Bei der offenen Gärung wird die Hefe in Form von Kräusen sichtbar, die sich an der Oberfläche bilden. Foto: Schneider Weisse
Bei der offenen Gärung wird die Hefe in Form von Kräusen sichtbar, die sich an der Oberfläche bilden. Foto: Schneider Weisse

„Die Hefe streicheln“

Mit der Initiative und dem Siegel „Bayerische Edelreifung“ wollen die Brauereien Erdinger, Schneider und Maisel die Besonderheit des zweifach gereiften bayerischen Weißbieres herausstellen. Im Interview erklärt Jeff Maisel den Unterschied zum Standardverfahren, wie wichtig vitale Hefe ist und was das alles mit Champagner zu tun hat.

Interview: Benjamin Brouër

Bei der Bayerischen Edelreifung handelt es sich um ein traditionelles Brauverfahren, das seit Generationen gepflegt wird. Warum braucht es dafür heute ein eigenes Label und eine eigene Kampagne?
Jeff Maisel: Es hat schon meinen Vater und meinen Onkel damals gewurmt, dass dem Verbraucher letztlich nicht voll bewusst ist, welche Liebe und Leidenschaft wir in das Weißbier legen und welches komplexe und zeitintensive Herstellungsverfahren wir anwenden. Der Champagner hat es uns Weißbierbrauern immer vorgemacht, was gute Kommunikation bewirken kann. Wir haben das bislang nicht geschafft.

Nun haben sich gleich drei der führenden Weißbierbrauereien zusammengetan, dies zu ändern…
Ja, alleine geht so etwas nicht. Und jetzt haben eben endlich die richtigen Menschen zusammengefunden, um das gemeinsam anzugehen. Dass drei Brauereien, die im Markt auch Wettbewerber sind, sich für solch eine Initiative zusammenzutun, ist schon bemerkenswert. Endlich sind wir wieder Brauer und Qualitätsfetischisten und haben alles andere beiseiteschieben können, um bayerisches Weißbier nach vorne zu bringen. Um dem Verbraucher die Braukunst zu vermitteln, die seit Generationen übertragen wird.

Dann zur Sache: Was ist das Besondere an den Weißbieren nach bayerischer Edelreifung? Was unterscheidet Ihre Biere von anderen Weißbieren?
Vorweggeschickt: Es geht uns dabei nicht um besser oder schlechter, letztlich bleibt es ohnehin immer Geschmackssache. Wir glauben aber, dass durch unser Verfahren eine intensivere Aromatik entsteht. Im Kern geht es darum, dass die Biere zweimal gären, wir geben also doppelt Hefe dazu. Wir sprechen davon, dass die Biere zweifach kultiviert sind. Zunächst kommt es zu einer offenen Gärung, bei der die Kohlensäure erst einmal entweicht und ein gewisses Aromapotenzial eingestellt wird. Dann wird diese Hefe, die ihre Arbeit bereits geleistet hat, entfernt. Anschließend geben wir neue Hefe hinzu sowie Zucker in Form von frischer Würze. Das Ganze wird dann einer zweiten Gärung unterzogen und – weder kurzzeiterhitzt noch pasteurisiert – direkt auf die Flasche bzw. das Fass gefüllt. Das heißt, in der Flasche befinden sich lebendige Hefen, die ein anderes Aroma und ein anderes Reifungsverhalten ergeben. Das Bier entwickelt sich in der Flasche also noch weiter – ein enormes Aromapotenzial, das wir für unsere Biere wünschen.

Und ein Weißbier nach „Standardverfahren“…?
Beim schnelleren Standardverfahren gären die Biere im ZKT, wo auch der Kohlensäuregehalt eingestellt wird. Dann geht das Bier über den Separator mit Bypass, um die Hefe einzustellen, anschließend wird es kurzzeiterhitzt oder – bereits abgefüllt – in der Flasche pasteurisiert. Das Bier ist mit der Abfüllung also fertig, es passiert nichts mehr, die Aromatik verändert sich nicht. Verglichen damit dauert die bayerische Edelreifung deutlich länger, ist deutlich aufwändiger und teurer. Umso blöder, wenn man dies nicht entsprechend kommuniziert.

Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel (Foto: Brauerei Gebr. Maisel)
Jeff Maisel, Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel (Foto: Brauerei Gebr. Maisel)

"Neben der intensiveren Aromatik ist es vor allem die Kohlensäure, die den Unterschied macht."

Jeff Maisel,
Inhaber der Brauerei Gebr. Maisel (Foto: Brauerei Gebr. Maisel)

Machen sich diese Mühen geschmacklich bemerkbar? Woran erkenne ich in einem Blindtasting ein Weißbier nach bayersicher Edelreifung?
Neben der intensiveren Aromatik ist es vor allem die Kohlensäure, die den Unterschied macht. Während der Reifung in der Flasche steigt der Kohlensäuredruck, die Kohlensäure wird sehr fein eingebunden, ähnlich wie beim Champagner. Dies führt zu einem sehr sämigen Weißbier mit weichem Geschmackseindruck.

Die wichtigste Rolle bei der Reifung spielt die Hefe. Worauf achten Sie dabei besonders?
Die Hefe hat einen enormen Einfluss auf den Geschmack, deshalb tun wir alles, damit es ihr gut geht. Unsere Hefetechnologie ist sehr aufwändig: Wir müssen zu 100 % vitale Hefe aus der Hefevermehrung bekommen, um das gewünschte Aroma darzustellen und weil wir keine Pasteurisation haben. Wenn die Hefe nur zu 90 % vital wäre, käme es zur Hefe-Autolyse, was einen schlechten Geschmackseindruck hinterlässt.

Was bedeutet das für die Arbeit der Brauer?
Der Braumeister vor Ort muss Feingefühl beweisen und sehr sauber arbeiten, die Hefe muss wirklich in einem Top-Zustand sein. Kurz: es lässt sich eben kein Standard einstellen, der einfach durchgezogen wird. Schon kleine Schwankungen in der Malzqualität und damit im Vergärungsgrad können entscheidend sein. Wir müssen das Malz genau analysieren, dann richtig dosieren und zusammenstellen, damit aus den verschiedenen Chargen ein einheitliches Produkt entsteht. Und natürlich die Hefe ständig streicheln, damit sie Lust zum Vergären hat.

Welche Faktoren spielen neben der Hefe noch eine Rolle?
Die Zeit. Durch die doppelte Gärung und die zusätzliche Reifung in der Flasche dauert das Verfahren deutlich länger. Das bedeutet: Wir brauchen mehr Lagerfläche für Tanks und eben auch für die Flaschenreifung. Außerdem müssen wir stets den Kohlensäuregehalt im Blick haben. Diese Faktoren machen den ganzen Prozess aufwändig. All diese Themen habe ich nicht, wenn ich über das Standardverfahren braue.

Sie machen es sich aber ganz bewusst schwer…
Wir und auch die anderen Brauereien haben natürlich schon einmal überlegt, ob und wie man es sich einfacher machen könnte. Letztlich haben wir aber festgestellt: Den Geschmack, den wir uns für unser Weißbier wünschen, den bekommen wir eben nur mit dieser doppelten Reifung hin. Diese Liebe zum Detail, diese aufwändige Aufgabe des Brauers wird am Ende durch das besondere Aroma gewürdigt. Kurz: Dieses Verfahren ist den gesamten Aufwand wert.

 

Info
Bayerische Edelreifung – das Siegel

„Bayerische Edelreifung – zweifach kultiviert“ – dieses Qualitätssiegel mit blauer Doppelraute im Herzen und Weizenähre im Kranz steht für traditionelle bayerische Braukunst mit doppelter Reifung. Zu finden ist es vorerst nur auf den Flaschen der drei Initiatoren, der Brauereien Erdinger Weissbräu, Schneider Weisse und Gebr. Maisel. „Doch auf Dauer soll dies kein reines Erdinger-Schneider-Maisel-Siegel bleiben“, so Jeff Maisel. Zu einem späteren Zeitpunkt, allerdings nicht vor 2023, sollen sich auch alle anderen bayerischen Brauereien, die nach dem besonderen Verfahren ihre Biere brauen, der Initiative anschließen und das Siegel verwenden können. Denn Ziel sei, eine möglichst breite Bekanntheit zu erreichen. Zunächst aber wollen die Gründer „erst einmal die Hausaufgaben machen“ und die Grundlagen legen.

www.bayerische-edelreifung.com

Zum Start der Initiative findet sich das Siegel auf den Flaschen der Gründer, also der Brauereien Schneider, Erdinger und Maisel.
Zum Start der Initiative findet sich das Siegel auf den Flaschen der Gründer, also der Brauereien Schneider, Erdinger und Maisel.
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