Ausgabe 09/2017

Editorial

DER DEUTSCHE WEINBAU Ausgabe 09/2017

»Schockgefrostet«

In anderen Jahren hätte hier als Überschrift auch »Stimmung verhagelt« oder »Alles Essig« stehen können. Was ich sagen will, ist: Der Weinbau war schon immer und wird, solange es keine zufriedenstellende Indoor-Lösung gibt, von den Launen der Natur abhängig sein. Allerdings scheint das Wetter in unseren Breiten immer launiger zu werden, zumindest lassen Hagel- und Starkregenereignisse kaum Zweifel daran, dass sich das Klima verändert. Weinbau wird also immer riskanter. Schließlich investieren die Winzer viel in die Pflege ihrer Reben und den Ausbau ihrer Weine. Sie tun das, ohne genau zu wissen, was nachher dabei herauskommt. Es gibt sicherere Arten des Broterwerbs, aber, und das muss man fairerweise sagen, auch deutlich weniger schöne.

Dieses Jahr haben die warmen Temperaturen im Frühjahr dazu geführt, dass die Reben überdurchschnittlich früh ausgetrieben haben. Das wäre nicht dramatisch, gäbe es keine Spätfröste. Genau die haben in der Nacht auf den 20. April, und in einigen Nächten danach, deutschlandweit große Schäden angerichtet. In den letzten Tagen habe ich mit vielen Winzern telefoniert – kaum einer ist verschont geblieben. Aber bei vielen hörte ich neben Ärger und Verzweiflung auch verhaltenen Optimismus heraus. Es gilt jetzt, Ruhe zu bewahren und die Situation zu analysieren. Schließlich ist bei vielen noch alles offen.
Sie hoffen auf den Austrieb der Beiaugen, und darauf, dass sie in diesem Jahr vor weiteren negativen Wetterereignissen verschont bleiben. Eines scheint aber sicher: Der nächste Frost, Hagel oder Schädling kommt bestimmt. Diese Risiken sind untrennbar mit dem Weinbau verbunden. Es klingt zwar im ersten Moment zynisch, aber vermutlich ist an dem Kommentar »no risk no fun.«, den ich gestern von einem Winzer gehört habe, tatsächlich etwas dran. Ich wünsche Ihnen jedenfalls möglichst wenig Risiko für das weitere Jahr.

Holger Klein
stellv. Chefredakteur DER DEUTSCHE WEINBAU
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