Schluss mit Gender-Marketing!

Es ist doch ganz klar – die Welt kann in zwei Farben eingeteilt werden: Blau und Rosa. So zumindest sieht es die Babyausstattungs-Industrie. Doch während die Jungs dem Babyblau schnell entwachsen, haftet die rosarote Glitzerwelt den Mädchen ein Leben lang an. So bemühen sich Unternehmen aller Branchen diese Farb-Geschlecht-Verknüpfung in ihren Werbekampagnen effektvoll einzusetzen.

Auch die Weinindustrie spricht Frau zu gerne mit ihrer vermeintlichen Lebenswirklichkeit an. Und so glitzern die Prosecco-Flaschen im Supermarktregal um die Wette, in Werbespots tanzen Frauen beim Mädels-Abend auf Sofas – hach, diese nette, gephotoshoppte und immer leicht erotisierte Vorstellung von der Pyjama-Party, wo die Frauen so ganz unter sich sind und über Make-Up und die Jungs schnattern.

Ganz neu im Reigen der Geschlechternormen reproduzierenden Artikel ist die »Pussybrause«. Das ist ein Secco in weiß und rosé von der Mosel, dessen Ausstattung jedem Hello-Kitty-Umhängetäschchen Konkurrenz macht. Dieser prickelnde Vino sei, so ist in der Pressemitteilung zu lesen, »der ideale Begleiter für unterhaltsame Stunden mit Katzenliteratur.« Das lasse ich mal so stehen. 
 

 

Alexandra Wrann, Redaktion WEINWIRTSCHAFT
Alexandra Wrann, Redaktion WEINWIRTSCHAFT

Hinter dem Produkt steckt im Übrigen eine Frau. Und dann kann es sich ja auch nicht um Sexismus handeln – oder? Das ist ein bisschen wie: »Ich kann kein Rassist sein, einer meiner Freunde ist schwarz.« Die Absurdität dieser Kausalität hat der Komiker Aurel Mertz auf den Punkt gebracht: »Ich kann gar nicht schwarz sein, einer meiner Freunde ist sogar Rassist!«

Dabei glaube ich gar nicht an einen systematischen Sexismus, der in den Marketingabteilungen den Ton angibt. Nein, das Problem ist ein anderes: ein unsäglicher Mangel an Kreativität, Innovation, Inspiration. Der Holzhammer schwingt sich schließlich schnell und einfach. Und ist sicherlich auch billiger.

Das Ganze geht übrigens auch umgekehrt: Erst vor wenigen Monaten wurde ein »Männer-Rosé« gelauncht, bei dem offen bleibt, was ihn denn so männlich macht. Vielleicht die vermeintlich maskulinen Cabernet-Sorten oder Syrah? Mit einem Barbecue-Grill auf dem Etikett wäre dieser Zusammenhang für uns alle vielleicht leichter herzustellen gewesen.

Aber ist diese Strategie Unternehmen überhaupt vorzuwerfen? Schließlich sprechen sie doch nur ihre definierte Zielgruppe marketing-gerecht an. Oder?

Eben nicht. Wir leben im 21. Jahrhundert. Geschlechter-Klischees reproduzieren – das ist längst überholt. Hello-Kitty-mäßige Labels und Mädels-Abende promotende Brands sollten der Vergangenheit angehören. Konzentrieren wir uns doch lieber auf das Produkt. Seine Qualität, seinen Geschmack. 

Klar: Das Auge trinkt mit, ein Etikett kann eine Kaufentscheidung beeinflussen. Aber wie wäre es, liebe Marketing-Abteilungen, wenn ihr einfach auf eine geschlechter-neutrale Ausstattung setzt? Pfiffige, eingängige Markennamen und innovative Designs, die sich nicht nur an Männer oder Frauen wenden, sollten so schwer nicht zu kreieren sein. Und ganz nebenbei spricht das Produkt dann auch gleich doppelt so viele Menschen an.

Alexandra Wrann
Redaktion WEINWIRTSCHAFT

Schlagworte

Ausgabe 9/2024

Themen der Ausgabe

Wein im Klimawandel (Serie): Standorte

Wo wird Wein in Zukunft wachsen – und wo nicht?

50 Jahre Mainzer Weinbörse

Die bewegte Geschichte der Premium-Verkostung.

VDP-Vorverkostung

Die besten Weine der diesjährigen Weinbörse. Vorab probiert und für Sie bewertet.