Torsten Petersen, Enchilada Franchise GmbH GROUP
Torsten Petersen, Enchilada Franchise GmbH GROUP

Torsten Petersen, Enchilada: Re-Start und Zukunftsperspektiven

Torsten Petersen, Geschäftsführer und Gesellschafter der Enchilada Franchise GmbH, über den gastronomischen Re-Start und Zukunftsperspektiven.

Zur Enchilada Franchise GmbH gehören knapp 100 Partnerbetriebe der Gastronomiemarken Enchilada, Aposto, Wilma Wunder, Besitos und verschiedene Individualkonzepte.

Wie ist die Situation in der Enchilada-Gruppe nach dem langen Lockdown?
Torsten Petersen: Die Situation ist nicht einfach, vor allen Dingen, weil wir immer noch keine Perspektive haben, obwohl die Gastronomie nicht als Pandemietreiber gilt. Auch für unsere Mitarbeiter, die seit Monaten in Kurzarbeit sind, ist die Lage desaströs. Auch wir als Zentrale haben nach Einsparpotenzial gesucht und z. B. unsere Bürofläche halbiert. Die Überbrückungshilfen stocken noch immer. Zwar haben mittlerweile alle die Novemberhilfe erhalten, die Dezemberhilfe stockt bei vielen aber immer noch. Unverständlicherweise gibt es gravierende Unterschiede zwischen Betrieben, die nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen und zeitgleich Anträge mit ähnlichen Beträgen eingereicht haben, das entzieht sich jeglicher Systematik. Mein persönlicher Eindruck: Je mehr Unterstützung beantragt wird, desto länger dauert es. Mich persönlich haben die letzten Monate sehr nachdenklich gemacht, insbesondere die Begriffe schnell und unbürokratisch habe ich immer anderes definiert.

Was ist mit der Personalsituation, haben Sie Kündigungen zu beklagen?
Torsten Petersen: Das ist von Betrieb zu Betrieb, von Franchisepartner zu Franchisepartner unterschiedlich, einige Restaurants sind noch komplett, in anderen hat es bis zu 50 Prozent Abwanderungen gegeben. Wir haben sogar einen Laden, aus dem ein Großteil des Personals jetzt in einem Impfzentrum arbeitet. Trotzdem hoffen wir, dass viele Mitarbeiter zurückkommen, wenn es wieder los geht. Die Arbeit in einem Supermarkt ist mit der Tätigkeit in der Gastronomie nicht zu vergleichen. Darüber hinaus gestaltet sich die Personalsuche auf Grund der Unsicherheit schwierig: Was für einen Starttermin kann ich anbieten? Für mich als Franchise-Overhead stellt sich zudem die Frage: Wie ist die Umsetzung in welchem Bundesland? Welche Inzidenz habe ich wo? Unter welchen Voraussetzungen darf ich eröffnen? Wann muss ich wieder schließen?

Wie bereiten Sie sich auf den Re-Start vor? Was sind die größten Herausforderungen?
Torsten Petersen: Ein Re-Start ist immer eine Herausforderung. Wir haben unseren Partnern empfohlen, mit allen ihren Lieferanten Kontakt aufzunehmen und insbesondere im Getränkebereich schonmal eine Erstbestellung abzugeben. Wenn der Lieferant weiß, dass schon Bestellungen vorliegen, wenn es wieder los geht, tut ihm das auch gut. Darüber hinaus sind wir sehr improvisationsstark und kein Kunde wird böse sein, wenn man ihm aufgrund von Lieferengpässen ein Ersatzprodukt anbietet. Mit angepassten Karten und angepasster Küchencrew haben wir gute Erfahrungen gemacht. Wichtig ist jetzt ein Fahrplan, denn eine on/off-Situation wäre für die Mitarbeiter, die Warenwirtschaft und auch für unsere Gäste das schlimmste. Insofern wurden jetzt durch den erneuten, harten Lockdown bis 18. April wenigstens verbindliche Tatsachen geschaffen.

 

„Beendet die pauschale Stigmatisierung der Gastronomie und schaut, was hier möglich ist!“

 

Was ist aktuell Ihre Hauptaufgabe als Systemzentrale?
Torsten Petersen: Wir haben vor rund einem Jahr einen Krisenstab gebildet, den ich leite. Niemand hätte gedacht, dass er so lange nötig sein würde! Wir stimmen uns mit unseren Partnern regelmäßig ab, was zu tun ist. Dazu gehören Themen wie Überbrückungshilfen, Re-Opening oder Kommunikation. Für Partner mit gravierenden Existenzängsten ist man in einer solchen Situation aber auch Coach und Motivator.

Wird sich das Geschäftsmodell Gastronomie zukünftig verändern? Sehen Sie neue, zusätzliche Business-Tools?
Torsten Petersen: Das ist sehr unterschiedlich. Mit Pick-up und Delivery erzielen einige Betriebe aktuell Umsätze von bis zu 50 %, was großartig ist, andere nur 15 %. Es gibt Standorte, da ist der Außer-Haus Verkauf keine Option, z.B. weil keine Parkmöglichkeiten vorhanden sind. Es muss ja laufen, man kann ja nicht die halbe Küche hochfahren. Die Zusammenarbeit mit Lieferpartnern wie Lieferando macht auch nicht wirklich Spaß. Wenn ich 30 % abgeben muss, wird es schnell unrentabel, von den Schatten-Websites ganz zu schweigen! Hier ist es wichtig, die Branche und auch die Bürger stärker zu informieren, viele wissen gar nicht, was da passiert. Wir haben inzwischen auch ein eigenes Liefersystem aufgebaut, das recht gut performt. Ich kann nur jedem empfehlen, es selbst zu versuchen. Auch der Ansatz Ghost Kitchen ist spannend, besonders wenn man eine Vielzahl von Konzepten hat. Wir haben es ausprobiert und aus einem Betrieb heraus Pick-Up für die Konzepte Enchilada, Wilma Wunder und Aposto angeboten. Darüber hinaus kann man auf diese Weise testen, ob das Einzugsgebiet für ein Restaurantkonzept interessant ist, bevor man dort ein Outlet eröffnet. 
Trotzdem gibt es einen gravierenden Unterschied zum Inhouse-Betrieb: Zuhause braucht es immer jemanden, der aufräumt und das Ambiente im Restaurant ist einfach etwas Besonderes. Deshalb wird der dritte Ort Gastronomie seine Bedeutung behalten und in Zukunft als noch wertvoller wahrgenommen werden. Es gibt weiterhin gute Chancen für Gastronomen, die begreifen, was der Gast will. Er will seine Sorgen vergessen, einen schönen Abend verbringen. Das wird bleiben.

Braucht die Branche eine bessere Lobby-Arbeit? Sehen Sie diesbezüglich Möglichkeiten?
Torsten Petersen: Wir als Gastronomie sind im Hinblick auf branchenweite Krisensituationen ja recht unerfahren, anders als z.B. die Automobilindustrie. Das Image der Gastronomie bei der Politik war in der Vergangenheit leider nicht das beste und ich glaube schon, dass da in den vergangenen 12 Monaten gute Arbeit geleistet wurde – natürlich mit den entsprechenden Learnings. Das erste Mal, dass man uns richtig wahrgenommen hat, war im letzten Jahr die Leere Stühle-Aktion in 80 Städten mit 30.000 Stühlen. Das hinzubekommen finde ich großartig. Ich sehe, dass man plötzlich näher zusammenrückt und inzwischen mit einer Stimme spricht. Denn das Problem unserer Branche ist die Kleinteiligkeit. Aber ich glaube, dass wir es hinbekommen, enger zusammenzustehen und besser die gemeinsamen Interessen zu verfolgen. Initiativen wie der neu gegründete Gastgeberkreis oder auch der Leaders Club arbeiten immer mehr daran, unsere Branche nach außen und nach oben, zu den politischen Entscheidern, verständlicher zu machen.

Dabei ist die Gastronomie gerade deshalb für die Innenstädte von herausragender Bedeutung!
Torsten Petersen: Ja, und die Städte wissen das inzwischen und öffnen zusätzliche Flächen für die Gastronomie. Dank solcher Möglichkeiten hatten wir vergangenes Jahr einen recht guten Sommer. Beispielsweise hat die Stadt Augsburg eine Gesprächsrunde einberufen, um die Situation der Innenstadt zu besprechen und Lösungen zu entwickeln, wie eine einheitliche Kontaktnachverfolgungs-App, die nun auch realisiert werden soll. Die Frage ist nur, wann das die politische Führung begreift, dass es höchste Zeit ist, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. 

Haben Sie einen Partner-Betrieb in Rheinland-Pfalz, der beim Test-Opening dabei ist? Wie läuft das an? 
Torsten Petersen: Es gibt Überlegungen (Stand 23.3.2021), die Wilma am Ballplatz in Mainz zu eröffnen, hier wird die Situation (Inzidenzzahl) in Mainz beobachtet die nächsten Tage.

Was ist Ihr Wunsch, nein, Ihre Forderung an die Politik?
Torsten Petersen: 1. Schaut endlich, dass die Hilfen ankommen. 2. Liefert ein klares Öffnungsszenario. 3. Beschleunigt die Impf- und Teststrategie. 4. Beendet die pauschale Stigmatisierung der Gastronomie und schaut, was hier möglich ist. 

Ihr Best-Case Szenario für den Neustart?
Torsten Petersen: Zunächst gilt es jetzt, die exponentiell steigenden Infektionszahlen zu senken, das ist das allerwichtigste. Für einen Neustart wünschen wir uns Rahmenbedingungen, die einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen, genügend Impfstoff und Schnelltest-Möglichkeiten für alle und einen Sommer mit tollem Wetter! Die Menschen werden dann ohnehin draußen sitzen, aber bei uns werden sie registriert und wir gewährleisten, dass der Abstand stimmt und Hygieneregeln eingehalten werden. Wir haben eine Menge anzubieten!

(Interview: Barbara Becker)
 

fizzz 04/2024

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