Stress raus!

Tom Heinzle, Flat Iron im Baguette (oben rechts), Hühnchen Lollipop (unten rechts) (Fotos: Markus Gmeiner)

Tom, du nennst dich Grill Roast’n Roller. Schwingt da ein bisschen Protest mit?
Ja, ein bisschen protestieren will ich schon. Ich möchte die Leute wachrütteln.

Was ist deine Ansage?
Für mich geht es beim Grillen um etwas Grundsätzliches, um eine bestimmte Haltung. Meine Art zu grillen spiegelt meine Lebenseinstellung wider. Für mich spielt es eine große Rolle, wo die Lebensmittel herkommen, mir sind artgerechte Tierhaltung und saisonales Obst und Gemüse wichtig. Aber auch Wertschätzung und Respekt. Weil ich Grillen als Erlebnis betrachte, als Gesamterlebnis, gehören dazu auch die passenden Getränke und ein stimmiges Ambiente. All dies möchte ich den Leuten gerne vermitteln.

Grillen ist mehr als ein Stück Fleisch auf den Grill zu werfen…
Ja, viel mehr. Es kann ein gesellschaftliches Erlebnis sein, kommunikativ und voller Genuss. Ich benutze gerne den Begriff der Entschleunigung, weil er etwas für mich ein essentiellesBedürfnis transportiert. Für viele Menschen ist es doch eine Herausforderung, mal zur Ruhe zu kommen, abzuschalten, zu genießen – eben zu entschleunigen. Bei einem guten Essen und guten Gesprächen kann das gelingen.

Das beste Stück: Ein Flat Iron wird aus der Rinderschaufel geschnitten. (Foto: Markus Gmeiner)

Dir wird der „Tom-Style“ nachgesagt. Was genau ist das?
Der „Tom-Style“ – das ist wohl meine ganz eigene Art, Einflüsse aus verschiedenen Kulturen zu kombinieren und zu interpretieren.

Es ist ja etwas Archaisches, das Grillen, eine uralte Garmethode eben. Wie geht’s dir denn so, wenn du am Grill stehst?
(lacht) Ich bin vor allem fasziniert vom Feuer. So wie es viele andere Menschen ähnlich empfinden. Feuer hat etwas Wärmendes, Anziehendes. Was vor tausenden Jahren vor allemzweckmäßig war, also das Zubereiten von Speisen am offenen Feuer, ist heute natürlich sehr komfortabel und wird vor allem mit Genuss assoziiert.

Kann denn jeder Grillen?
Im Prinzip schon. Das hängt vom Anspruch ab. Auch eine gut gegrillte Wurst ist etwas Feines.

Und das Equipment, welche Rolle spielt das?
Eine gute Ausrüstung ist nicht alles, kann aber sehr hilfreich sein. Gerade für Ungeübte. Ein Grill mit guter Hitzeverteilung unterstützt ein gutes Ergebnis.

Was rätst du Anfängern?
Bloß nicht unter Druck geraten. Statt Hektik ist Geduld angesagt. Dazu ist eine gute Vorbereitung absolut notwendig. Heißt: Wissen, was man will. Einen Plan haben. Den Gästen vorab Fingerfood zu reichen, nimmt sofort Stress raus. Ein Menü ist wunderbar geeignet, das Grillen als Erlebnis zu zelebrieren. Und vor allem als Gastgeber nicht pausenlos am Grill zu stehen.

Ein Menü? Das ist doch was für Profis.
Nein, nein. Zunächst heißt das ja nur, eine Speisenabfolge anzubieten. Die Rezepte dafür müssen keineswegs kompliziert sein. Als Vorspeise eignen sich kleine Würstchen mit einer Currysauce oder Fischfilet mit Gemüse in der Folie. Der Hauptgang kann ein kurzgebratenes Steak sein und als Dessert passen gegrillte Ananasscheiben, die zuvor in Rum und Rohrzucker eingelegt waren, dazu eine Kugel Vanilleeis. Fertig ist das Menü. Toll daran ist, dass ich auch als Gastgeber Zeit finde, mich meinen Gästen zu widmen und den Abend selbst zu genießen.

Toms Spare Ribs (unten links), Rosmarin und Thymian (unten rechts): Tom Heinzle verwendet für seine Rezepte am liebsten, was gerade wächst. (Fotos: Markus Gmeiner)

Wie ging das bei dir los mit dem Grillen?
Naja, die ersten Würstchen habe ich als Jugendlicher am Baggersee gegrillt… und auch wenn ich immer ein begeisterter Hobbykoch war und sicher über einen ausgeprägten Geschmackssinn verfüge, hat erst ein Grillseminar, das ich vor etwa 15 Jahren bei einem Grillweltmeister aus Liechtenstein besucht habe, das entscheidende Aha-Erlebnis gebracht. Was ich da gegessen habe, hat für mich tatsächlich alles verändert.

Du schreibst Bücher über das Grillen, zu Themen wie Winter, Wild oder Vegetarisch. Wie findest du diese Themen? Spürst du Trends auf?
Nein, es sind meine eigenen Themen. In meiner Familie gibt es Vegetarier, für die ich grille. Auch für Leute, die kein Fleisch essen, ist Grillen absolut interessant. Das Thema Winterhabe ich aufgegriffen, weil das Grillen für mich keine saisonale Erscheinung ist und damit überhaupt nicht gebunden ist an Jahreszeiten. Wild ist für mich Herzenssache.

Herzenssache?
Ja. Wildfleisch ist kein Fleisch aus Massentierhaltung. Die Tiere wachsen weder mit Stress auf, noch sterben sie unter Stress. Sie werden mit einem Schuss getötet, an dem Ort, wo sie zufrieden waren. Das macht sich in der Qualität des Fleisches bemerkbar. Es ist deutlich weicher, zarter und insgesamt ausgewogen. In der Verarbeitung spüre ich das ganz klar. Industriefleisch zu verwenden, vermeide ich ausdrücklich.

Trends sind dir egal.
Ja, tatsächlich. Wichtiger sind Hingabe, Zuwendung und Respekt bei der Zubereitung von Speisen. Das gilt für die Zucchini und das Steak gleichermaßen.

"Ich sag immer: Grillen ohne Bier funktioniert. Ist aber sinnlos", Tom Heinzle, Profi-Griller. (Foto: Markus Gmeiner)Jetzt mal zum Bier. Mit oder ohne?
Mit.

Bier und Gegrilltes – warum passt das so gut?
So genau weiß ich das gar nicht. Ich sag immer: Grillen ohne Bier funktioniert. Ist aber sinnlos.

Ablöschen ist nicht, oder?
Auf gar keinen Fall. Ich finde auch, dass Bier sich wenigergut als Zutat für Grillrezepte eignet, es hat einfach zu viele Bitterstoffe. Für mich gehört Bier ins Glas. Es ist ein wunderbarer Begleiter!

Für alle, die weder Sommelier noch besonders zimperlich sind: Welches Bier geht zu Gegrilltem immer?
Ein dunkles Bier harmoniert immer. Die Malzaromen passen gut zu den Röstaromen, die beim Grillen entstehen.

So eine unbekümmerte Gartenparty, auf der ganz nebenbei auch gegrillt wird, die hat doch was. Dir ist das Drumherum ziemlich wichtig. Du magst Tafelkonzepte. Muss das sein?
Tafelkonzept klingt gleich so streng, so steif. Ich meine damit ein stimmiges, wertiges Ambiente, eins, das die Speisen in Szene setzt. Denn damit schließt sich für mich der Kreis, Lebensmittel voller Respekt zu behandeln und sie in schöner Atmosphäre zu genießen.