Foto: Kevin/stock.adobe.com
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Weinbau und Klimawandel

Noch ist der Klimawandel ein Thema, das in Deutschland nur vereinzelt Aufmerksamkeit erregt, doch er stellt auch den deutschen Weinbau vor große Herausforderungen. In südlicheren Gefilden ist er inzwischen viel präsenter und führt zur Vernichtung vieler Weinberge.

Text: Christoph Raffelt

Es war Anfang November 2019, als ich mitten in den Adelaide Hills zum ersten Mal auf verbrannte Erde stieß. Was ich in einem der kühlsten Weinbaugebiete Australiens antraf, war ein ehemaliger Weinberg, der jetzt schwarz und komplett verrußt verwahrloste. „Das ist erst der Anfang“, sagte mir der jüngst leider viel zu früh verstorbene Weinmacher Taras Ochota, „es wird von Jahr zu Jahr stärker, und die Feuer entstehen längst nicht mehr nur in den heißen Ecken, sondern auch hier in den vergleichsweise kühlen Hügeln.“ Er sollte Recht behalten. Was sich damals andeutete, entwickelte sich zum verheerendsten Feuer in der Geschichte Australiens und sollte bis Februar 2020 Millionen Hektar Wald, Buschland und Weinberge vernichten. Zudem möglicherweise Milliarden von Tieren inklusive eines entscheidenden Bestandes an Koalas, deren Spezies wohl kaum mehr zu retten ist. Außer der australischen Regierung und Teilen ihrer Wähler bestreitet zumindest in den Weinbaugebieten niemand, dass dieses verheerende Feuer sehr viel mit Klimaveränderungen zu tun hat.

In Kalifornien sah es im letzten Jahr nicht besser aus. Der Bundesstaat und speziell der kalifornische Weinbau haben ein Armageddon hinter sich. Man kann es kaum anders bezeichnen. Vielen Weingütern hat 2020 die Existenzgrundlage entzogen, nachdem schon in den Jahren zuvor die Brände immer näher an die Weingüter herangerückt waren. Laut Cal Fire, der Brandschutzbehörde in Kalifornien, sind in dem Bundesstaat in 2020 bei mehr als 9 000 Bränden knapp 1,7 Millionen Hektar Land und mehr als 10 000 Gebäude verbrannt, darunter einige bedeutende Weingüter und historische Weinberge. Doch der Schaden geht noch viel weiter; denn in vielen Betrieben fällt durch die Brände die Ernte komplett oder teilweise aus. Für die Schug Carneros Estate Winery, die unter anderem von Claudia Schug-Schütz geleitet wird, bedeuteten die Feuer den Verlust ihrer spätreifenden Sorten. Die frühen, vor allem der Pinot Noir, konnten noch vor den Feuern gelesen werden, auf den späten Sorten lag schon der Smoke Taint. „Wenn die Trauben zu lange dem Rauch ausgesetzt sind, riechen sie wie der Boden eines Holzofens“, nennt es Prudy Foxx, die Weingüter in Bezug auf die Weinbergsarbeit berät. Und tatsächlich konnten große Teile Cabernet und Merlot in Napa und Sonoma nicht mehr gelesen werden.

Solche Feuer entstehen natürlich durch ein Zusammenspiel verschiedener Ursachen, die nicht ausschließlich mit dem Klimawandel zu tun haben. Doch die enorme Trockenheit und die Hitzerekorde wie in San Luis Obispo mit 120 Grad Fahrenheit, also 49 Grad Celsius, direkt an der Küste oder ein Tropensturm wie Fausto, der allein in einer Nacht für Tausende von Blitzen und ein tropisches Klima sorgte, sprechen eine eigene Sprache.

DER WEINBAU WELTWEIT WIRD SICH VERÄNDERN

Wir können uns solche Szenarien noch schwer vorstellen, doch auch in Deutschland haben in 2018 und 2019 Wälder und Moore gebrannt. Es ist ein Paradigmenwechsel, auf den sehr schnell reagiert werden muss. In manchen Regionen eröffnet er neue Möglichkeiten, während er andere zunächst ratlos zurücklässt. In einem Online-Seminar der führenden Weinbau-Hochschule der USA, der UC Davis, diskutiert man mittlerweile öffentlich darüber, ob die wichtigste Sorte des Landes, der Cabernet Sauvignon, auf Dauer noch eine Chance hat oder komplett durch Petite Sirah und Zinfandel ersetzt werden muss. Auch in Bordeaux wird über Alternativen nachgedacht, und es werden spanische, portugiesische oder auch neu gezüchtete Sorten im Versuchsanbau getestet. Parallel dazu entstehen in England mittlerweile hervorragende Weine. Während auch in der Champagne immer mehr Alarmglocken läuten, was die Erwärmung und das frühere Reifen der Trauben, aber andererseits auch Wetterextreme angeht, haben beispielsweise Taittinger und Vranken-Pommery sich längst im englischen Kent und Hampshire eingekauft (siehe auch den Artikel British Sparkling in »Ausgabe 1/2021 von MEININGERS WEINWELT). Und was in England in den letzten zwei Jahrzehnten noch auf Schaumweine beschränkt war, umfasst dort immer mehr auch die Stillweinproduktion.

Gleiches gilt für Dänemark und sogar für Norwegen. Angefangen hatte JØrgen Teik Hansen sein Projekt Hjelm-Vingård auf der dänischen Ostsee-Insel Møn ursprünglich ausschließlich mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Doch in den letzten Jahren konnte er außerdem bildschönen Riesling, Chardonnay und Merlot lesen. Dem Riesling hat sich auch Anne Enggrav verschrieben, die seit 2009 mithilfe des deutschen Winzers Klaus Peter Keller den ersten Riesling Norwegens in Kristiansand gepflanzt hat. Zweifelsohne ein Pilotprojekt, aber eines mit Zukunft, da ist sich Klaus Peter Keller sicher. Schließlich geht man davon aus, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche Skandinaviens in den kommenden Jahrzehnten um 40 bis 50 Prozent ausgeweitet werden wird. Warum also nicht auch den Weinbau mit einschließen?

Auch in Deutschland haben wir lange Zeit vom Klimawandel profitiert – nicht zuletzt im Weinbau. Schaut man sich die 1970er oder 1980er Jahre an, so gab es nur selten einen wirklich guten und vielleicht einen herausragenden Jahrgang pro Jahrzehnt. Heute ist es genau umgekehrt. Der Boom des deutschen Weins ab dem Jahr 2000 hatte nicht nur mit jungen, offenen und sehr gut ausgebildeten Winzern zu tun, sondern auch damit, dass man erstmals wirklich substanzreiche Weine erzeugen konnte – und das fast Jahr für Jahr. „Heute ist die Herausforderung die, die Reife zu bremsen, statt sie zu fördern“, sagt Sophie Christmann, die seit 2017 an der Seite ihres Vaters Steffen das Weingut Christmann in der Pfalz führt. Und wenn es zu trocken wird, wird man viele Erzeugnisse auf den Prüfstand stellen und sich fragen, ob sie noch ihre Berechtigung haben. Das gilt vor allem natürlich für jene, die einen hohen Wasserverbrauch haben. Und die Erzeugung von Wein hat einen hohen Wasserbedarf. In unseren Breiten liegt er bei etwa 600 Litern Wasser pro Liter Wein. Wo es heißer wird, können es auch 800 Liter vom Wasserbedarf der Pflanze bis in den reinigungsintensiven Keller sein. Solange es regnet, ist das kein Problem. Doch ein Jahr wie 2018 bietet einen Vorgeschmack auf einen möglicherweise kommenden Kampf ums Wasser. „Es ist die Aufgabe der Landwirtschaft, auf das Ökosystem zu schauen und es balanciert und gesund zu halten. Wenn wir das machen, dann können wir auch die Herausforderungen des Klimawandels schaffen“, so Sophie Christmann.

HÖHENLAGEN SIND EINE MÖGLICHE REAKTION …

Für manche Weinbaugebiete gibt es die Chance, in die Höhen auszuweichen. Und schon im Burgund zeigt sich, dass einstmals eher als problematisch angesehene Höhenlagen wie die Hautes Côtes eine neue Wertschätzung erfahren. In Spanien hat der Gigant Torres, der über die nötigen monetären Ressourcen verfügt, in den letzten Jahren stark in Höhenlagen von 900 bis 1 200 Metern in den Ausläufern der Pyrenäen, aber auch im Priorat investiert. „Vor 25 Jahren wäre das unmöglich gewesen“, sagt Miguel Torres Maczassek, der das Weingut zusammen mit seiner Schwester Mireia leitet, „doch ist das nur ein Aspekt. Wenn man in Generationen denkt, dann muss man noch etwas anderes miteinbeziehen. Was unerlässlich ist, ist eine neue Art des Weinverständnisses, um dem Klimawandel zu begegnen. Und da müssen wir über die reine Nachhaltigkeit hinausgehen. In diesem Sinne haben wir, abgesehen von der Rückgewinnung alter Rebsorten, Maßnahmen ergriffen, um unseren Kohlenstoff-Fußabdruck um 30 Prozent zu senken, während wir gleichzeitig in den ökologischen Weinbau und die Weinherstellung investieren. In Katalonien zum Beispiel haben wir bereits mehr als 850 Hektar ökologisch zertifiziert.“

Neben Trockenheit und Hitze wird es auch mehr Extremwetter und Unwetter geben; Foto: Ewald Fröch/stock.adobe.com
Neben Trockenheit und Hitze wird es auch mehr Extremwetter und Unwetter geben; Foto: Ewald Fröch/stock.adobe.com
Frühes Austreiben der Reben aufgrund von wärmeren Temperaturen birgt das Risiko von Schäden durch Spätfrost; Foto: Eléonore H/stock.adobe.com
Frühes Austreiben der Reben aufgrund von wärmeren Temperaturen birgt das Risiko von Schäden durch Spätfrost; Foto: Eléonore H/stock.adobe.com
Immer höher: Im Priorat in Spanien haben Winzer die Möglichkeit, auf Höhenlagen auszuweichen; Foto: Joe Becerra/Shutterstock.com
Immer höher: Im Priorat in Spanien haben Winzer die Möglichkeit, auf Höhenlagen auszuweichen; Foto: Joe Becerra/Shutterstock.com
In von Trockenheit gestressten Rebanlagen geht die Entwicklung bei hohen Temperaturen nur langsam voran; Foto: Artrecphotography/dreamstime.com
In von Trockenheit gestressten Rebanlagen geht die Entwicklung bei hohen Temperaturen nur langsam voran; Foto: Artrecphotography/dreamstime.com
… BIOLOGISCHER ANBAU, BIODYNAMIE UND BIODIVERSITÄT SIND ANDERE

Das ist auch der Punkt, an dem Martin Gojer vom biodynamisch geführten Weingut Pranzegg in Südtirol direkt mit dabei ist. „In Südtirol halten sich die negativen Auswirkungen des Klimawandels noch in Grenzen. Doch er ist da, und es wird immer schwerer, die übliche und bekannte Südtiroler Stilistik substanzvoller und gleichzeitig frischer Weine aufrecht zu erhalten. Wenn wir ehrlich sind, dann sehen wir in Jahren wie 2020 entweder vollreife Trauben, aber zu wenig Säure, oder früh gelesene, die haben aber wenig Alkohol. Leider wird immer noch viel zu wenig darauf geschaut, was wir besser machen könnten, und da bin ich ganz klar bei Humusaufbau, Biodiversität, mehr Begrünung mit Dauerkulturen und letztlich natürlich beim biologischen und biodynamischen Anbau.“

EIN GANZES BÜNDEL AN HERAUSFORDERUNGEN

So sieht es auch Sophie Christmann, die viele ihrer konventionell arbeitenden Kollegen in den letzten Jahren immer gestresster wahrnimmt. „Denn mit der Trockenheit kommen ohne eine vernünftige Humusschicht einfach keine Mostgewichte zusammen. Und Trockenstress gibt es noch obendrein.“ Schaut man auf den Jahrgang 2018, dann ist es so, als würde man in das Jahr 2050 schauen, zumindest wenn man sich an die Simulationsmodelle der Hochschule Geisenheim hält, die diese im Jahr 2000 errechnet hat. Der Wandel schreitet immer schneller voran, und er wird auch immer mehr Winzer in Atem halten. Denn was damit einhergeht, sind höhere CO2-Werte, die gleichzeitig eine höhere Transpirationsleistung der Reben auslösen, die dadurch mehr Wasser brauchen, von dem immer weniger zur Verfügung stehen wird. Gleichzeitig sind Rebsorten nur begrenzt anpassungsfähig. Folgt man dem Huglin-Index, der Rebsorten einem Wärmesummenindex, bestehend aus Tagesmittel und Tagesmaximum, zuordnet, so werden die meisten Rebsorten immer weiter in den Norden wandern, und tatsächlich tun sie es schon jetzt. Denn während man Riesling in Skandinavien findet, steht der Syrah längst in der Pfalz. Wie lange der seit Jahrhunderten in Deutschland beheimatete Riesling hier also noch präsent sein wird, weiß letztlich niemand. Neben Trockenheit und Hitze wird es zudem immer mehr Extremwetter geben. Und was sich erst langsam zu zeigen beginnt und sich immer stärker auswirken wird: Schädlinge wie Traubenwickler, Glasflügelzikaden, asiatische Marienkäfer und weitere Insekten, die sich immer stärker ausbreiten, weil sie sich mit der zunehmenden Wärme gleich mehrfach im Jahr reproduzieren. Und das ist noch längst nicht alles; denn durch die kürzere Vegetationsperiode verändert sich auch die Lese. „Wir brauchen deutlich mehr Leute, um die Trauben bei optimaler Reife lesen zu können. Um das Team zu entlasten, haben wir im Gutswein-Bereich Versuche mit der Maschinenlese gemacht. Das Ergebnis war aber, dass die Trauben im Weingut 1,2 Gramm weniger Säure hatten. Und das ist keine wirkliche Alternative.“

WEINBAU WIRD TEURER

Der Weinbau wird hierzulande teurer werden, wenn er nachhaltig sein soll. Und das wird so sein müssen. Mehr noch, er wird ökologisch sein, und im Zweifelsfall werden größere Flächen auf Dauer nicht bewirtschaftet werden, und der Weinbau sich gesundschrumpfen. Es gibt weltweit ohnehin eine Überkapazität an billigem Wein. Diese These, die heute viele qualitativ hochwertig arbeitende Winzer vertreten, passt nicht unbedingt zu einem Markt wie dem deutschen, in dem ein Großteil des erzeugten Weins immer noch für 2,99 Euro verkauft wird. Doch ist es genau dieser Weinbau, der die Böden auslaugt, sie mit Breitbandherbiziden zerstört, der die Krume trocknet und mit Salzen dafür sorgt, dass die Reben immer noch mehr Wasser benötigen.

Dagegen geht ein biologisch oder besser noch biodynamisch gepflegter Weinberg einher mit dem Aufbau einer Humusschicht und der für das Bodenleben so wichtigen Mycorrhiza. Außerdem mit mehr Biodiversität und einer Veränderung der Trauben hin zu mehr Widerstandsfähigkeit, Kleinbeerigkeit und Dickschaligkeit und vor allem höheren Säurewerten und niedrigeren pH-Werten. All das werden entscheidende Faktoren sein, um den Weinbau für die Zukunft zu rüsten. Der Weinbau ist schon von Natur aus kompliziert. Mit der Veränderung des Weltklimas wird es noch komplizierter. Aber man sollte spätestens jetzt beginnen, darauf zu reagieren. „Ich hoffe nur, dass es nicht zu viele Leute verschlafen“, sagt Sophie Christmann abschließend und macht sich auf in Richtung Sektgut Christmann & Kauffmann; denn bei den richtigen Voraussetzungen hat auch die Sekterzeugung in der Pfalz ihre Zukunft.

Ausgabe 03/2024

Erhältlich ab 8. März: MEININGERS WEINWELT Ausgabe 03/2024

Themen der Ausgabe

Feines Frische-Duo

Mineralischer Albariño schmeichelt Fischeintopf mit Gemüse: Das Winepairing zum Start ins Frühjahr hat sich Sommelier Emrah Isitmen aus Karlsruhe für Sie ausgedacht und damit eine Geschmackskombination für pures Atlantik-Feeling kreiert … »weiter zu Rezept & Weintipp

Rieslinge von Weltruhm

Bettina Bürklin-von Guradze hat das Pfälzer Topweingut Dr. Bürklin-Wolf perfekt für die Zukunft aufgestellt und verrät im Gespräch mit Chefredakteurin Ilka Lindemann, wie sie dabei Traditionen, Familie und Biodynamie unter einen Hut gebracht hat.

Weinbar-Guide London

Die Gastroszene der britischen Hauptstadt ist lebendig wie nie und kann zuweilen ganz schön überfordernd sein. Wir waren für Sie vor Ort und zeigen Ihnen in dieser Ausgabe die angesagtesten Weinbars und Locations für jeden Anspruch.