Die niederländische Firma Rebottled gibt alten Weinflaschen ein neues Leben (Foto: Tyson Ernste)
Die niederländische Firma Rebottled gibt alten Weinflaschen ein neues Leben (Foto: Tyson Ernste)

Zero Waste

Wiederverwenden statt Wegwerfen lautet das Motto – auch in der Weinbranche haben Flaschen, Korken und Co. eine zweite Chance verdient. Recycling und Upcycling zählen zwar nicht zu den neusten Trends, die Ideen, die aktuell daraus entstehen, sind dafür aber umso kreativer.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen in »Ausgabe 4/2023 von MEININGERS WEINWELT.

Text: Sophia Langhäuser 

Von Weinflaschen, auf die ein zweites Leben wartet, über Korken, die in einen Sportschuh verwandelt werden, bis hin zum Holzfass, aus dem ein Fußboden wird. Upcycling und Recycling sind so gefragt wie nie. Kurzlebige Produkte verlieren immer mehr ihre Akzeptanz unter den Verbrauchern. Der Trend geht hin zur Kreislaufwirtschaft und zu Produkten mit einem langen Lebenszyklus. Doch was bedeuten die Begriffe Recycling und Upcycling eigentlich genau und wo liegen die Unterschiede? Beim Recycling werden die einzelnen Produkte, die ihr Soll bereits erfüllt haben, zunächst gesammelt, sortiert und schließlich unter Einsatz von Energie in ihre Grundbausteine zerlegt. Aus den Ursprungsmaterialien können dann wiederum neue Gegenstände produziert werden, die ein zweites Leben vor sich haben. Etwas anders sieht es dagegen beim Upcycling aus: Die Gegenstände müssen dazu nicht wie beim Recycling in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden, sondern werden gezielt in neue Produkte verwandelt. Dieser Prozess, in dem das Ausgangsprodukt in den meisten Fällen sogar aufgewertet wird und eine neue Funktion erhält, spart nicht nur Energie, sondern sorgt auch gleichzeitig dafür, dass neue Erzeugnisse entstehen, die voller Kreativität stecken. Die spannendsten Ideen aus der Weinbranche haben wir für Sie ausfindig gemacht.

Dank der amerikanischen Firma ReCORK werden bereits verwendete Korken recycelt und in stylische Sportschuhe verwandelt (Foto: 2022 Matthew Tufts)
Dank der amerikanischen Firma ReCORK werden bereits verwendete Korken recycelt und in stylische Sportschuhe verwandelt (Foto: 2022 Matthew Tufts)

KORKENSAMMLER

Die Deutschen trinken gerne mal ein Gläschen Wein, sei es zum Essen, zu speziellen Anlässen oder einfach nur so. Seit vielen Jahren ist der Pro-Kopf-Weinkonsum in Deutschland deswegen auch nahezu konstant geblieben und liegt aktuell laut Angaben des DWI (Deutsches Weininstitut) bei rund 19,9 Litern im Jahr. An der Spitze des weltweiten Weinkonsums steht aber ein ganz anderes Land: nämlich Portugal. Dort lag der Pro-Kopf-Verbrauch laut Statista 2021 bei rund 52 Litern – nicht schlecht, vor allem wenn man bedenkt, dass dort nahezu jede Flasche mit einem Korken verschlossen wird. Womit wir auch schon beim Thema wären: Denn wo kommen die praktischen Verschlüsse eigentlich her und was passiert mit Ihnen, sobald Sie nicht mehr gebraucht werden? Die Geschichte eines Naturkorkens beginnt mit der Rinde der Korkeiche, die großflächig in südlicheren Ländern wie Portugal, Spanien, Sardinien, Marokko und Tunesien wächst, aber seit einigen Jahren auch im Süden der USA gepflanzt wird.

Wie man nun vielleicht annehmen würde, muss der Baum zur Korkgewinnung aber nicht gefällt werden. Stattdessen wird die aus Kork bestehende Rinde stückweise und mit viel Sorgfalt vom Stamm des Baumes entfernt, wodurch sich dessen Lebensdauer sogar etwas verlängert. Nach der Korkernte wird die Rinde dann zunächst getrocknet, bevor sie gekocht und so von Unreinheiten bereinigt wird. Erst dann folgt der entscheidende Prozess, bei dem die einzelnen Korken aus der Rinde gestanzt werden und ihre finale Form erhalten. Schon hier beginnt das Recyceln: Die Überreste werden nämlich nicht einfach entsorgt, sondern zum Beispiel von der amerikanischen Firma ReCORK aufgekauft. Ähnliches gilt auch für bereits verwendete Korken, die, einmal aus der Flasche entfernt, nicht einfach im Müll landen sollten, sondern bestenfalls von Weingütern, Restaurants und Weinhandlungen aufbewahrt werden. Mit Hilfe dieser Sammelpartner sowie durch im Land verteilte ReCORK-Recyclingbehälter, konnten bereits mehr als hundert Millionen Korken gesammelt werden. Bei ReCORK angekommen, werden die Korken gemeinsam mit den Resten der Korkproduktion zermahlen und zu recyceltem Kork verarbeitet. Dieses Material wird dann zum Beispiel zur Herstellung der Schuhmarke SOLE verwendet, wo man besonders viel Wert auf eine umweltfreundliche Schuhproduktion legt und den recycelten Kork einsetzt, um schädliche Schäume und Kunststoffe auf Erdölbasis zu ersetzen.

Aus leeren Weinflaschen produziert die niederländische Firma Rebottled nicht nur schicke Lampen, sondern auch coole Trinkgläser (Foto: Tyson Ernste)
Aus leeren Weinflaschen produziert die niederländische Firma Rebottled nicht nur schicke Lampen, sondern auch coole Trinkgläser (Foto: Tyson Ernste)

EIN ZWEITES LEBEN FÜR WEINFLASCHEN

Aber wie sieht es eigentlich mit den ganzen Glasflaschen aus? Obwohl bereits erste Projekte zum Thema Mehrwegflaschen in der Weinbranche angekommen sind, landet ein Großteil der leergetrunkenen Flaschen noch immer im Altglas-Container. Upcycling lautet hier die Lösung, wie es von der niederländischen Firma Rebottled bereits erfolgreich – mit mittlerweile bereits mehr als 500 000 wiederverwendeten Flaschen – umgesetzt wird. Ganz nach dem Motto „Von der Weinflasche zum Trinkglas“ arbeitet Rebottled mit Gastronomiebetrieben zusammen, deren leergetrunkene Flaschen regelmäßig von den Mitarbeitern der Firma eingesammelt werden. In der Rebottled-Fabrik angekommen, werden die Flaschen mit Hilfe eines Lasers in zwei Hälften geschnitten, so dass die Form eines Trinkglases entsteht. Nachdem der Rand des Glases fein säuberlich mit einer Flamme poliert wurde, fehlen nur noch wenige Arbeitsschritte: noch schnell gereinigt und nachhaltig verpackt, fertig ist das neue Trinkglas. Verkauft werden die Gläser in verschiedenen Farben und Formen, wie man sie eben auch bei Weinflaschen findet. Zusätzlich engagiert sich das Unternehmen aber auch im sozialen Bereich, indem innerhalb der Produktion Arbeitsplätze für Menschen geschaffen werden, die ansonsten nur schwer eine geeignete Arbeitsstelle finden. Durch ein spezielles Ausbildungsprogramm erhalten sie dank Rebottled die Chance, sich weiterzuentwickeln und neu zu erfinden, bevor sie wieder in den normalen Arbeitsmarkt einsteigen.

Wenn es darum geht, den Lebenszyklus von Weinflaschen zu verlängern, ist auch Kira Hassert aus dem pfälzischen Bad Dürkheim die richtige Ansprechpartnerin. Vor einigen Jahren entschloss sich die Pfälzerin dazu, ausgetrunkene Weinflaschen nicht einfach zu entsorgen, sondern daraus stilvolle Kerzenleuchter zu entwerfen. Ähnlich wie zur Herstellung der Rebottled-Trinkgläser entfernt auch sie die obere Hälfte der Flaschen, legt dabei aber großen Wert darauf, dass das Etikett unbeschadet bleibt. So entstehen ganz besondere Unikate, die aus den verschiedensten Weingütern stammen. Mit Wachs und Kerzendocht befüllt, hat Kira Hassert so kurzerhand ein stilvolles Wohn-Accessoire geschaffen, das eindeutig unter die Kategorie Upcycling fällt und mittlerweile sogar von vielen Weingütern zum Verkauf angeboten wird.

BarrelArt: Die beiden Österreicher Marie-Luise und Gerhard Weber kreieren kreative Alltagsgegenstände aus gebrauchten Holzfässern (Foto: BarrelArt)
BarrelArt: Die beiden Österreicher Marie-Luise und Gerhard Weber kreieren kreative Alltagsgegenstände aus gebrauchten Holzfässern (Foto: BarrelArt)

UND WO BLEIBT DAS HOLZ?

Aus dem Rohstoff, der zur Lagerung und Reifung von Weinen auf der ganzen Welt genutzt wird, werden ebenfalls besonders gerne neue Produkte kreiert. In Österreich, genauer gesagt in Graz, haben sich Marie-Luise und Gerhard Weber mit ihrer Firma BarrelArt einen Namen gemacht. Mit Liebe zum Detail verwandeln die beiden Österreicher gebrauchte Holzfässer zu kreativen Gegenständen mit neuer Funktion. So entstehen aus den einzelnen Fassdauben beispielsweise kleine Holztabletts mit Aussparungen für Espresso- und Kaffeetassen, edle Küchenmesser mit Fassholzgriff und sogar Stühle und Tische. Das Besondere dabei: Jedes Produkt ist ein Unikat, das von der Maserung des Holzes und der Färbung, die durch die jahrelange Berührung mit dem Wein entstanden ist, ein ganz eigenes Muster erhält. Noch einen Schritt weiter geht der bayerische Schreinermeister Peter Scheuerer, der mit seiner Marke WeinDESIGN und der Idee, aus alten Fassdauben einen Holzboden zu erzeugen, eine echte Nische getroffen hat. Dabei ist es gar nicht so leicht, aus den gewölbten Dauben einen glatten Fußboden zu erzeugen. Präzise Handarbeit über mehrere Wochen ist gefragt, bevor der Fußboden aus altem Fassholz verlegt werden kann. Mit viel Geschick und Leidenschaft erzeugt Peter Scheuerer echte Einzelstücke, die nicht nur Weinliebhaber überzeugen.

Im Zero-Waste-Restaurant SILO  werden Weinflaschen zu feinem Sand zerkleinert, aus dem dann Teller und Lampenschirme entstehen (Foto: HdG Photography)
Im Zero-Waste-Restaurant SILO werden Weinflaschen zu feinem Sand zerkleinert, aus dem dann Teller und Lampenschirme entstehen (Foto: HdG Photography)

EIN RESTAURANT OHNE MÜLL

Ein Ort, an dem gleich mehrere Re- und Upcycling Prozesse zum Einsatz kommen, ist das Londoner Restaurant SILO. Dort hat sich Chefkoch Douglas McMaster, der mit dem SILO im Jahr 2019 das weltweit erste Zero-Waste-Restaurant eröffnet hat, auf die Fahne geschrieben, keinen Müll zu produzieren. Kaum vorstellbar, wenn man bedenkt, wie viele Essensreste und Verpackungsmüll in jedem anderen Restaurant in der Tonne landen. Durch direkten Kontakt mit regionalen Landwirten, die Verwendung von lokalen Zutaten und die Kompostierung von Essensresten hat Douglas McMaster es geschafft, einen eigenen müllfreien Kreislauf zu erzeugen. Und auch die verwendeten Lebensmittel werden – wenn möglich – von Anfang an und bis zum Ende vom Team des Restaurants selbst produziert. So wird zum Beispiel mit Hilfe einer Mühle eigenes Mehl hergestellt, welches anschließend zu Brot weiterverarbeitet wird. In Sachen Fleisch legt McMaster außerdem großen Wert darauf, die sogenannte Nose-to-Tail-Ideologie umzusetzen, bei der möglichst das ganze Tier verarbeitet wird. Betrachtet man schließlich das Interieur des schicken Restaurants, würde man wohl kaum darauf kommen, dass auch hier der Großteil aus upgecycelten Materialien besteht, welche andernfalls auf der Mülldeponie gelandet wären. Die Lampenschirme bestehen beispielsweise nicht nur aus getrocknetem Seetang, sondern zum Teil auch aus den Überresten von Glasflaschen. Hierfür hat sich der Restaurantbesitzer eine besondere Technik einfallen lassen: Mit einer eigenen speziellen Maschine werden die Glasflaschen zunächst zerkleinert, bis ein feiner Sand entsteht, bevor dieser in einem weiteren Schritt zu Tellern, Lampenschirmen und anderen Einrichtungsgegenständen verwandelt wird. Dabei sind die neu entstandenen Gegenstände nicht nur ganz schön kreativ, sondern sehen auch noch stylisch aus, wodurch das Londoner Restaurant einen ganz eigenen Look erhält.

UND SONST NOCH?

Up- und Recyclingprozesse kommen aber auch schon während der Weinproduktion immer wieder zum Einsatz. Während der anfallende Trester nach dem Pressen der Trauben häufig zu Tresterbränden weiterverarbeitet oder zur Düngung des Weinbergs eingesetzt wird, stellen Traubenkerne und Hefe gerne verwendete Rohstoffe im Kosmetikbereich dar. In Geinsheim in der Pfalz nutzt die Kosmetikerin Ilona Nebel-Rößler das vielseitige aus Traubenkernen gewonnene Öl für ihre spezielle Pfalz-Kosmetiklinie Palavin. Da das Traubenkernöl einen besonders hohen Anteil an OPC (Oligomere Proanthocyanidine), einem natürlichen Anti-Aging-Wirkstoff enthält, gilt es als echter Allrounder in Sachen Kosmetik.

 

Innerhalb der Kosmetiklinie Palavin von Ilona Nebel-Rößler kommt der Anti-Aging-Wirkstoff von Traubenkernen zum Einsatz (Foto: dima_pics/stock.adobe.com)
Innerhalb der Kosmetiklinie Palavin von Ilona Nebel-Rößler kommt der Anti-Aging-Wirkstoff von Traubenkernen zum Einsatz (Foto: dima_pics/stock.adobe.com)

Ausgabe 03/2024

Erhältlich ab 8. März: MEININGERS WEINWELT Ausgabe 03/2024

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Mineralischer Albariño schmeichelt Fischeintopf mit Gemüse: Das Winepairing zum Start ins Frühjahr hat sich Sommelier Emrah Isitmen aus Karlsruhe für Sie ausgedacht und damit eine Geschmackskombination für pures Atlantik-Feeling kreiert … »weiter zu Rezept & Weintipp

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