Trotz durch Krisen gezeichneter Bilanz sieht sich das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2023/2024 gut gerüstet. (Foto: Parradee - stock.adobe.com)
Trotz durch Krisen gezeichneter Bilanz sieht sich das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2023/2024 gut gerüstet. (Foto: Parradee - stock.adobe.com)

Reh Kendermann mit durchwachsener Bilanz

Die Bingener Weinkellerei Reh Kendermann hat im vergangenen Geschäftsjahr (1. Juli 2022 bis 30. Juni 2023) nach eigenen Angaben ein Minus von 3 Millionen auf 87 Millionen Euro Umsatz hinnehmen müssen. Das Unternehmen blicke aber zuversichtlich in die Zukunft: Aktuell starten die Rheinhessen eine strategische Partnerschaft mit dem Weingut Vollmer aus der Pfalz. Der Hauptsitz von Reh Kendermann soll durch Investitionen weiter gestärkt werden, heißt es.

Turbulentes Geschäftsjahr 2022/2023

Inflation, steigende Rohstoffkosten und hohe Zinsen sowie ein volatiles Verbraucherverhalten: Das sind die Parameter, die sowohl für Reh Kendermann als auch für die gesamte Weinbranche das vergangene Geschäftsjahr 2022/2023 (1. Juli bis 30. Juni) prägten. Umsatz- und absatzmindernd hätte sich zusätzlich nach Angaben der Bingener Weinkellerei der Wegfall von Handelsware aus Italien und der Ausstieg bei einem Discounter ausgewirkt. Dennoch sei es dem Unternehmen gelungen, wichtige Erfolge in der Distribution zu erzielen und Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

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Mit der Black Tower Club Edition möchte Reh Kendermann auch hierzulande beim Verbraucher erstmals punkten. (Foto: Reh Kendermann)

Die Branche kämpfe aufgrund der generell gestiegenen Preise mit einem starken Konsumrückgang, was Marktzahlen bestätigen. Daher soll es das Ziel sein, das Kulturgut Wein zu stärken, die Qualität hoch zu halten und die Verbraucher und Verbraucherinnen für Wein wieder zu gewinnen: "Der Preisdruck muss sinken, der Wert des Produktes wieder im Vordergrund stehen. Das gilt für alle Akteure", appelliert Geschäftsführer Alexander Rittlinger. 

Auslandsgeschäft belastet besonders die Weinkellerei

Vor allem das Auslandsgeschäft habe das Geschäftsjahr der Kellerei besonders belastet. Nach
wie vor exportiert Reh Kendermann in 39 Länder. Das Asiengeschäft habe sich laut Rittlinger
"deutlich erholen können", vor allem China habe sehr erfreulich zugelegt. Hingegen tat sich
die Weinkellerei  eigenen Angaben zu folge mit dem Nordamerikageschäft schwer. "Der wichtige kanadische Markt litt überproportional", so Rittlinger.

Auch die skandinavischen Länder hätten  sich rückläufig entwickelt. Vor allem in Schweden und in Norwegen seien die Binger mit Black Tower eigentlich tief verwurzelt. Doch ein rückläufiger Absatz und der Wechselkurs sollen spürbar auf den Ertrag gedrückt haben. Ursächlich für die Kaufzurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher seien für Alexander Rittlinger eindeutig
die hohe Inflation, gestiegene Logistikkosten und Steuern gewesen. "Mit der aktuell
sinkenden Inflation steigt auch gerade wieder der Absatz", erläutert der Geschäftsführer.

An Fahrt zunehmen sollen die Geschäfte im Baltikum, allen voran in Estland, heißt es seitens des Unternehmens. Der britische Markt sei für Reh Kendermann traditionell ein sehr bedeutender.
Aufgrund der nach wie vor überaus angespannten Wirtschaftslage und der Verschiebung des Geschäfts zugunsten der Discounter, sei der Absatz bei den großen Händlern hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Auch hier habe die Kellerei die gestiegenen Kosten nur moderat und stark verzögert weitergeben können. "Mit der Beteiligung an North South Wines gelingt es uns allerdings, Schritt für Schritt tiefer in den Markt einzudringen und mit guten Konzepten zu überzeugen", führt Rittlinger aus. Dennoch bleibe der englische Markt schwierig, weil sich Lebensmitteleinzelhandel und Discounter seit Jahren regelrechte Preisschlachten liefen würden: "Wir erleben eine systematische Wertevernichtung", berichtet Alexander Rittlinger. "Solch eine
Entwicklung ist immer gefährlich."
Das erst kürzlich eingeführte neue Steuersystem für alkoholische Getränke wirbele den Markt durcheinander. Danach werden Weine und Schaumweine mit einem Alkoholgehalt unter
10,5 Prozent steuerlich bevorzugt. Alexander Rittlinger erklärt: "Das macht aktuell erfinderisch. Es wird mit aller Kraft versucht, die Produkte so zu ändern, dass weniger Steuern anfallen. Es geht schon so weit, dass in UK produzierte weinhaltige Getränke bald als ,Wein` bezeichnet werden dürfen. Das würde dem Kulturgut einen heftigen Schlag versetzen." Black Tower hat seit jeher einen niedrigen Alkoholgehalt von unter 9,5 Prozent und profitiere von dem System. Die Weinkellerei versuche nun, das Alkoholvolumen von Black Tower auf 9,0 Prozent zu reduzieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Maßnahme würde laut Rittlinger eine Ersparnis von 11 Cent je Flasche bringen.
Es gab auch positive Nachrichten aus dem Nordwesten Europas: Irland soll erfreulich zweistellig zugelegt haben und sogar das Vor-Corona-Niveau bereits
überflügeln haben. 

Premium-Fokus zahlt sich aus

In den vergangenen Jahren habe sich Reh Kendermann ganz klar auf das Premiumsegment konzentriert und für Kundinnen und Kunden im In- und Ausland Premium- und Terroirkonzepte realisiert. "Unsere Partnerinnen und Partner können sich auf hohe Qualität verlassen. Dies macht uns in der Krise weniger anfällig", erläutert der Geschäftsführer. Die Serie Weinhaus Reh Kendermann habe im Geschäftsjahr deutlich an Absatz zulegen können und habe insgesamt ein "Allzeithoch" erreicht.

Black Tower sei seit nunmehr Jahrzehnten die beliebteste deutsche Weinmarke im Ausland und für Reh Kendermann nach wie vor das wichtigste Standbein. In Folge des schwächelnden Geschäfts in Skandinavien und im Vereinigten Königreich habe allerdings auch Black Tower Verluste hinnehmen müssen. Es sei Reh Kendermann jedoch gelungen, die Marke stetig weiterzuentwickeln und neue Zielgruppen zu erschließen. Die neue Premiumlinie Black Tower Club Edition sei laut Rittlinger zwar noch hinter den Erwartungen zurückgeblieben, erfreue sich aber zunehmender Beliebtheit bei Konsumentinnen und Konsumenten unter 35 Jahren. Den Riesling und Pinot Noir Rosé ergänzten nun ein exotischer Sauvignon Blanc und ein roter St. Laurent. Alle Sorten seien trocken und vegan. Mit dieser Linie sei es in Deutschland erstmals gelungen, Black Tower landesweit zu listen. "Hier sehen wir Potenzial", betont Alexander Rittlinger. Derzeit arbeite die Kellerei an einem Relaunch der Marke Black Tower sowie an Sparkling-Varianten.

Reh_Kendermann_Strandgut
Modern, leicht und unkompliziert ist das Profil der Weinschorlen-Marke Strandgut, die im
Geschäftsjahr 2022/23 erneut Rekordabsätze verzeichnete. (Foto: Reh Kendermann)

Modern, leicht und unkompliziert,so umschreibt Reh Kendermann das Profil der Marke Strandgut, die im Geschäftsjahr 2022/23 erneut Rekordabsätze verzeichnet haben soll. Mit knapp 1,3 Millionen verkauften Flaschen zähle sie zu den Marktführern bei Marken-Weinschorlen in diesem Gebinde. Val Duna, die rumänische Weinmarke aus dem eigenen Weingut in Oprisor, sei nahezu stabil geblieben. Leicht gegenüber dem Vorjahr zulegen konnte der Absatz von Lindeman's aus Australien.

Nachhaltigkeit bleibt Herzensangelegenheit, trotz Fairtrade-Ausstieg

Nachhaltigkeit bleibe ein Kernthema für Reh Kendermann. Die Erfahrungen aus der Phase hoher Inflation zeigten jedoch: "Wenn es darauf ankommt, ist für Verbraucherinnen und Verbraucher das entscheidende Kriterium der Preis und nicht die Nachhaltigkeit", sagt Alexander Rittlinger. Dennoch: "Wir investieren weiter in PIWI-Sorten, arbeiten am Standort in Bingen an nachhaltigen Produktionsmethoden und reduzieren den Verpackungsmüll. Eine Optimierung der Schichtmodelle hat in den vergangenen Monaten Strom und Heizöl eingespart." Eine klare Absage erteilte Alexander Rittlinger hingegen dem Fairtrade-Siegel. Nach einem aufwendigen Zertifizierungsprozess habe die Kellerei dies zunächst für ihre Weine aus dem südafrikanischen Weingut Napier erreichen können. Nun steige sie nach Unternehmensangaben daraus aus. Der Grund: "Dieses Siegel ist so teuer, an jeder einzelnen Stufe wird verdient. Im täglichen Doing schließlich erzeugt es einen enormen Aufwand, den wir künftig nicht mehr leisten wollen", begründet Alexander Rittlinger diesen Schritt. "Ich bin auch nicht sicher, ob diese Anstrengungen von den Verbraucherinnen und Verbrauchern entsprechend gewürdigt werden." Der Ausstieg bedeute aber keinesfalls die Abkehr  von sozialen und ökologischen Standards: "Beides war vorher bereits wichtig und bleibt eine Herzensangelegenheit, aber die Administration bringt uns an die Grenzen", sagt Alexander Rittlinger.

Kein Freund des neuen Wein-Mehrwegsystems

Neben Nachhaltigkeitsanforderungen hätten die Branche in den vergangenen beiden Jahren insbesondere steigende Glaspreise und mangelnde Materialverfügbarkeit enorm umgetrieben. Dies sei auch im Berichtsjahr so gewesen. "Was wir erleben mussten, war wirklich sehr extrem", berichtet Alexander Rittlinger. Für 2024 erwarte er zwar eine Entspannung der Marktsituation, aber weiterhin höhere Preise als 2022. Bei Papier und Kartonagen sei die Verfügbarkeit wieder gegeben. Reh Kendermann konnte aufgrund vorausschauender Bevorratung lückenlos liefern. Aufgrund dieser Thematik sei Reh Kendermann dabei, die Komplexität und Variantenzahl zu reduzieren. Kritisch sieht Alexander Rittlinger die Überlegungen zur Einführung von Einheitsflaschen beziehungsweise Mehrwegsystemen. "Natürlich könnten wir preisgünstiger produzieren, wenn die Verpackungen einheitlich wären. Davon sind wir aber weit entfernt", so Alexander Rittlinger. Handel, Monopole, Länder: Sie alle hätten unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche. Schweden beispielsweise führe mehr und mehr die PET-Flasche ein, Kanada hingegen wolle Plastik verbieten, UK möchte ebenfalls weniger Plastik, deutsche Discounter bevorzugten Leichtglas. "Ein Rückführungsmodell von Mehrweg aus dem Ausland ist nicht finanzierbar“, bezieht Alexander Rittlinger klar Position.

Konzentration am Standort Bingen

In den vergangenen Jahren habe Reh Kendermann hohe Investitionen am Standort Bingen getätigt. Entstanden seien ein hochmodernes Tanklager mit rund 60 Gär- und Drucktanks für mehr als 5,5 Millionen Liter Wein sowie ein Casino mit Begegnungsräumen und großer Küche für Mitarbeitende und Veranstaltungen. Alexander Rittlinger sieht den Standort ideal aufgestellt für die Zukunft. Pläne für eine Erweiterung lägen in der Schublade, seien aber in Anbetracht aktuell hoher Zinsen und Baukosten derzeit kein Thema. Als gestärkt bewertet er den Standort auch durch die Entscheidung, die Kellerei in Gau-Bickelheim zu schließen. "Wir hätten dort enorm investieren müssen", so der Geschäftsführer. "Das steht in keinem Verhältnis zu den Vorteilen, die wir haben, wenn wir uns hier am Standort Bingen entsprechend ausrichten und mit Dienstleistern enger zusammenarbeiten." Weitere Investionen in Bingen seien ein neues Brandschutzsystem, die Einführung eines neuen ERP-Systems, Photovoltaik sowie neue Technik für die Füllung von alkoholfreiem Wein.

In Anbetracht der weltwirtschaftlichen Lage sei Alexander Rittlinger mit der Entwicklung der internationalen Tochtergesellschaften und Beteiligungen der Weinkellerei größtenteils zufrieden. Dies gelte insbesondere für Crama Oprisor, das rumänische Weingut von Reh Kendermann. Hier hätte Reh Kendermann Investitionen in neue Tanks und in ein Fertigwarenlager getätigt. Die Carl Reh Winery habe zwar ihr Wachstum verlangsamt, habe aber dennoch positiv abgeschlossen. Die Beteiligung an North South Wines habe sich im sehr schwierigen britischen Markt behaupten können laut Rittlinger. Yapp Brothers konsolidierte auf zufriedenstellendem Niveau. Schwerer habe sich das eigene Weingut Napier im südafrikanischen Wellington getan. Inflation, Kostendruck und weniger Absatz zeigten sich deutlich in der Bilanz. "Nach wie vor ist es für Weine aus diesem Land nicht einfach, obwohl Südafrika großartige Qualitäten hervorbringt", bedauert Alexander Rittlinger. Der Blick der Kellerei sei dennoch strikt nach vorn gerichtet: "Wir setzen weiterhin auf Premiumweine." Im vergangenen Jahr bereitete Napier etwa zehn Hektar der insgesamt 35 Hektar umfassenden Anbaufläche neu auf und bestockt sie nun mit Rotwein. 

In Zukunft mit Kooperations-Partner

Seit Beginn dieses Jahre ist Reh Kendermann eigenen Angaben zufolge eine strategische Partnerschaft mit dem Weingut Vollmer aus dem pfälzischen Ellerstadt eingegangen. Das Weingut Vollmer ist eines der größten privat geführten Weingüter in Deutschland. Die Marke ist in Deutschland mit allen Rebsorten und Premiumweinen breit distribuiert. "Gemeinsam wollen wir im Lebensmittelhandel in Deutschland, aber auch auf Export-Märkten zusammenarbeiten", erläutert Alexander Rittlinger. Auch in technischen Bereichen gebe es Kooperationen.

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Alexander Rittlinger, Geschäftsführer Reh Kendermann (Foto: Reh Kendermann)

Zur Jahresentwicklung von Reh Kendermann resümiert der Geschäftsführer: "Wir haben das Geschäftsjahr so gut wie möglich angesichts der geopolitischen und wirtschaftlichen Krisen hinter uns gebracht. Positiv stimmt uns, dass wir bei der Effizienzsteigerung und der Digitalisierung, hier insbesondere durch die Einführung des neuen ERP-Systems, deutlich vorangekommen sind und viele neue Themen angestoßen haben." Weiterhin sagt Alexander Rittlinger seinem Unternehmen eine sichere Zukunft voraus: "Unsere Diversifikation ist ein großer Vorteil, weil wir Schwankungen in einzelnen Bereichen ausgleichen und dabei immer noch gezielt investieren können." Seine wichtige Botschaft: "Wir müssen Wein nachhaltig attraktiv halten und das bedeutet, dass Produzenten, Verarbeiter und Handel Hand in Hand gehen müssen." Gemeinsam müsse man gegen den Verlust von Käuferreichweite und gegen Verbraucherunlust ankämpfen. Dringend müsse auch ein Bürokratieabbau erfolgen: "Die Hürden wie die Einführung des E-Labels dürfen nicht noch höher werden. Es ist wirklich genug, denn wir können die Kosten, die auf allen Ebenen entstehen, nicht weitergeben, weil dies keiner mehr bezahlen möchte", betont Alexander Rittlinger. Auch treibe Reh Kendermann die Sorge vor der Labelung von Wein durch die Europäische Union ähnlich der von Tabakprodukten um. "Wein ist ein wichtiges Kulturgut, das ganzen Landstrichen in Deutschland ihren Charakter verleiht und das die Menschen genießen und nicht nur trinken. Deshalb müssen wir alles daran setzen, dass dies auch erlebbar bleibt." //gz

Schlagworte

GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.