Die idyllische Insel mitten im Indischen Ozean präsentiert sich als Geheimtipp für Rum-Enthusiasten (Foto: Rhumerie Chamarel)
Die idyllische Insel mitten im Indischen Ozean präsentiert sich als Geheimtipp für Rum-Enthusiasten (Foto: Rhumerie Chamarel)

Interview: Vom Rohr zum Rum

Mauritius produziert Rum aus Zuckerrohrsaft. Erst seit 2008 darf es seinen bis dahin als Sugar Cane Spirit bezeichneten Rum auch als solchen exportieren. Wir sprechen mit Oliver Couacaud von Rhumerie Chamarel über die R(h)um-Herstellung mitten im Indischen Ozean.

Interview: Mia Bavandi

Monsieur Couacaud, Rhumerie Chamarel ist eine sehr junge Destillerie. Wie kam es zu ihrer Gründung?

Olivier Couacaud: „Ja, das stimmt. Die Rhumerie wurde 2008 errichtet und offiziell am 8. August 2008 eröffnet. Davor baute Chamarel Estate lange Zeit Zuckerrohr an. Aufgrund des Preisverfalls beim Zuckerexport war die Domain aber finanziell nicht weiter tragbar. Meine Eltern kauften Chamarel Estate im Jahr 1996 und haben bis heute Zuckerrohr angepflanzt. Die erste Idee zu einer Veränderung kam uns 2006. Wir wollten unserem Zuckerrohr Mehrwert verleihen und haben uns entschlossen, eine Destillerie zu gründen und unser eigenes Zuckerrohr zu feinstem Rum zu verarbeiten. Die Konstruktion erfolgte 2007, der erste Rum wurde im August 2008 hergestellt.“

 

Sie verwenden Ihr eigenes Zuckerrohr zur Herstellung?

Olivier Couacaud: „Richtig. Tatsächlich waren wir immer in der Landwirtschaft beschäftigt, bevor wir uns hauptsächlich mit Zuckerrohr beschäftigten. Mauritius ist seit langem für seine Zuckerrohrkultur bekannt. Als die Insel 1968 von Großbritannien unabhängig wurde, hatten wir ein Sonderabkommen für den Export von Zucker mit guten Preisverhältnissen und entsprechend guten Geschäften. Ab 2003 wurden diese Vereinbarungen schrittweise eingestellt, was zur Veränderung der Zuckerrohrindustrie auf Mauritius führte. Viele Zuckerrohrfabriken mussten schließen. Jetzt existieren nur noch drei von ehemals mehr als 40 Fabriken. Wir starteten unsere Destillerie ausgehend von unserer Zuckerrohrplantage. Somit ist Chamarel ein Single Estate Rum, was bedeutet, dass alles auf der Domain und nur von uns selbst produziert wird.“

In den kleinen Kupferkolonnen wird ausschließlich die eigene Zuckerrohrernte verarbeitet (Foto: Rhumerie Chamarel)
In den kleinen Kupferkolonnen wird ausschließlich die eigene Zuckerrohrernte verarbeitet (Foto: Rhumerie Chamarel)

Sie produzieren Rum aus frischem Zuckerrohrsaft, das sich als solches nicht exportieren lässt. Wie läuft die Erntephase ab, und wie schnell muss der Verarbeitungsprozess laufen?

Olivier Couacaud: „Richtig, Zuckerrohrsaft kann nicht als solches exportiert werden. Zuckerrohrsirup schon. Das heißt, Zuckerrohrsaft muss zu Sirup verarbeitet werden, um während des Exports nicht zu fermentieren. Die Ernte wird bei uns immer noch von Hand durchgeführt, um das beste Zuckerrohr zu erhalten. Je schneller der Prozess läuft, desto besser für die Rumqualität. Denn im tropischen Klima gibt es nach dem Schneiden des Zuckerrohrs natürliche Bakterien, die den Zucker zersetzen, und das wirkt sich qualitätsmindernd aus. Wir versuchen daher, am frühen Morgen oder im Morgengrauen zu ernten und das gesamte Zuckerrohr noch am selben Tag zu verarbeiten. Ein Grund, die manuelle Ernte der mechanischen vorzuziehen, ist auch, dass bei mechanischer Ernte zumeist zerhacktes Zuckerrohr entsteht, das leichter fermentiert und daher anfälliger ist für Verunreinigung und mindere Qualität.“

„Wir verwenden zu 100 Prozent Zuckerrohrsaft als Rohstoff. Das ist aber die einzige Gemeinsamkeit mit Rhum Agricole.“

Wie geht es nach der Ernte im Destillationsverfahren weiter?

Oliver Couacaud: „Nach der Ernte und der sorgfältigen Auswahl wird das Zuckerrohr sofort in die Mühlen der Destillerie gebracht, um reinste Saftextrakte zu erhalten, die danach und vor der Destillation fermentieren. Der gefilterte Zuckerrohrsaft wird mit einer speziellen Hefeauswahl unter Temperaturüberwachung langsam vergoren, um Aromen zu gewinnen. Der „Vesou“ wird dann in einer Vollkupferkolonne destilliert, um den weißen Rum zu erhalten. Für den doppelt destillierten Rum werden zwei Kupfertöpfe eingesetzt. Der destillierte Rum wird für mindestens sechs Monate in Edelstahltanks gelagert. Während dieser Phase hilft das regelmäßige Rühren des Destillats, um unerwünschte flüchtige Bestandteile zu entfernen. Ein Teil des klaren Rums ist auch für die Reifung in Eichenfässern reserviert. Einige werden nur 18 Monate gereift, um „Gold Rum“ herzustellen, andere wiederum mindestens vier Jahre, um gealterten Rum zu erhalten. Während dieses Alterungsprozesses erhält der Rum sein Aroma, seinen Körper, Geschmack und seine Bernsteinfarbe.“

 

"Das Spiel mit Fässern aus zweiter Hand macht Spaß", meint Oliver Couacaud (Foto: Rhumerie Chamarel)
"Das Spiel mit Fässern aus zweiter Hand macht Spaß", meint Oliver Couacaud (Foto: Rhumerie Chamarel)

Das Interesse an Rum steigt, und Rhum Agricole ist für viele nicht mehr Neuland. Oft wird Rum aus Zuckerrohrsaft in diese Kategorie verpackt. Ist das so korrekt?

Olivier Couacaud: „Hier gibt es viel zu sagen. Zuerst ist Rhum Agricole eine Marke, die von den französischen Dom Tom & Madera (bspw. Martinique, Guadeloupe, den französischen Überseegebieten) geschützt ist. Keine anderen Hersteller dürfen diese Klassifizierung für ihre Produkte verwenden, die sich auf die ausschließliche Verwendung des Rohmaterials Zuckerrohrsaft bezieht. Hinzu kommen Regeln zur Art und Weise der Fermentation, genaue Destillationsvorgaben im Column Still-Verfahren (Stahl, Kupfer, Anzahl der Böden …), Verdünnungsprozesse, Reifeprozesse oder Abfüllgrade und so weiter. Also ja, in Chamarel wie in anderen Brennereien verwenden wir zu 100 Prozent Zuckerrohrsaft als Rohstoff. Das ist aber nur eine einzige identische Komponente zu Rhum Agricole, die anderen Kriterien betreffen uns nicht. In Chamarel führen wir wie bei der Cognac-Herstellung eine doppelte Destillation in Brennblasen durch und das gilt nicht für Rhum Agricole. Im Übrigen wird auch Cachaça in Brasilien aus frischem Zuckerrohrsaft hergestellt.“

 

Welche Rolle spielen die klimatischen Bedingungen für die Fasslagerung?

Olivier Couacaud: „Die klimatischen Bedingungen, gezeichnet durch Temperatur und Luftfeuchtigkeit, spielen eine sehr wichtige und unterschiedliche Rolle, die erst den authentischen Charakter des Produkts hervorbringen.“

 

Welche Rolle spielt das Fass, und welche Fässer verwenden Sie?

Olivier Couacaud: „Das Reifen von Rum ist eine eigene, faszinierende Welt für sich, in der wir unser Know-How weiterentwickeln möchten. Wir haben alleine mehr als 40 verschiedene Eichenfässer, darunter neue und jene in Zweitverwendung zwischen rund 1000 Fässern. Bei den neuen Fässern spielt das Herkunftsland der Eiche eine Rolle, genauso wie die Holzkohle und die Größe des Fasses. Das Spiel mit Fässern aus zweiter Hand macht Spaß, hierbei können Sherry-, Brandy, Whisky-, Wein-, Süßweinfässer und jene von anderen Spirituosen verwendet werden. Glauben Sie mir, das ist ein weites, spannendes Feld, und ich wäre glücklich, mehr über den Reifeprozess erzählen zu können.“

 

Können Sie noch einen kurzen Überblick über die Vielfalt der Chamarel-Qualitäten geben?

Olivier Couacaud: „Zu unserem Portfolio gehört natürlich weißer Rum, aber auch aromatisierter Rum, Liköre auf Rum-Basis, matured oder aged Rum in Eichenfässern, um mit unseren Qualitäten alle Trinkmodalitäten des Apéritifs, Digestifs oder der Mixology zu bedienen.“

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

Aperitivo-Konzepte

Die Aperitif-Kultur ist auf dem Vormarsch – wir zeigen brandaktuelle Gastro-Beispiele.

Le Big TamTam

Der neue Hamburger Food-Markt setzt Maßstäbe − auch bei der Zusammenarbeit der Betreiber.