Auch zwei Wochen nach den massiven Überschwemmungen und Erdrutschen in der Emilia-Romagna laufen die Aufräumarbeiten. Noch immer ist die Infrastruktur massiv beeinträchtigt. Durch die Naturgewalt zerstörte Verkehrswege machen einige Orte nahezu unerreichbar.
Unterbrochene Stromleitungen verzögern wichtige Maßnahmen. Im Mikrokosmos der Weinwirtschaft, die in der Region 53.000 Hektar Rebfläche zählt, wäre das Spritzen aktuell extrem wichtig. Doch viele Weinberge sind so durchweicht, dass sie für Traktoren unbefahrbar sind.
10 Mrd. Schäden in Emilia-Romagna
Bei einem so großen Gebiet ist es logisch, dass die Schäden sehr heterogen verteilt sind. Manche Betriebe wie z.B. die Kooperativen Caviro und Terre Cevico sind in ihren Betrieben relativ glimpflich davongekommen. »Unser Produktionszentrum ist vom Wasser verschont geblieben, aber die Funktionalität unserer Kooperative ist eingeschränkt, weil sich 30 Prozent unserer Mitarbeiter um die Überschwemmung in ihren eigenen Häuser kümmern müssen. Dazu kommen logistische Probleme im Verkehr, die unsere Lieferkette in die Krise stürzen. Seit dem 17. Mai können wir nicht abfüllen«, schildert Marco Nannetti, Präsident von Terre Cevico gegenüber dem Gambero Rosso die Lage.
Stefano Bonaccini, Präsident der Emilia-Romagna, beziffert die Schäden auf bis zu 10 Mrd. Euro, inklusive der Folgekosten durch Produktionsausfälle. Die Regierung hat ein Hilfspaket von 2 Mrd. Euro verabschiedet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war während ihres Besuches in der Emilia-Romagna so bestürzt, dass sie Unterstützung aus EU-Fonds zusagte. Aber das dauert. Vorher muss eine Bedarfs- und Schadensanalyse erstellt werden.
Wenig Hilfe auf Deutschland
Zudem sind unzählige private und institutionelle Hilfsaktionen gestartet – in Italien. Von Deutschland aus ist noch keine konzertierte Unterstützungsinitiative gestartet.
Die Weinbranche hat sicher noch das Leid der Ahr-Katastrophe vor Augen, aber für die Kollegen in der Emilia-Romagna ist, zumindest im öffentlich sichtbaren Bereich, noch nicht einmal moralische Unterstützung ausgesprochen worden.
Zwar hat sich der Verein Aktion Deutschland zum Thema gemeldet, bittet aber eher generisch um Spenden unter dem Stichwort »Nothilfe weltweit«. Die Spendenseite hat eine Kampagne gestartet, bisher aber null Euro des Ziels von 20.000 Euro eingefahren.
Das Land Hessen hatte als erste Stimme sofort unbürokratische Unterstützung angeboten, schließlich ist die Emilia-Romagna seit 1992 Partnerregion und die Kontakte sind eng. »Wir sind im Daueraustausch mit unseren Ansprechpartnern in der Emilia-Romagna, aber es ist noch zu keiner Lieferung gekommen. Wir haben in Hessen gigantische Wasserpumpen, die wir den Katastrophengebieten angeboten haben. Sie waren auch an der Ahr im Einsatz. Bis jetzt haben die entsprechenden Stellen noch nichts eingefordert, aber die Lage kann sich ändern. Unsere Gesprächspartner sagen, dass der Zivilschutz in der Emilia-Romagna sehr gut organisiert ist und große Arbeit leistet, es sei aber in der derzeitigen Situation schwer spontane Hilfseinsätze aus dem Ausland zu organisieren. In bestimmten Lagen kann auch ein noch so gut gemeintes Angebot nicht viel ausrichten, wenn man im Wege steht. Wir bleiben jedenfalls am Ball und sind für die Emilia-Romagna da, wenn sie uns braucht«, berichtet René Brosius, Pressesprecher der Hessischen Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Lucia Puttrich, auf Anfrage von WEINWIRTSCHAFT. Am einfachsten hilft man mit Geld, aber zum Spendenaufruf ist es in Hessen noch nicht gekommen.
Unter den fast 20.000 Mitgliedern der sehr aktiven Facebook-Gruppe »Hauptsache Wein« weiß niemand etwas über irgendwelche Hilfsaktionen für das italienische Katastrophengebiet. Selbst Dirk Würtz (St. Antony), der auch als Administrator der Gruppe Großes für die Ahr-Winzer geleistet hat, ist keine Unterstützung innerhalb der Branche bekannt. »Aber falls es etwas gibt, gerne Bescheid sagen. Ich würde dann versuchen, das breit zu streuen«, so Würtz.
Spendenaktionen in Italien
In Italien hat die Vereinigung »Citta del Vino«, ein Zusammenschluss von 430 Weingemeinden, Spendenaktionen organisiert, mit denen man zwei der betroffenen Mitgliedsgemeinden konkret unterstützen kann: Die Stadt Bertinoro sammelt Spenden unter dem Betreff »Donazione emergenza alluvione«, IBAN IT 91 K 03069 13298 100 000 300 017, BIC-Swift BCITITMM, Empfänger ist die Comune di Bertinoro. Die Comune Mercato Saraceno bittet unter »Donazione per alluvione Mercato Saraceno Maggio 2023« um Unterstützung, Credit Agricole Italia S.P.A. filiale di Mercato Saraceno IBAN: IT 89 Q 06230 67850 000030037594, BIC-Swift: CRPPIT2P073.
Auch Slowfood Italien hat ein Spendenkonto eingerichtet, unter dem Stichwort »Emergenza in Emilia-Romagna« bei der Banca Sella, IBAN IT 73 B 03268 46040 0529044 02311, Empfänger Slow Food Italia Aps. Slow Food verspricht, über die Verwendung eines jeden gespendeten Euro Rechenschaft abzulegen.
Der größte gemeinsame Nenner für Direkthilfe in den Katastrophengebieten ist der Zivilschutz der Emilia-Romagna. Er veröffentlicht ebenfalls Spendenhöhen und den Gebrauch des Geldes. Empfänger ist die AGENZIA REGIONALE SIC.T. PROTEZIONE CIVILE EMILIA ROMAGNA, Betreff »ALLUVIONE EMILIA-ROMAGNA«, IBAN IT69G0200802435000104428964, BIC-Swift: UNCRITM1OM0.
Italienische Weinbranche wenig konzertiert
Auch auf italienischer Seite gibt es keine gemeinsame Initiative von Winzern oder Branchenverbänden, die ihre Solidarität mit den Kollegen in Wort und Tat umsetzen. Selbst die Vereinigung der unabhängigen Winzer FIVI (Federazione Italiana Vignaioli Indipendenti) hüllt sich in Schweigen. Dafür haben Tausende Menschen aus Nachbarschaftsdörfern und aus ganz Italien beim Aufräumen geholfen, man nennt sie in Italien »angeli del fango«, die Schlammengel.
Einzelne Unternehmen engagieren sich aber für die Hilfe in der Region. Vielleicht am prominentesten ist die Aktion des Trentodoc-Erzeugers Ferrari, das eine Jeroboam mit Unterschriften von den Rennfahrern der diesjährigen Weltmeisterschaft versteigert. Fünf Tage vor Auktionsende stand das Höchstgebot am 1. Juni 2023 bei 9.000 Euro. VC
