Ausgabe 24/2020

Nachdenken, analysieren und erst dann handeln, wenn gesicherte Erkenntnisse vorliegen, ist sicher die bessere Alternative als Schnellschüsse aus der Hüfte. Darum ist es gut, dass angesichts der desaströsen Entwicklung deutscher Weinexporte erstmal Zeit genommen wurde, die Situation gründlich zu analysieren. Was ist geschehen? 

Die negative Exportentwicklung deutscher Weine hat Erzeuger, Berufsvertreter und Politiker aufgeschreckt. Ein Absatzvolumen von rund 150 Mill. Liter Wein büßte Deutschland in den letzten 15 Jahren ein, was auf Produzentenebene sicher einem Gegenwert von mehr als einer halben Milliarde Euro entspricht. Viel Geld, das die deutsche Weinbranche kleiner macht. Der bittere Verlust internationaler Märkte kratzt am Selbstverständnis. Wirft Fragen auf: Ob alte Begrifflichkeiten wie »Liebfrauenmilch« oder »Rhein« restauriert werden können und sollen? Welches Image deutsche Weine auf wichtigen Auslandsmärkten besitzen? Wie Deutschland und seine Weine draußen wahrgenommen werden und welche Chancen deutscher Wein angesichts bestehender Strukturen der Weinbranche auf nationaler wie internationaler Ebene besitzt? Es ist dem rheinland-pfälzischen Weinbauministerium, dem Deutschen Weininstitut und den involvierten Weinexporteuren hoch anzurechnen, dass sie nicht in panischen Aktionismus verfielen und erstmal die Marktforscher der Hochschule Geisenheim um Prof. Simone Loose vom Institut für Wein- und Getränkewirtschaft beauftragten, den Ursachen des dahinsiechenden deutschen Weinexports auf den Grund zu gehen. In drei Artikeln in dieser, der vorherigen und der nachfolgenden Ausgabe veröffentlichen wir die Ergebnisse. Zeit also, um ein erstes Resümee zu ziehen.

Erste Erkenntnis: Die meist als »liebliche Weißweine im Einstiegspreisbereich« vermarkteten deutschen Weine wurden durch starke Marken und trocken-fruchtige Rebsorten aus der Neuen Welt verdrängt. Zweite Erkenntnis: »Solche Weine besitzt die deutsche Weinwirtschaft nicht und sie verfügt auch nicht über Finanzmittel, um entsprechende Marken aufbauen zu können. Produzenten wie Gallo, Concha y Toro oder Marken wie Yellow Tail, Barefoot Wine oder Oyster Bay sind Lichtjahre enteilt. Zwar sind die deutschen Kellereien Preisführer was Abfüllkosten und Logistik betrifft, aber das margenschwache Geschäft und der ruinöse Preiswettbewerb erlauben kein Fleisch anzusetzen, um auf ausländischer Bühne eine tragende Charakterrolle zu spielen. Man nimmt, was kommt und ist Erfüllungsgehilfe. Dazu ist deutscher Wein angesichts der Dominanz des angelsächsischen Sprach- und Kulturraums für die Menschen in den meisten Ländern nicht barrierefrei zu genießen.«

Deutsche Weinbezeichnungen werden nicht verstanden. Zugleich tendiert die Bekanntheit in den meisten Ländern, die als Absatzmärkte infrage kämen, gegen null und wenn ein Image mit deutschem Wein verbunden wird, ist es »billig und süß«. Aber Wein, den man kaufen will, muss »in« sein und »schmecken«. Riesling als bekannteste deutsche Rebsorte weckt die Erwartung restsüß. Bei den viel geeigneter erscheinenden Weinen aus weißen Burgundersorten verwirren zu viele Geschmacksprofile. So lebt der deutsche Weinexport weiter von der Hand in den Mund und die Exporteure bleiben auf internationaler Bühne Statisten. Eine wirkliche Strategie hat, bis auf wenige Prestige-Weingüter, niemand.

Gibt es einen Ausweg? Der Klimawandel begünstigt den Weinbau in Deutschland, folglich ist Besseres möglich, sofern man alle alten Restriktionen und die Verknüpfung von Produkt- und Sozialpolitik im Weinbau über Bord wirft und freien Unternehmern mehr Chancen einräumt. Es sollten Rebflächen bebaut werden, die verlässlich gutes Traubenmaterial liefern, aus denen das produziert wird, was Konsumenten in Deutschland suchen: trocken-fruchtige, harmonisch schmeckende Weine.

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.