Ausgabe 03/2019

Farbenlehre, Kalorien & Co.

ddw3/2019

Im Januar lockt die Internationale Grüne Woche alles, was Rang und Namen in Landwirtschaft und Ernährungsindustrie hat, nach Berlin. Gerne wird dieser Rahmen genutzt, um Kontakte zu knüpfen und zu pflegen und politische Gespräche zu führen. Gerne wird aber auch in diesen Tagen die hohe Sensibilität der Öffentlichkeit für Ernährungsthemen genutzt, um im Rahmen dieses Groß­events bestimmte Themen zu platzieren. So konnte ich bereits morgens beim Frühstück und auf dem Weg zur Messe auf diversen Bildschirmen Interviews zum Dauerthema Lebensmittelampel bzw. Nutri-Score-Modell verfolgen, mit denen die Befürworter dieser sogenannten »Farbenlehre« dem Bedürfnis nach mehr Transparenz für den Verbraucher nachkommen wollen.

Um Transparenz geht es auch bei der in den vergangenen zwei Jahren viel diskutierten Frage der Nährwert- und Zutatenkennzeichnung, von der alkoholische Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent bisher freigestellt sind. Die Brauer hatten in den letzten Tagen dieses Thema wieder aufgegriffen und in der Presse mitgeteilt, dass sie künftig (freiwillig) Auskunft über den Brennwert geben möchten. Eine derartige Ankündigung führt zwangsläufig dazu, dass Presse und Öffentlichkeit sich auch bei uns nach unseren Überlegungen zum Thema Nährwert- und Zutatenkennzeichnung erkundigen. Wo stehen wir also in dieser Diskussion?

Spätestens seit die EU-Kommission Anfang 2017 einen Bericht veröffentlicht hat, in welchem keine objektiven Gründe für die Ausnahmeregelung für alkoholische Getränke festgestellt wurden, war klar, dass diese auf Dauer nicht zu halten ist. Die Kommission hat die gesamte Alkoholbranche aufgefordert, Vorarbeit zu leisten und selbst einen Vorschlag zur Selbstregulierung zu unterbreiten. Schon zu diesem Zeitpunkt hieß die Devise: »Mitgestalten«. Eine absolute Blockadehaltung hätte dazu geführt, dass wir am Schluss eine nicht mit uns abgestimmte gesetzliche Regelung erhalten, die den Besonderheiten des Weinsektors keinerlei Rechnung trägt. Ergebnis war ein von der Alkoholwirtschaft im März 2018 übermitteltes Konzept, zu dem die EU-Kommission bislang keine offizielle Stellung bezogen hat.
»Die Weinbranche hat nichts zu verstecken und ist natürlich bereit, dem Verbraucher für ihn nützliche Informationen zu liefern«, postulierte der DVW-Vorstand bereits im September 2017 in seinem Beschluss.

Die Diskussion wurde im Reformprozess der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wieder aufgenommen, in dem eine für den Weinsektor spezifische Lösung gefunden werden soll. Die Branche arbeitet deshalb derzeit an einem Konzept, welches sich auf die Nährwertangaben und die Angabe einer Zutatenliste bezieht. Eric Andrieu, Berichterstatter im Landwirtschaftsausschuss des EU-Parlamentes zur GAP-Reform, sieht in seinem Berichtsentwurf vor, dass Winzer künftig den Brennwert ihrer Weine auf dem Etikett angeben müssen, eine Zutatenliste soll alternativ auch in elektronischer Form (Off-label) zur Verfügung gestellt werden können. Portugal hatte auf Ratsebene den gleichen Vorschlag eingebracht. Ein richtiger Schritt in die Zukunft? Vermutlich schon – insbesondere in Richtung Digitalisierung! Der Brennwert ist sicherlich die für den Verbraucher interessanteste Information, er ist auf Basis des Zucker- und Alkoholgehaltes leicht zu berechnen. Für die Zutatenangabe muss ein klarer Appell an den europäischen Gesetzgeber gehen, uns eine einfache Lösung vorzuschlagen. Diese sollte insbesondere für kleinere Erzeuger nicht mit zusätzlichen unverhältnismäßigen Kosten verbunden sein, eine klare Definition von Zutaten und nicht kennzeichnungspflichtigen Hilfsstoffen vorsehen und uns eine ausreichende Übergangszeit einräumen. An dieser Lösung arbeiten wir bereits konstruktiv mit – für eine freiwillige Vorleistung sehen wir jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung.