Ausgabe 19/2018

»Kann Spuren von Sauvignon enthalten«

ddw19/2018

Neulich saß ich bei einem Essen neben einem
Journalisten, der für namhafte Zeitungen
schreibt. Er hatte Interessantes zu erzählen.
Wir unterhielten uns über Weingüter und über
Winzer, über Gott und über die Welt. Der Abend
hätte schön werden können. Doch dann, ich
hatte gerade erwähnt, dass in Frankreich die
Nachfrage nach neuen Rebsorten steigt und dass
die Möglichkeit, diese mit klassischen Sorten zu
verschneiden gut zur Cuvée-Tradition unserer
Nachbarn passt, geschah es: Ein anderer Kollege
warf die Frage auf, ob deutsche Winzer über
die gesetzliche Verschnittregelung nicht auch
deklarationsfrei neue Sorten einsetzen könnten.
Meine Antwort war klar: Natürlich können sie
das und sie machen es auch. Ein Riesling muss
also nur zu 85 Prozent aus Riesling bestehen.
Das hätte ich nicht sagen sollen, denn aus den
Augenwinkeln konnte ich sehen, wie meinem
überraschten Tischnachbarn die Gesichtszüge
entglitten. Geistesgegenwärtig verzichtete ich auf
die Aufklärung zum Zusatz von Süßreserve, aber
da war es längst zu spät. Plötzlich und unwiderruflich
stand dieses Wort im Raum: »Verbrauchertäuschung
«! Dagegen galt es jetzt zu argumentieren.
Aber wir hatten es mit einem harten
Brocken zu tun, der sich weder von Traditionen
noch von gesetzlichen Regelungen oder von der
Tatsache überzeugen ließ, dass die meisten großen
Weine der Welt Verschnitte sind, von denen
kein Verbraucher genau weiß, welche Sorten
zu welchen Anteilen sie genau enthalten.
Auch der Hinweis, es könnte schwierig
sein, einen Riesling mit dem Zusatz:
»Kann Spuren von Sauvignon Blanc
enthalten« zu vermarkten, focht den
Eiferer nicht an. Für ihn war das
ein Skandal, welcher sich aber im
Verlauf des Abends mit viel Riesling
aus der Welt schaffen ließ.
Nicht auszumalen, was
passiert wäre, hätte er die
Verbraucher tatsächlich
»aufgeklärt«...