Alle reden vom Trinkgeld. Die einen rufen die Gäste auf, mehr zu geben, die anderen fordern stattdessen die gänzliche Abschaffung. Das ist natürlich Quatsch, denn wie könnte man eine freiwillige Leistung abschaffen? Doch der radikale Ansatz legt offen, wie verkorkst das System ist: Die Gastronomie wagt nicht, die Preise so zu gestalten, dass den Mitarbeitenden ein allein tragfähiges Gehalt gezahlt werden kann. Aus diesem Grund kalkuliert sie eine zusätzliche Leistung der Gäste fest als Lohnergänzung ein.
Die Folge: Das Einkommen des Teams ist zu einem nicht unbeträchtlichen Teil der Willkür, den Stimmungen und Launen der Gäste überlassen – und die scheinen, so zeigen aktuelle Zahlen, den Gürtel nun immer enger zu schnallen. In Zeiten des massiv voranschreitenden Fachkräftemangels ist dies nicht gerade eine attraktive Ausgangsbasis, um Nachwuchs zu rekrutieren. Trinkgeld sollte das bleiben, was es ursprünglich mal war: ein Zeichen der besonderen Wertschätzung, quasi eine zusätzliche Erfolgsprämie. Andernfalls gibt es vielleicht bald keine Mitarbeiter mehr, unter denen das Trinkgeld aufgeteilt werden könnte.
Benjamin Brouër
Stv. Chefredakteur fizzz
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