Alexander Reiss, Betriebs- und Vertriebsleiter der Klosterbrauerei Andechs. (Foto: Klosterbrauerei Andechs)
Alexander Reiss, Betriebs- und Vertriebsleiter der Klosterbrauerei Andechs. (Foto: Klosterbrauerei Andechs)

"Wir laufen keinem Hype hinterher"

Alexander Reiss, Betriebs- und Vertriebsleiter der Klosterbrauerei Andechs, erklärt im GZ-Interview, was es mit dem Boom bei Hellem auf sich hat und wie Andechs als Spezialitätenbrauerei davon profitiert.

Warum boomt Helles?

„Ausgefeilte und sehr oft auf „Retro“ getrimmten Marketing-Konzepte machen sicher auch den Erfolg der hellen Biere aus. Fakt ist aber auch, dass unter der Bezeichnung „Hell“ eine breite Sortenvielfalt für eine große Zielgruppe zusammengefasst ist. Diese Vielfalt hat wichtige Gemeinsamkeiten: Stammwürzegehalt von 11 - 12 Prozent, Alkoholgehalt von ca. 5 Volumenprozent bei rund 20 Bittereinheiten. Die grundsätzlich untergärigen und meist klar gefilterten Biere unterscheiden sich je Farbe und Charakter der eingesetzten Gerstenmalze und nach der Auswahl aus einer immer größeren Vielfalt an Hopfensorten.“  


Wie erfolgreich hat sich das „Andechs Hell“ im vergangenen Jahr entwickelt?

Schon lange vor Beginn des so genannten „Hell-Booms“ konnten wir uns über eine organische und nachhaltige Entwicklung von unserem Andechser Hell freuen. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren weiter verstetigt. Wir machen heute die Erfahrung, dass unser Helles nicht auf ein bestimmtes Gebinde und ein Retro-Etikett angewiesen ist, um am Markt erfolgreich zu sein. Seine charakteristische etwas stärkere Hopfung haben wir über die Jahre nie verändert. 


Wie viel Potenzial hat Helles vom Marktvolumen her?

„Die Einen trauen dem Segment ja einen deutlich zweistelligen Marktanteil zu, wenn sich die Entwicklung so fortsetzt. Die Anderen sind deutlich vorsichtiger und fragen manchmal schon hinter vorgehaltener Hand, welche Sorte bzw. welches Segment als nächstes „gehypet“ wird.

Wir in der Klosterbrauerei Andechs schauen auf uns. Wir laufen keinem Hype hinterher, sondern identifizieren wirklich nachhaltige Entwicklungen und brauen dann Andechser Klosterbiere mit unserem eigenem unverwechselbaren Charakter, wie das Andechser Hell. Das braucht Zeit und – ja – auch so etwas wie Muse, mal etwas auszuprobieren. Dabei haben wir einen großen Vorteil. Unser Eigentümer ist eine klösterliche Gemeinschaft, die in Dekaden und nicht in Quartalen denkt. Die Mönche lassen uns Zeit und stellen Ressourcen zur Verfügung, um diese langfristige Strategie Schritt für Schritt zum Erfolg zu führen: wie bei der Einführung unserer Weißbiere 1993 und 1997, unseres alkoholfreien Weißbieres 2016, unseres Weizenbocks und naturtrüben Radlers 2020.“


Welche Segmente haben durch den Boom der Hellen aus Ihrer Sicht an Boden verloren oder werden unmittelbar tangiert?

„Es ist für mich nicht ausgemacht, dass die derzeit im Handel eher weniger nachgefragten Export- und anderen Biere „Opfer“ des Hell-Booms sind. Ich bin gegenüber solchen Erklärungsversuchen immer skeptisch gewesen und bin es auch jetzt. Hier spielen so viele verschiedene Faktoren eine Rolle, gerade in einem schrumpfenden Gesamtmarkt.
Für uns hat es sich immer wieder ausgezahlt, uns als echte von einer lebendigen Ordensgemeinschaft getragene Klosterbrauerei zu positionieren: mit einem klaren Geschmacksprofil unserer Klosterbiere und einer stimmigen realen Markenwelt in Andechs am Heiligen Berg Bayerns.“  


Welches Gebinde ist das richtige für Helles: NRW-, Individual- oder Euro-Flasche?

„Für ein gutes Helles gibt es nicht das einzig und allein „richtige“ Gebinde. Wir wissen heute, dass unser Andechser Hell nicht nur allein auf ein bestimmtes Gebinde angewiesen ist, um erfolgreich zu sein. So wichtig Produktmarketing auch ist: Es kann nur so glaubwürdig und erfolgreich sein, wie das Produkt selbst Qualität hat und eine Geschichte erzählt.“

Interview: Pierre Pfeiffer

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GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.