Digitalisierung im Weinbau - sind Drohnen die Zukunft? (Foto: Andy Dean/stock.adobe.com)
Digitalisierung im Weinbau - sind Drohnen die Zukunft? (Foto: Andy Dean/stock.adobe.com)

Ab in die Zukunft - Weinbau 4.0

Von der Pflanzung neuer Reben bis hin zur Weinernte spielt das Thema Digitalisierung im Weinberg eine immer wichtigere Rolle. Drohnen, künstliche Intelligenz und der Einsatz von Satelliten sind nur einige Beispiele, in welchen Formen neuste Technologie Einfluss auf den Weinbau nimmt. Wir geben einen Überblick.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in »Ausgabe 3/2023 von MEININGERS WEINWELT.

Text: Sophia Langhäuser

Eine Drohne, die über einen der steilsten Weinberge der Welt fliegt, ein Traktor, der fast von alleine durch die Rebzeilen fährt und eine Maschine auf freiem Feld, die genau weiß, wo die nächste Rebe gepflanzt werden soll. All das ist keine Zukunftsmusik, sondern schon heute Realität. Neuste Technologie und deren Einsatz im Weinbau machen diesen nicht nur leichter, sondern sorgen auch dafür, dass Kosten gesenkt und die Nachhaltigkeit im Weinberg gesteigert werden kann.

PFLANZEN PER SATELLIT

Zentimetergenau, einfach und schnell, immer mit dem richtigen Abstand zur nächsten Rebe – wo eben noch ein braches Stück Land war, befindet sich nur wenige Stunden später bereits ein neu bepflanztes Feld mit jungen Weinreben. Zeitintensives, kompliziertes Vermessen der Fläche und arbeitsintensives, weniger präzises Einpflanzen der Stecklinge gehören dank neuster Technik schon seit einigen Jahren der Vergangenheit an. Für eine echte Revolution, was das Pflanzen der Reben angeht, sorgte bereits Anfang der 2000er die Firma Wagner Pflanzen-Technik GmbH aus Friedelsheim in der Pfalz. 2005 auf den Markt gebracht und seitdem stetig weiterentwickelt, hat ihre satellitengesteuerte Pflanzmaschine IPS Drive die Pflanztechnik nicht nur einfacher gemacht, sondern auch genauer. Per GPS-Signal wird das Feld vor der Pflanzung zunächst schnell und einfach vermessen, bevor die jungen Reben schließlich präzise am richtigen Fleck und in perfektem Abstand zueinander in die Erde gesetzt werden. Das sorgt für Arbeitserleichterung, auch im Hinblick auf spätere Weinbergsarbeiten mit der Maschine. Für den Winzer spielt dabei nämlich nicht nur der Abstand zwischen den einzelnen Reben, sondern auch die Zeilenbreite eine wichtige Rolle: Ist die Gasse zu eng angelegt, kann der Weinberg meist nur in geringem Tempo befahren werden und einfache Arbeiten kosten unnötig viel Zeit. Zusätzlich sollen bei der Pflanzung gesammelte GPS-Daten, die die genauen Standorte der einzelnen Reben markieren, für spätere Weinbergsarbeiten erneut genutzt werden. So könnten zukünftig Arbeiten wie etwa der Laubschnitt oder die Weinernte mit dem Vollernter nahezu autonom gesteuert werden.

Autonom gesteuerte Anbaugeräte entlasten den Fahrer (Foto: Jonas Werner-Hohensee/www.jonas-werner.com)
Autonom gesteuerte Anbaugeräte entlasten den Fahrer (Foto: Jonas Werner-Hohensee/www.jonas-werner.com)

SMARTER WEINBERG

Dass autonomes Fahren nicht nur auf der Autobahn, sondern auch im Weinberg bereits eine Rolle spielt, beweist die Firma Braun Maschinenbau GmbH aus der Südpfalz mit ihrer neusten Erfindung: Das Spurführungssystem Vineyard Pilot Assistent (VPA) der Firma gilt derzeit als weltweit erstes autonomes Anbaugerät für den Weinbau. Mit Hilfe eines Laserscanners, der am vorderen Ende des Traktors befestigt ist, erfasst der Sensor optisch die Zeile, woraus das System ein virtuelles dreidimensionales Abbild der Umgebung erstellt. Sozusagen Virtual Reality im Weinberg. Während der Fahrt werden anhand dieser Daten die Anbaugeräte nicht nur besonders schnell an die Begebenheiten des Weinbergs angepasst, sondern auch autonom vom System gesteuert, ohne dass der Fahrer weitere Einstellungen vornehmen muss. „Durch die intelligente Steuerung der Anbaugeräte können selbst weniger geübte Fahrer sicher durch die Zeile fahren“ erklärt Felix Batzler, der im Bereich Entwicklung der Firma Braun tätig ist. Schäden am Stock durch falsches Steuern werden reduziert und das Arbeitsergebnis wird umso genauer. Wo früher noch mühsam mit Pferd und Pflug gearbeitet wurde, machen Maschinen, ausgestattet mit neuster Technologie, die Arbeit nicht nur leichter, sondern auch ein Stück weit effektiver.

Durch die autonome Steuerung der Anbaugeräte können gleich mehrere Weinbergsarbeiten einfach miteinander kombiniert werden, ohne dass der Fahrer durch die Positionierung der verschiedenen Arbeitsgeräte in Stress gerät. Das entlastet den Winzer, der häufig den ganzen Tag auf dem Traktor verbringt, aber auch die Umwelt. Weinberge müssen nur noch seltener befahren werden, weshalb der Kraftstoffverbrauch reduziert und der Boden weniger belastet wird. Noch effizienter wird das Ganze dann in Kombination mit einer App wie beispielsweise der Vineyard Cloud, die neben vieler anderer Weinbau-Softwares wie Bacchus oder Vinumcloud für eine bessere Koordination im Weinberg sorgt. Verschiedene Arbeitsprozesse werden anhand von GPS-Daten aufgezeichnet und in Echtzeit an die App übertragen. Arbeitsfortschritte, bereits bearbeitete Anlagen oder noch zu erledigende Aufgaben können so digital in der App vom gesamten Team jederzeit mit dem Smartphone nachverfolgt werden. Das sorgt nicht nur für eine erleichterte Kommunikation, sondern auch für mehr Effizienz im Weinberg. Solche sogenannten digitalen Schlagkarteien sind deswegen auch längst keine Seltenheit mehr in der Weinwelt und finden regen Zuspruch unter den Weingütern. Anstatt oftmals veralteter und unübersichtlicher Weinbergskarten in Papierform, ist die digitale Darstellung des Weinbergs schon jetzt für viele Winzer kaum mehr wegzudenken.

Apps sorgen für mehr Effizienz im Weinberg und erleichtern die Kommunikation (Foto: scharfsinn86/stock.adobe.com)
Apps sorgen für mehr Effizienz im Weinberg und erleichtern die Kommunikation (Foto: scharfsinn86/stock.adobe.com)

Die drei jungen Unternehmer Paul Petersik (Klimaphysiker), Richard Petersik (Betriebswirt) und Max Nowack (Softwareentwickler) haben sich mit ihrer neu entwickelten App VineForecast ebenfalls darauf fokussiert, Arbeitsprozesse im Weinberg effektiver zu gestalten und gleichzeitig dem Risiko von Pilzkrankheiten durch punktgenauen Pflanzenschutz entgegenzuwirken. Über ihre App werden gezielt Wetterprognosen für die jeweiligen Weinberge abgegeben, ohne dass teure Sensoren oder Wetterstationen installiert werden müssen. Stattdessen macht die Software von den Daten verschiedener Wetterdienste Gebrauch. Diese werden mit den topographischen Daten des Weinbergs kombiniert, woraus eine genaue Wetterprognose abgeleitet werden kann. Anhand der anschließenden Übersetzung von Wetterdaten in Krankheitsbedingungen, erstellt VineForecast eine Infektionsprognose und gibt eine Empfehlung ab, wann der beste Zeitpunkt für den Pflanzenschutz ist, wodurch die Anzahl der Spritzungen reduziert werden kann.

ECHTE ÜBERFLIEGER

Um den Pflanzenschutz zu reduzieren aber gleichzeitig die Qualität der Trauben beizubehalten, beschäftigen sich Forscher bereits seit einigen Jahren mit verschiedenen Methoden zur digitalen Analyse von Traubenreife und -gesundheit. Besonders vielversprechende Ergebnisse liefern schon jetzt moderne Drohnen, die mit Multispektralkameras ausgestattet durch den Weinberg fliegen. In hoher Auflösung liefern sie wichtige Daten, die dazu dienen, mehr über den aktuellen Zustand im Weinberg zu erfahren. Dabei geht es sowohl um Krankheiten und Wassermangel, als auch um den Reifezustand der Trauben. So kann der Winzer schnell reagieren und Entscheidungen über Pflanzenschutz, die Ernte oder andere Arbeiten im Weinberg, zielgerichteter treffen. Noch befinden sich solche Drohnen allerdings im Forschungsbereich und sind meist zu teuer, wenn es um ihren regelmäßigen Gebrauch im Weinberg geht.

Drohnen erleichtern den Pflanzenschutz und die Düngung in Steillagen (Foto: picture alliance/dpa | Thomas Frey)
Drohnen erleichtern den Pflanzenschutz und die Düngung in Steillagen (Foto: picture alliance/dpa | Thomas Frey)

Etwas anders ist die Situation für Drohnen, die auf die Ausbringung von Pflanzenschutz- und Düngemittel ausgerichtet sind. Seit 2022 sind die smarten Flieger in Steillagen zugelassen und seitdem an der Mosel, der Saar und im Ahrtal im Einsatz. 2023 sollen noch weitere Regionen wie der Rheingau oder das Nahetal dazukommen. „Spritzdrohnen sind eine echte Erleichterung, wenn es um den Pflanzenschutz in Steillagen geht“ so Prof. Dr. Andreas Düker, der sich auf den Bereich „smart viticulture“ (intelligenter Weinbau) spezialisiert hat. Anstatt großflächiger Ausbringung von Pflanzenschutz mit dem Hubschrauber oder der gesundheitsschädlichen und körperlich anstrengenden Ausbringung mit Buckelspritze, stellen Drohnen gerade für kleinere, sehr steile Parzellen eine sinnvolle Alternative dar. Während komplizierte Hubschrauberflüge in gefährlichen Steillagen nicht selten zu Unfällen führen, sind Drohnen nicht nur ungefährlicher in der Handhabung, sondern auch umweltfreundlicher. Über GPS gesteuert, arbeiten sie bis auf ein bis zwei Zentimeter genau, wodurch Pflanzenschutz - und Düngemittel zielsicher mit geringer Abdrift in die Reben appliziert werden. Trotz aller Vorteile stellt die Drohne aktuell allerdings noch keine reale Konkurrenz zur Raupe – die ebenfalls in Steillagen für den Pflanzenschutz eingesetzt wird – oder zum Hubschrauber dar. Neben dem vergleichsweise geringen Fassungsvermögen, das nur für kleinere Flächen ausreicht, gelten aktuell noch einige Auflagen für den Drohnenflug. Neben kleinem und großem Drohnenführerschein sowie der Genehmigung vom Luftfahrt Bundesamt, erfordert das Fliegen der mit Beladung knapp 80 Kilogramm schweren Drohnen einiges an Übung. Zusätzlich muss der Flug von zwei Personen begleitet werden, wobei einer für die Drohnensteuerung und der andere für die Kontrolle des Luftraums zuständig ist. Das Rheinland-Pfälzische Unternehmen Plantivo hat sich mitunter auf die sogenannten Agrardrohen spezialisiert und bietet für interessierte Weingüter den Drohnen-Einsatz bereits als Dienstleistung an. Derzeit verfügt Plantivo sogar als einziges Unternehmen über alle Genehmigungen, um in Rheinland-Pfälzischen und angrenzenden Weinbau-Steillagen Pflanzenschutz und Dünger mit der Drohne auszubringen.

Die Maschinenlese mit dem Vollernter gilt als besonders effizient (Foto: Ruth Weirich/ERO GmbH)
Die Maschinenlese mit dem Vollernter gilt als besonders effizient (Foto: Ruth Weirich/ERO GmbH)

Auch bei der Weinlese hat sich neuste Technik bereits etabliert und das Ernteergebnis mit der Maschine deutlich verbessert. Mühsame Handlese sorgt zwar weiterhin – vorausgesetzt man verfügt über die notwendige Manpower und das nötige Know-how – für das wohl qualitativ beste Ernteergebnis. Deutlich effektiver und gleichzeitig schonender als noch vor einigen Jahren ist die Weinlese mit dem Vollernter aber allemal. Spezielle Sortierbänder sorgen zum Beispiel dafür, das mitgeerntete Blätter und Äste gezielt aussortiert werden und lediglich die Trauben in den Auffangbehälter gelangen. Ob bald auch die Qualität der Trauben schon während der Ernte voneinander unterschieden werden kann, bleibt offen. Mit Hilfe von Sensortechnik und künstlicher Intelligenz sind solche Dinge aber zumindest nicht mehr länger Utopie, sondern durchaus vorstellbar und vielleicht sogar die Zukunft.

Die Digitalisierung ist damit nicht nur im Weinbau angekommen, sondern schon jetzt aus vielen Bereichen kaum mehr wegzudenken. Dabei bedeutet der Einzug der Technik nicht, dass Drohnen, Roboter und künstliche Intelligenz den Winzer vollständig ersetzen werden. Viel mehr stehen sie ihm unterstützend zur Verfügung und machen die Arbeit im Weinberg ein Stück weit komfortabler.

 

DIGITALISIERUNG – NICHT NUR IM WEINBERG

Auch im Weinkeller und bei der Vermarktung werden Prozesse stetig optimiert und bereits erfolgreich digitalisiert: Bei der Gärung spielt beispielsweise die regelmäßige Überwachung von Parametern wie Temperatur, Sauerstoff und Zucker eine entscheidende Rolle für die spätere Weinqualität. Spezielle Sensoren zur genauen Analyse des Weins sowie die automatische Übertragung der Daten in eine App erleichtern schon jetzt die Arbeit im Keller.

Bei der Weinvermarktung tragen dagegen digitale Vertriebswege und künstliche Intelligenz dazu bei, neue Kundengruppen zu erreichen. Von Online-Weinproben, bei denen entspannt von zu Hause aus verkostet werden kann, über QR-Codes auf dem Weinetikett, die Infos zu Wein und Weingut liefern, bis hin zum digitalen Sommelier, der in Sekundenschnelle einen passenden Wein empfiehlt, bietet die Digitalisierung auch hier vielversprechende Chancen für die Weinwelt.

Ausgabe 03/2024

Erhältlich ab 8. März: MEININGERS WEINWELT Ausgabe 03/2024

Themen der Ausgabe

Feines Frische-Duo

Mineralischer Albariño schmeichelt Fischeintopf mit Gemüse: Das Winepairing zum Start ins Frühjahr hat sich Sommelier Emrah Isitmen aus Karlsruhe für Sie ausgedacht und damit eine Geschmackskombination für pures Atlantik-Feeling kreiert … »weiter zu Rezept & Weintipp

Rieslinge von Weltruhm

Bettina Bürklin-von Guradze hat das Pfälzer Topweingut Dr. Bürklin-Wolf perfekt für die Zukunft aufgestellt und verrät im Gespräch mit Chefredakteurin Ilka Lindemann, wie sie dabei Traditionen, Familie und Biodynamie unter einen Hut gebracht hat.

Weinbar-Guide London

Die Gastroszene der britischen Hauptstadt ist lebendig wie nie und kann zuweilen ganz schön überfordernd sein. Wir waren für Sie vor Ort und zeigen Ihnen in dieser Ausgabe die angesagtesten Weinbars und Locations für jeden Anspruch.