Text: Jan-Peter Wulf
Dieser Artikel erschien erstmals in der Ausgabe #05-22 des fizzz Magazins. Die Einzelausgabe können Sie hier bestellen.
Vom Fleisch-Restaurant zur internationalen Weinbar:
To Beef Or Not To Beef → Weinbau, Berlin
Wäre Corona nicht gewesen, würde es in der Akazienstraße 3 in Berlin-Schöneberg vermutlich immer noch das Restaurant „To Beef Or Not To Beef“ geben. Es würde mittlerweile vielleicht sogar ein zweites geben. „Ohne Corona hätte ich mich eher auf die Suche nach einer weiteren Location fürs gleiche Konzept gemacht“, erklärt Giacomo Mannucci. Doch so wurde auf bestehender Fläche ein neues Konzept realisiert. Denn als der zweite Lockdown kam, entschied der Gastronom, dem auch das ebenfalls auf Fleischkultur ausgerichtete „To The Bone“ in Mitte gehört: Alles wird umgekrempelt. Der Putz kam runter. Fliesen, hell und dunkel, wurden angebracht, der Tresen wurde neu gestaltet. Das Beigebraun ist einem hellen Grau gewichen, das an Sichtbeton erinnert. Vorher südländisch-ländlich, jetzt moderner, effektvoll ausgeleuchteter Industrial Look. Sehr präsent sind die neuen Weinregale in der l-förmigen Location und doch aufgrund der Gitterstruktur fein filigran.
Der Grund für den Switch ist primär persönlich. Denn neben gutem Fleisch hat Mannucci eine zweite große Leidenschaft: Wein. So wurde aus dem „TBONTB“ das „Weinbau“, ein Hybrid aus Weinbar und Restaurant. Zu den ausgesuchten Weinen – von Italien über Österreich nach Deutschland, von einfach und unkompliziert über anspruchsvoll und geschichtsträchtig bis wild und funky – servieren Mannucci und sein alter und neuer Küchenchef Vincenzo Buccafusca (Foto links) internationale Speisen, inspiriert zum Beispiel von Japan, dem östlichen Mittelmeer oder Südamerika. Die Bao-Buns, der Gurkensalat mit Miso, Broccoli-Ravioli in Safran-Sauce oder Madeira-Schweinebacke sind so „gebaut“, dass bestimmte Weine besonders gut zu ihnen passen und vice versa.
Hätte Mannucci das Konzept auch aus externen Gründen ändern müssen? Eher nicht. Denn das „TBONTB“ lief zehn Jahre lang, bis Corona kam, sehr gut. Und damit all diejenigen, die es vermissen, weiterhin auf ihre Kosten kommen, ist zweimal im Monat Retro-Time angesagt: Dann findet die „TBONTB Night“ statt und lässt den Vorgänger aufleben. Mit festem, vorab buchbarem Menü und ausgewählten Fleisch-Spezialitäten.
„Die Seele ist geblieben“, so Mannucci, „aber es fühlt sich für mich trotzdem an wie eine Neueröffnung.“
Fazit: Ein Relaunch zur Erweiterung des gastronomischen Leistungsspektrums. Das Thema Fleisch wird nun an anderer Stelle weitergeführt: Zum einen im „To The Bone“ und zum anderen in einem weiteren Restaurant, das Mannucci zusammen mit seinem Metzger Dario Cecchini bald in Charlottenburg eröffnen will.
Tipps vom Profi
"Wichtig ist, dass man auf mindestens sechs Monate hin kalkuliert: Man muss Anpassungen ihre Zeit geben, damit sie den vorhandenen oder neuen Markt durchdringen können. Man spricht ja eventuell neue Zielgruppen an, die erst mal von mir erfahren müssen. Wenn es bei diesen Anpassungen dann zu Problemen kommt, sollte man schnellstmöglich nachjustieren können."
Das ausführliche Interview mit Tipps von Sandro Ciani (F&B Heroes) finden Sie im Artikel in der Printausgabe.
Vom Lunch-Restaurant zur Kaffeebar:
Mm! Leckerbar → Sweet Olga, Freiburg
Auch in der Freiburger Bertoldstraße wurde ein bis dahin gut laufendes Konzept in der Pandemie komplett überarbeitet. Hier allerdings deutlich externer getrieben: Denn trotz der zentralen, bahnhofsnahen Lage kam die Frequenz von zuvor nicht wieder zurück. Wo sonst gerade mittags viel gesundes Schnellfood verkauft wurde, u. a. Suppen und Brote mit üppigen Aufstrichen, vieles in Bioqualität, Fleisch als optionales Topping, arbeitet man nun mit einem reduzierten Angebot und in neuem Look. Aus der „Mm! Leckerbar“ ist die Kaffeebar „Sweet Olga“ geworden. Im Fokus steht nun Süßes wie Briochegebäck, diverse Kuchen und Müsli, sowie einfacheres, herzhaftes „good food“ wie „Fladis“ (Wraps), Sandwiches und gegrillte Brote. Die früher so beliebten heißen Speisen sind nicht komplett von der Karte geflogen, aber den Prozess hat man angepasst: „Die kochen wir jetzt einmal pro Woche in einem computergesteuerten Kipper vor, füllen sie in Gläser ab, kühlen sie runter und erhitzen sie dann frisch im Kombidämpfer“, erklärt Betreiber Martin Spätling. Damit federt man ein weiteres Problem ab: Personal. Weil weniger à la minute zubereitet werden muss, komme man mit einer Person weniger pro Schicht aus, erklärt Spätling.
Warum nun aber das Rebranding? Man hätte ja auch unter alter Flagge weiterfahren können? Nach Ansicht Spätlings käme das Ganze für die Gäste dann wie eine abgespeckte Version des Ursprungskonzepts daher. „Es könnte die Leute sogar enttäuschen, weil es nun weniger gibt.“ Der neue Name „Sweet Olga“ kennzeichnet zudem klar die neue Kompetenz. „Unser Kaffee war schon immer super, jetzt bekommt er noch mehr Aufmerksamkeit.“
Darum wurde nicht nur die Karte neu geschrieben, sondern vier Wochen lang der Relaunch geplant, vier weitere Wochen lang umgebaut. Die teils schon existierenden Holzlatten an den Wänden sind nun deckenhoch, der Tresen wurde versetzt und besteht nun aus bunten Glasbausteinen – natürlicher Look mit Retro-Touch. Die Veränderung tue auch der krisengebeutelten Betreiberfamilie gut, berichtet Spätling: „Wir hatten Lust auf das neue Design.“ Sein Tipp für alle, die ebenfalls mit dem Gedanken einer Anpassung spielen: „Man muss schon konsequent sein und verhindern, dass das Neue dem Alten zu ähnlich ist. Wir sind jetzt ein cooles Café, in dem es auch leckeren Mittagstisch gibt.“
Diesen Artikel mit weiteren Tipps zum Konzeptswitch sowie viele weitere spannende Themen finden Sie in der Printausgabe.