, Rudolf Fürst
feinste Nase, Pflaume, auch leicht rauchig, edles Holz, griffig, nussige Würze, feines Fruchtspiel, edle deutsche Stilistik, die Paul und Sebastian Fürst über die Jahre immer weiter verfeinert haben, bis zum grandiosen Hundsrück 2020 als Meisterwerk (Magnum)
2007 AULERDE Riesling GG, K. F. Groebe
strahlend, weißer Pfirsich, Brotkruste, Piment, ätherische Würze, feine Röstaromen, die pfeffrige Würze zieht sich durch, sehr pikant; der klassisch-üppige Stil, der Rheinhessen in der letzten Dekade groß gemacht hat
2007 BRUNNENHÄUSCHEN Riesling GG, Wittmann
leicht minzig, leicht Apfel, reife zitrische Note, säuerlich und kräutrig, helle ätherische Kräuterwürze, viel Extrakt, intensives Süßespiel, sehr präsent, große, ausgewogen fruchtige und würzige Länge; der letzte Jahrgang mit deutlicher Restsüße aus dem Hause Wittmann
2008 PITTERMÄNNCHEN Riesling GG, Schlossgut Diel
kräutrige, minzige Note, Bergheu, reifer Pfirsich, Safran, sehr komplex, sehr balanciert, grandioses Frucht-Säurespiel, mineralisches Fundament (Doppelmagnum)
2008 HÖLLBERG Riesling GG, Wagner-Stempel
nur eine Spur Botrytis, viel pfeffrige, ätherische Würze, intensiv, saftig, die Würze bleibt prägend, viel Stoff, Sauerteig und reife gelbe Frucht (Doppelmagnum)
2009 JUFFER SONNENUHR Riesling GG, Fritz Haag
strahlend, weißer Pfirsich, strahlend, klar, saftig, Frucht-Säure-Spiel, von Schieferwürze im Hintergrund begleitet; feinster trockener Mosel-Riesling aus einem warmen Jahr
2009 FRÜHLINGSPLÄTZCHEN Riesling GG, Emrich-Schönleber
edle Phenolik, leicht Safran, Lakritz, tonige Textur, blutjung, kandierte Frucht, engmaschig, feiner Schmelz; unverkennbar in der Handschrift, die bis heute Vater und Sohn Schönleber verbindet
2009 PETTENTHAL Riesling GG, Gunderloch
sehnig, straff, edel gereift, etwas Petrol, Fenchel; super pikant, griffig, milde Säure, dennoch viel mineralischer Grip und Zug, samtig umhüllt; ein Beispiel aus einem warmen Jahr, das viel Mut macht
2011 JUFFER SONNENUHR Riesling GG, Fritz Haag
fein gereift, edle Würze, rauchige Schieferwürze, eine Spur Petrol, Pfirsich, Lakritz; druckvoll, harmonische Verbindung, Säure total gepuffert in Extrakt und Fruchtsüße
2011 FELSENECK Riesling GG, Schäfer-Fröhlich
edle, rauchige Schieferwürze, perfekte Balance, schwarze Johannisbeere, alles perfekt verbunden, Mineralität durchgängig präsent; unverwechselbar und maximal wiedererkennbar (Magnum)
„Es wäre schlichtweg undenkbar, über das Jubiläum des heutigen VDP.GROSSES GEWÄCHS® zu sprechen ohne die Anerkennung eines ‚Spiritus Rector‘, der die Klassifikation deutscher Spitzen-Crus maßgeblich mitinitiiert und gestaltet hat: Bernhard Breuer, Winzer aus dem Rheingau und Vordenker einer stringenten Lagen-Klassifikation für Deutschland.“ So lautete die sachliche Formulierung in der Pressemitteilung des VDP. Der vorausgegangen war die hochemotionale Überreichung der Goldenen VDP:Ehrennadel, die stellvertretend Theresa Breuer, die Tochter des 2004 verstorbenen Visionärs, im Rahmen der Jubiläumsfeier entgegen nahm. „Ich bin sicher, meinen Vater würde es sehr berühren, zu erleben, mit welcher Selbstverständlichkeit wir uns heute mit den Weinen unserer wertvollsten Weinbergslagen in der Welt positionieren können und dass sich sein Gefühl für die Einzigartigkeit dieser Lagen bestätigt hat“, freut sich Winzerin über die Anerkennung.
Breuer war Mitinitiator des „Comitées Erstes Gewächs“. Damals ging ihm vieles zu langsam, weshalb er im Jahr 2000 seine Mitgliedschaft im VDP beendete. Seine Pionierleistung im Hinblick auf den Terroirgedanken und seine Verdienste für die deutsche Weinwirtschaft und Weinwelt bleiben.