Michael Weiß, Geschäftsführer von Meckatzer Löwenbräu, sagt, dass sich gerade Familienunternehmer viel stärker am öffentlichen Diskurs beteiligen sollten (Foto: Meckatzer).
Michael Weiß, Geschäftsführer von Meckatzer Löwenbräu, sagt, dass sich gerade Familienunternehmer viel stärker am öffentlichen Diskurs beteiligen sollten (Foto: Meckatzer).

Interview: "Wer schweigt, macht sich mitschuldig"

GZ Herr Weiß, warum sollten nicht nur die Gesellschaft, demokratische Parteien, Verbände, sondern auch Unternehmen klare Kante gegen Rechtspopulismus zeigen?

Michael Weiß: Ganz prinzipiell sollten sich gerade Familienunternehmer viel stärker am öffentlichen Diskurs beteiligen, um das zum Teil wirklich schräge Bild vom Unternehmer als „Kapitalisten“ oder „Reichen“ geradezurücken. Viele trauen sich nicht, weil sie eventuell nachteilige Folgen für ihr Geschäft befürchten, wenn sie sich offen und ehrlich äußern. Ich verhalte mich dagegen nach dem Motto: „Wer schweigt, macht sich mitschuldig“, und äußere daher meine Meinung, wenn ich glaube, dadurch etwas bewirken zu können.
 

GZ: Was heißt das in diesem Fall?

Weiß: Das, was die führenden Vertreter der AfD von sich geben – und vor allem der Ton, mit dem sie das machen und dadurch die Gesellschaft spalten – lehne ich inhaltlich voll ab. Ob es um Migration geht, um den Euro, die EU oder die Nato – die AfD schürt Ängste, überdramatisiert und bietet überhaupt keine nachhaltigen Lösungsansätze. Im Gegenteil: Deutschland würde dermaßen in seinem Wohlstand und auch in seiner Verteidigungsfähigkeit geschwächt, dass ich gar nicht an die Konsequenzen denken mag, die das alles nach sich zöge. 

GZ: Machen Sie einen Unterschied zwischen Partei und Wählerschaft?

Weiß: Ja, wir dürfen nicht den Fehler machen, alle AfD-Wähler in einen Topf zu stecken und diese in Summe als rechtsradikal abkanzeln. Jeder, der sich etwas eingehender mit dem Phänomen des Aufstiegs dieser Partei befasst, gesteht ein, dass es sicherlich einen harten Kern von Anhängern  gibt, die dem rechtsradikalen Lager zuzurechnen sind. Mehr als die Hälfte der Wähler könnte aber durch die klassischen Volksparteien zurückgewonnen werden, wenn diese denn das aufgreifen würden, was die Menschen – nicht nur in Deutschland, sondern genauso in Italien, Frankreich, Ungarn, Polen, Neuseeland, oder den USA – im Innersten zutiefst verunsichert, verängstigt und frustriert.

GZ: Was frustriert die Menschen aus Ihrer Sicht am meisten?

Weiß: Los ging es bei Angela Merkel mit ihrem fatalen Spruch „Wir schaffen das“. Anstatt dass sie sich in Worten und Taten an dem orientiert hätte, was der damalige Bundespräsident Gauck mit seinem „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt“ beschrieben hatte. Bis heute gibt es seitens der SPD keine ernsthaften Anstrengungen, einer unkontrollierten Migration Grenzen zu setzen und von den Grünen ist diesbezüglich schon gar nichts zu hören – im Gegenteil: Gerade die Jugendorganisationen dieser beiden Parteien haben vor kurzem neuerlich bekräftigt, dass es nur um die Frage geht, wie man diesen Ansturm bewältigt und nicht darum, sich mit einem Limit zu befassen, das die Gesellschaft noch verträgt, ohne zu zerreißen.

GZ: Welche Themen lassen die AfD aus Ihrer Sicht noch wachsen?

Weiß: Der große Zuspruch, den diese Partei derzeit hat, kommt maßgeblich aus dem Frust, der sich seit Jahren nicht nur, aber im Wesentlichen, aus dem Thema „Migration“ speist. Wir müssen uns doch vor Augen halten, dass seit 2015 nicht wirklich etwas für die Lösung dieses so offensichtlichen Problems gemacht wurde und das ist ein Armutszeugnis für die jeweiligen Regierungsparteien. Frust hat sich innerhalb der Bevölkerung auch aufgestaut, wenn es um Themen wie um Bildung geht, die PISA-Studie lässt grüßen. Weitere Aufreger sind die marode Verkehrsinfrastruktur, das Thema „Digitalisierung“, die Energiewende und vieles mehr. Die Fehl- bzw. Nichtleistungen der Regierungen sind unübersehbar. Und dieser Frust äußert sich in den hohen Zustimmungsraten für die AfD oder auch bei den Aufständen der Landwirte.

GZ: Wie würden Sie der AfD begegnen, wie würden sie sie stellen?

Weiß: Auf jeden Fall nicht wie Saskia Esken. Dass die SPD-Vorsitzende in dieser Situation allen Ernstes fordert, ein Parteiverbotsverfahren in Gang zu setzen, ist für mich ein Armutszeugnis – da fehlen mir die Worte. Anstatt die AfD inhaltlich zu stellen und sie zu zerlegen, flüchtet man sich in Verbotsfantasien, wie sie einer Demokratie unwürdig sind. Da fällt mir der Spruch von Fisherman’s Friends ein: „Sind die zu stark, bist Du zu schwach.“ Wir erleben doch bei Trump, wie die Menschen reagieren, wenn ein Politiker zeitgleich vier Verfahren zu bewältigen hat: Der Frust – egal aus welchen Gründen – ist so groß, dass die Wähler ihm verzeihen und sogar ihre Zuneigung verstärken. Wir mögen das alles nicht nachvollziehen können – der Mensch ist halt doch anders,  als wir ihn uns wünschen.

GZ: Welche wirtschaftlichen Folgen hätte ein Aufschwung der AfD?

Weiß: Der Wirtschaftsstandort würde in seinen Grundfesten erschüttert werden, weil das ein Signal in alle Welt wäre, dass all das, was unser Land mal groß und attraktiv gemacht hat, 
den Bach runtergeht. Die AfD verfügt nicht über das Personal, das eine schlagkräftige Partei bräuchte, um Regierungsverantwortung übernehmen und dieser gerecht werden zu können. Da wäre Sachverstand gefragt, nicht nur die Fähigkeit, die Menschen auf ganz perfide Form aufzuhetzen.

GZ: Welche volkswirtschaftlichen Schäden würden entstehen, wenn alle Migranten aus Deutschland verwiesen würden?

Weiß: Dann hätten wir nicht nur 1 Million offene Stellen, sondern vermutlich 3 Millionen. Wir leiden heute schon unter einem eklatanten Arbeitskräfte- und nicht nur Facharbeitermangel. Durch eine „Remigration“ im angedeuteten Umfang würde unserem Land ein umfassender wirtschaftlicher, kultureller und menschlicher Schaden entstehen, der nie wieder gut zu machen wäre. Wir müssen offen ansprechen, welchen Nutzen wir von einer gesteuerten Migration haben. Es ist Fakt, dass wir künftig ca. 400.000 möglichst qualifizierte Migranten pro Jahr benötigen. Deshalb muss dieses so essenzielle Thema endlich pro-aktiv angepackt und darf nicht diesen unsäglichen Rattenfängern auf Seiten der AfD überlassen werden.
 

Interview: Pierre Pfeiffer

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GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.