94 Punkte 2019 Antonio Madeira Vinhas Velhas Branco, Dão DOP, 13 % vol.
94 Punkte 2019 Antonio Madeira Vinhas Velhas Branco, Dão DOP, 13 % vol.

Wein des Monats: Februar 2023

94 Punkte
2019 Antonio Madeira Vinhas Velhas Branco, Dão DOP, 13 % vol.

Mit der Geschichte dieses Weißweins ließe sich exzellentes Clickbaiting betreiben. So ungefähr in die Richtung: „Sie werden nicht glauben, welche Entrüstung DIESE Flasche ausgelöst hat“, oder auch „Wie doof kann sich eine Weinbaubehörde in die Nesseln setzen?“ Wir bleiben aber natürlich sachlich und seriös, und erklären, was es mit dem Skandälchen um unserem Februar-Wein auf sich hat. Es geht nach längerer Zeit mal wieder nach Portugal – immer noch das wahrscheinlich unterschätzteste Weinbauland Europas.

Die Dão-Region gilt als absoluter Insidertipp. Statt von Flussterrassen wie im Dourotal oder flachem, weitläufigem Land wie im Alentejo ist man hier auf allen Seiten umringt von Bergen und Wäldern. Reben stehen in Höhen bis zu 1000 Metern, häufig als gemischter Satz (Field Blends) mit Alfrocheiro, Jaen, Touriga Nacional, Tinta Amarela & Co. für die Roten und Bical, Cercial, Encruzado oder Rabo de Ovelha für die Weißen, auf unterschiedlich verwitterten, kargen und harten Granitböden. Als kleine Schatzkiste für kühle, straff-mineralische Weiß- und Rotweine gilt die Serra da Estrela im Süden des Dão, und hier befinden sich auch die Wurzeln von António Madeira. Nach reichlich Auslandserfahrung kam der in Frankreich aufgewachsene Oenologe (der sich selbst passenderweise „Vigneron“ nennt) 2010 zurück, um seine Vorstellung von herkunftsgeprägten Weinen in der Heimat umzusetzen. Was erst mal fast romantisch-schön klingt, ist im Frühsommer 2021 mit dem jetzigen Wein des Monats, seinem 2019 Vinhas Velhas Branco, ziemlich eskaliert.

Was war geschehen? António Madeiras Vorstellung vom Herkunftsausdruck seiner Dãos lässt sich sensorisch mit den folgenden Attributen gut umreißen: uralte Reben, minimalinvasives Arbeiten im Keller mit extrem wenig oder gar keinem Schwefel, zwei Winter auf der Hefe, präzise, fruchtarm, langlebig, mineralisch-salzig und mit viel Tiefgang, in der Jugend gerne auch mal mit deutlicher Reduktion. In vielen internationalen Top-Restaurants und bei Weinfreaks wird Antónios weißer Vinhas Velhas nicht nur als einer der besten Dão Brancos gefeiert, sondern sogar als einer der stärksten Weißweine ganz Portugals, gerne auch mal im beliebten Vergleich zu den Burgund-Ikonen Puligny und Meursault. Doch um das Siegel mit der geschützten Herkunfsbezeichnung DOP Dão zu erhalten, hilft sämtliches begeistertes Feedback nicht, denn die Weine müssen in der offiziellen Kommission des Gebiets (Comissão Vitivinícola Regional do Dão) von Verkostern geprüft werden. Und da ein großer Teil der Dão-Weine speziell innerhalb Portugals traditionell eher für einfache, günstige, möglichst fruchtige und eingängige Massenware steht, passte der weiße Blend einfach nicht ins Bild, wurde mit 52 von 100 Punkten und ohne Siegel abgestraft. Nicht das erste Mal, aber António hatte die Nase voll und so entspann sich eine heiße Diskussion auf Instagram (nachzulesen hier).

Ohne zu weit abzuschweifen: Diese Diskussion ist nicht nur in Portugal relevant. Auch in Frankreich, Österreich, Spanien und nicht zuletzt in Deutschland (in unserem Heft ebenfalls ein großes Thema: Landwein aus Deutschland) stellt sich seit Jahren regelmäßig die Frage, inwieweit eine Prüfnummer und längst überholte Vorstellungen von möglichst leicht verständlichem Einheitsgeschmack den Weinstil einer Region diktieren dürfen.

Doch nun ab ins Glas: Das Corpus Delicti ist ein wunderbar straighter, puristischer Wein aus einem alten Mischsatz, der leise, aber profund von seiner Herkunft erzählt. Fast fruchtfrei im Duft, ein Hauch Salzzitrone und Nashi-Schalen, im Zentrum steht die satte, salzige Mineralität vom Granit. Wiesenblumen, Jasmintee, Bergheu, gesalzenes Popcorn, Jod, Austernschalen, Hefe und ein subtiler Holzeinsatz. Der Wein schiebt am Gaumen salzig-steinig-herb an, viel Druck ohne Schwere, vibrierend, jederzeit enorm trinkig und nach wie vor sehr jugendlich. Sein 2020er-Nachfolger ist übrigens zwar auch schon auf dem Markt, doch wie gesagt: Bis sich die Weine wirklich öffnen, braucht es etwas Zeit – und die sollte man ihnen geben, sonst verpasst man viel.

Was kommt dazu auf den Tisch? Purismus ist auch in der Küche gefragt. Seafood wäre eine sichere Bank, etwa Muscheln aller Art, Kaisergranat, hochwertiges Sashimi und, als etwas intensivere Kombi, geräucherter Aal oder seine gegrillte und mit Unagi-Sauce zubereitete japanische Variante. Wenn Fleisch, dann idealerweise hochgradig Marmoriertes vom Rind (z. B. Wagyu oder Txogitxu), nur kurz gebraten bzw. gegrillt und ohne Saucen. Vegetarisches lässt sich ähnlich spannend kombinieren, etwa aus der Tajine mit viel Kichererbsen oder ein lauwarmer Linsensalat. Hauptsache, es ist nicht fancy oder aromatisch übermäßig intensiv und verspielt – das mag dieser Branco nämlich gar nicht.

 

Preis: 18,90 €
Bezugsquelle (für 2019): www.weinzentrale.de
Vinhas Velhas Branco 2020 und weitere Weine von António Madeira unter www.wein-kreis.de   

Ausgabe 03/2023

MEININGERS WEINWELT

Themen der Ausgabe

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Wenn es um die renommiertesten Weingüter Deutschlands geht, dann darf der Name Dönnhoff auf keinen Fall fehlen. Aus Trauben, die aus den legendärsten Lagen der Nahe stammen, baut Cornelius Dönnhoff tiefgründige und extrem lagerfähige Rieslinge aus, die sich ihre internationale Bekanntheit verdient haben.