Geschäftsführer Alexander Rittlinger ist trotz Umsatzrückgang zufrieden mit dem Geschäftsjahr von Reh Kendermann
Geschäftsführer Alexander Rittlinger ist trotz Umsatzrückgang zufrieden mit dem Geschäftsjahr von Reh Kendermann

Reh Kendermann verliert leicht

Die Bingener Weinkellerei Reh Kendermann erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/22 einen Gruppenumsatz von 90 Mill. Euro. Zum Stichtag 30.6.2022 bedeutet das einen Rückgang von rund 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Kellerei betont, dass sie damit aber immer noch klar über den Ergebnissen der Vor-Corona-Zeit liegt. »Wir haben das Geschäftsjahr trotz aller Widrigkeiten zufriedenstellend gemeistert«, erklärt Geschäftsführer Alexander Rittlinger.

Außergewöhnliche Zeiten für Weinbranche

»Wir haben in den letzten Monaten enorme wirtschaftliche Verwerfungen erlebt, die noch immer anhalten«, beschreibt Rittlinger die Rahmenbedingungen des Geschäftsjahres 2021/22. Preisdruck, Rohstoffknappheit und sinkende Verbrauchernachfrage aufgrund von generellen Inflationssorgen waren die anspruchsvollsten Aufgaben für das Geschäft. »Wir befinden uns in einem großen Dilemma: Wir müssen viel teurer einkaufen, während sich auf der anderen Seite im Handel, vor allem im internationalen Geschäft, höhere Preise nur sehr schwer durchsetzen lassen. Zudem ist das Personal knapp und die Beschaffung ist eine Herausforderung.«

Die extreme Entwicklung der Kosten – vor allem bei Glas – habe dazu geführt, dass man unterjährig drei Preisrunden statt einer hätte durchführen müssen. Auf die Verfügbarkeit bei einzelnen Rebsorten habe der Handel schnell reagiert und z.B. Cuvées aus Müller-Thurgau und Grauburgunder anstelle des reinsortigen Grauburgunders in die Regale gestellt.

»Wir reden ständig über den Preisdruck und Verfügbarkeit – die Qualität gerät dabei in den Hintergrund«, ärgert sich Rittlinger. Eine Besserung sei zunächst nicht in Sicht. Die unlängst bekanntgegebene neue Erhöhung der Glaspreise könne er angesichts gesunkener Preise für Gas und Strom nicht nachvollziehen. Allerdings sei man gezwungen seine Kostensteigerungen an den Handel weiterzugeben. Alternative Verpackungen könnten vor dem Hintergrund an Bedeutung gewinnen.

Rittlinger führt den Umsatz-Rückgang auch darauf zurück, dass Reh Kendermann Preiserhöhungen früher als andere vorgenommen habe. Diese seien aber alternativlos. Nicht alle Partner im Einkauf zeigten Verständnis für die Kosten- und Versorgungssituation der Kellereien. Er rechnet damit, dass beim nächsten Wechsel im Regal dennoch deutliche Preiserhöhungen zu beobachten seien. »Wir können nur gemeinsam durch diese schwierige Zeit gehen, mit einem gegenseitigen Verständnis«, betont Rittlinger die Notwendigkeit einer Partnerschaft zwischen Handel und Produktion.

Reh Kendermann profitiert von Diversifikation

Am schlimmsten seien die Verhandlungen mit den britischen Einkäufern. Auf dem britischen Markt profitierte Reh Kendermann dabei von seiner strategischen Neuausrichtung mit den Tochtergesellschaften North South Wines und Yapp Brothers. Während erstere weiter stark wuchs, konnte Yapp Brothers die vorangegangenen Gewinne stabilisieren.

Unter den Auslandsgesellschaften entwickle sich auch Crama Oprisor in Rumänien sehr positiv, sodass die Kellerei hier 1,5 Mill. Euro in Ausbau und Optimierung investierte. Kürzer tritt Reh Kendermann dagegen bei Napier Vineyards in Südafrika. Das Marktumfeld für südafrikanische Weine sei sehr schwierig. Daher habe man sich von einer Farm in Paarl getrennt und konzentriere sich auf den Rotweinanbau in Wellington.

Rittlinger lobte die Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe, man befruchte sich gegenseitig. Die größten Investitionen der letzten Jahre wurden jedoch in den Standort in Bingen getätigt. Mit der Fertigstellung des Casinos Ende Januar 2023 sei der 2020 begonnene erste Bauabschnitt abgeschlossen. Insgesamt habe man in den letzten zwei Jahren 17,5 Mill. Euro in den Standort Bingen investiert und den Standort in Böchingen wie geplant geschlossen. 

»Wir werden weiter investieren, weil wir sparen müssen«, kündigt Rittlinger an. Der enorme Fachkräftemangel führe dazu, dass man noch mehr auf Automatisierung setzen müsse. Zudem müsse man unabhängiger von Energieversorgern werden, weshalb man neben Energieeinsparungen auch auf Photovoltaik setze.

Die neu eingeführte Premium-Linie »Black Tower Club Edition« gibt Reh Kendermann neue Impulse
Die neu eingeführte Premium-Linie »Black Tower Club Edition« gibt Reh Kendermann neue Impulse

Heterogene Export- und Markenentwicklung

Das Exportgeschäft habe sich im Geschäftsjahr heterogen entwickelt. Während man in den baltischen Staaten zulegen konnte, entwickelte sich das Geschäft in Skandinavien rückläufig. Die asiatischen Märkte hätten sich nach Corona-Einbußen noch nicht wieder vollständig belebt. In den letzten sechs Monaten gab es aber eine deutliche Belebung. Große Sorgen bereitet angesichts der makroökonomischen Daten der britische Markt. Insgesamt macht der Export noch etwas weniger als die Hälfte des Geschäfts aus.

Auch der Bestseller »Black Tower« leidet unter dem schwierigen britischen Markt, wo 40 Prozent des Geschäfts mit der Marke erfolgt. Black Tower büßte 2021/22 insgesamt rund 15 Prozent ein, die neueingeführte Premium-Linie »Black Tower Club Edition« sorgt aber für neue Impulse und konnte bereits einige Listungen gewinnen. 

Auf das Kalenderjahr 2022 bezogen sehen die Ergebnisse für das Markengeschäft besser aus. »Strandgut« verlor 1 Prozent, Black Tower 12 Prozent und »Lindeman’s« 10 Prozent, »Val Duna« legte dagegen um 5 Prozent zu, die Terroir- und Premiummarken für Exklusivgeschäft konnten sogar zweistellig zulegen.  CG

Ausgabe 9/2024

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Wo wird Wein in Zukunft wachsen – und wo nicht?

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