Nein, der Name ist nicht Programm, auch wenn alle Beteiligten gerne damit kokettieren. Doch die Berliner Weinhandlung Suff bewegt sich mittlerweile in Dimensionen, die einen nüchternen Blick auf Zahlen und Strategien verlangen. Konventionell muss man deswegen noch lange nicht werden.
Der steile Aufstieg begann mit einem flauen Gefühl. Schon sieben Jahre hatten die Berliner Weinbegeisterten Ludolf Artymowytsch und Oliver Koschate mit ihrer Firma Naturgenuss erfolgreich Bioweine im Berliner Markt an Handel und Gastronomie vertrieben, als sie 2006 eine gewisse Unruhe verspürten. »Wir waren ein kleines Rädchen in einem ziemlich großen Getriebe«, erinnert sich Artymowytsch an die Zeit, als er und seine Kollegen als Repräsentanten des Bremer Bio-Distributeurs Vivolovin die rasant wachsenden Berliner Bio-Ketten LPG und Bio Company mit Wein versorgten.
»Der ironische Bruch funktioniert nur, wenn der Laden und das Sortiment wirklich gut sind«
»Also haben wir die Gelegenheit ergriffen, die Kreuzberger Weinhandlung Suff zu übernehmen und uns ein Standbein im Einzelhandel zu erarbeiten.« Und Arbeit gab es reichlich. »Wenn Du Suff heißt, darfst Du keinen Durchschnittsladen haben. Der ironische Bruch funktioniert nur, wenn der Laden und das Sortiment wirklich gut sind«, rekapituliert der 2006 dazugestoßene Christian Schoßau.
Es galt einiges an Arbeit in die Renovierung der seit 1989 bestehenden Kiez-Weinhandlung zu stecken. Allein ein Jahr tüftelten Schoßau und Co. am neuen Markenauftritt mit dem Claim »Schöner Trinken – Weinhandlung Suff«.
Das Ergebnis ist besonders.
Suff ist eine Marke, deren Inszenierung mit Engelsflügeln im Logo und Heiligenbildern im Laden so gut funktioniert, weil sie nicht inszeniert wirkt. Patina statt Hochglanz ist das Mittel, mit dem es gelang, Grund und Struktur in das Ladengeschäft zu bringen und trotzdem den schnoddrigen Charme des SO36-Kiezes rund um die Oranienstraße und den Heinrichplatz zu erhalten.
n auf den Fuhrpark der Schwesterfirma Naturgenuss pinselten, fuhren bald Lieferwagen mit dem markanten Suff-Logo durch die ganze Stadt. Berlin-Touristen und auch Einheimische teilen seitdem Selfies vor diesen rollenden Werbeplakaten in großer Zahl auf sozialen Kanälen. So erlangte die Weinhandlung überregionale Bekanntheit.
Eine Reihe strategischer Entscheidungen machten dann aus einem florierenden Groß- und Einzelhandel einen der Eckpfeiler der Berliner Weinkultur. Zunächst entschieden die Suff-Köppe – dieser Titulierung können die Inhaber aus naheliegenden Gründen nicht entkommen – 2011 für den Schritt in die neu gestaltete Markthalle Neun.
Das kombinierte Einkaufs- und Gastronomieobjekt in der Kreuzberger Eisenbahnstraße brachte es vor allem mit dem Event »Street Food Thursday« in kurzer Zeit zu großer Reichweite. Suff mietete sich mit einer Handlung samt Ausschank ein. »Die Markthalle Neun ist ein Durchlauferhitzer für junge Kulinariker«, erläutert Schoßau. Darunter befänden sich viele junge Ex-Pats, die hier ihre erste Berührung mit Berlins lebendiger Foodie-Szene hätten
»Unsere Bekanntheit ist 2011 noch einmal sprunghaft gestiegen«, resümiert Schoßau, der mit seinen Mitstreitern 2019 noch eine weitere Fläche in der Halle mieten konnte. Die darauf eingerichtete Naturweinbar und -handlung heißt »Drunk by Nature«. Mit einer Mehrmarkenstrategie hat das Suff-Team indes Erfahrung. Schon bei der Übernahme der Weinhandlung Hertz mit Filialen in Charlottenburg und Wilmersdorf 2017 blieb der Name erhalten, ergänzt um das Suff-Motto »Schöner Trinken«.
Diversität führt zum Erfolg
Die Firma Naturgenuss existiert derweil weiterhin, tritt nach außen aber nicht als Marke auf. Über dieses Unternehmen fungiert das Suff-Team seit vielen Jahren quasi als outgesourcte Weinabteilung der Bio Company mit ihren 64 Märkten. Auch die Repräsentanz für die Bremer Vivolovin gehört noch zum Portfolio. Die letzte Neuerung war die – durch die Corona-Pandemie beschleunigte – Errichtung eines Webshops. Im Zuge dessen nahmen die vier Gesellschafter Paul Truszkowski als fünften im Bunde auf. Neben der Digitalstrategie verantwortet dieser gemeinsam mit Christian Schoßau das Marketing sowie das Sortiment der Einzelhandels- und Gastronomiesparte. »Wir haben die Verantwortung unter den Gesellschaftern aufgeteilt«, erläutern Schoßau und Truszkowski im Gespräch, »aber das Geschäft besteht nicht aus kleinen Königreichen.«
Statt als Geschäftsführer der Einzelunternehmen agieren die fünf Köpfe als Experten. Ludolf Artymowytsch verantwortet die Finanzen, der 2017 dazu gekommene Detlef Obermüller die Ladengeschäfte samt Personalmanagement und Oliver Koschate das Großhandelsgeschäft bei Naturgenuss. »Wichtige Entscheidungen werden im Kollektiv gefällt, und zwar einstimmig. Abstimmungen nach dem Motto: ›Wer ist dafür, wer dagegen?‹ gibt es bei Suff nicht«, berichten Truszkowski und Schoßau.
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