Ausgabe 07/2020

Unser Leben mit Corona

ddw07-2020

Wie schnell in den Zeiten von Corona Nachrichten
an Aktualität verlieren, wird mir bewusst, wenn
ich meinen Leitartikel aus der letzten Ausgabe
des ddw aufschlage. Im Fokus standen damals
noch die Absagen der ProWein und verschiedener
Weinfeste sowie die Folgen der Unterbrechung von internationalen
Lieferketten. Nun verlief die Entwicklung in Deutschland in den
letzten zwei Wochen so dynamisch und rasant, wie es wohl keiner
erwartet hätte. Sie fordert nun von jedem Einzelnen, sich in persönlicher
sowie in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung gesundheitsschutzkonform
zu verhalten und die Kontaktsperren einzuhalten.
Die Wirtschaft und auch unsere Weinbranche stehen aktuell
wohl vor ihrer härtesten Bewährungsprobe der letzten Jahrzehnte.
Wir stehen daher in ständigem Kontakt zur Politik, um sie über alle
bereits eingetretenen und absehbaren Auswirkungen der Corona-
Krise für unsere Weinbranche informiert zu halten. Wir fordern sie
zu rascher, unbürokratischer, wenn nötig auch zu unkonventioneller
Hilfe für unsere betroffenen Weinbaubetriebe auf.
Der Weinberg schläft trotz Corona nicht. Der
Austrieb steht in wenigen Wochen an, dann muss
die Entwicklung der Reben kontinuierlich mit erheblichem
Pflegeaufwand begleitet werden. Dafür
standen in der Vergangenheit insbesondere auch
ausländische Saisonarbeitskräfte zur Verfügung –
aktuell schwierig angesichts der Grenzschließungen.
Unsere Bundesregierung hat mit dem sogenannten
Corona-Paket direkt reagiert und hat in
dieser Krisensituation mit einem Maßnahmenpaket
(u.a. Ausweitung der 70-Tage-Regelung, Flexibilität bei Arbeitszeitregelungen,
Lockerung von Hinzuverdienstgrenzen) den deutschen
Arbeitsmarkt flexibilisiert.
Auch zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise
hat das Ministerium bereits reagiert, mit Maßnahmen zur Sicherung
der Liquidität - etwa mit Soforthilfen auch für Kleinbetriebe
oder ausgeweiteten Möglichkeiten der Kurzarbeit. Stundungen im
Bereich der Steuerzahlungen müssen auf jeden Fall auch gewährt
werden. Weitere Maßnahmen werden aber, je nachdem wie lange
die Krise anhält, nötig werden.
Die Betriebe müssen mit erheblichen Umsatzeinbußen, bedingt
u.a. durch längerfristige Schließungen von Hotel- und Gastronomiebetrieben
und eventuell bald durch das Verbot des Weinverkaufs in
Vinotheken, rechnen. Wichtig ist, dass die Betriebe schnell umsteigen
- auf alternative Absatzwege wie »Abholservice«, »Lieferdienste
« und »Onlinehandel«, die unter Berücksichtigung der Hygienestandards
weiterhin möglich sind. Wichtig ist auch, dass wir bereits
heute die Weichen für den Herbst stellen, damit wir auftretenden
Marktstörungen durch Möglichkeiten der Ertragsreduzierung begegnen
können. Klar ist, dass hierbei auch europäische Lösungen
erforderlich sind – da ist von Vorteil, dass Deutschland die nächste
Ratspräsidentschaft innehat.
Auch wenn wir keine Vorstellung über die zeitliche Dimension der
Krise haben, fragen wir uns schon jetzt, wie die Welt nach Corona
aussieht. Trend- und Zukunftsforscher werfen aktuell einen Blick
von der Zukunft zurück ins Heute. Worüber werden wir uns rückblickend
wundern? Wir werden uns wundern, wie schnell plötzlich
Digitalisierung in die Praxis umgesetzt werden kann. Telefon- und
Videokonferenzen, gegen die sich die Meisten gewehrt haben, stellen
sich als durchaus praktikabel und produktiv heraus. Wir werden
uns wundern, dass Ministerien und Behörden
durchaus zu schnellem und unkonventionellem
Handeln bereit sind. Wir werden realisieren,
dass die Ökonomie erheblich geschrumpft
ist, es aber nicht zu einem kompletten Zusammenbruch
gekommen ist. Wir werden auch
zur Erkenntnis gelangen, dass
wir trotz der Vorteile der
Globalisierung zukünftig
auch wieder auf ortsnahe
Produktionen setzen müssen, in unseren
Produktionsstätten wieder Zwischenlager,
Depots und Reserven einrichten. Der Trend
wird zur Lokalisierung des Globalen gehen.
Ich wünsche uns allen, dass wir möglichst
schnell diesen Blick aus der Zeit nach Corona
zurück ins Heute werfen können. F