Achtung, Künstler!
Latte Art ist echt ’ne feine Sache. So ein locker aus dem Handgelenk gegossenes Herz, eine Blume, von mir aus auch ein Blatt, sieht als Krönung des Cappuccinos schick aus und zeigt außerdem auf den ersten Blick, ob der Barista im MiIchschaum-Kurs bei Sinnen war. Hauptsache: Es muss schnell gehen, selbstverständlich, beiläufig, schließlich wird das Getränk ja in Trinktemperatur zum sofortigen Genuss serviert. Wenn der Barista mit der Nase erst einmal richtig nah an die Tasse ranrückt, um den Auftreffwinkel der Milch exakt auszuloten, bin ich schon versucht, die Bestellung zu stornieren. Wehe aber, die Kaffee-Experten holen zusätzlich ihr Operationsgeschirr alias Latte-Art-Besteck raus und machen sich dran, zu tupfen, zu ziehen, zu zeichnen und ihren VHS-Kurs an meinem unschuldigen Cappuccino fortzuführen. Eine ähnliche Abneigung hege ich gegen überarrangierte Teller, bei denen man direkt das Bild vor Augen hat, wie sich eine halbe Küchenbrigade über den Teller beugt und, angeführt vom Chefchirurgen, mit Skalpell und Tupfer aus dem Essen eine expressionistische Food-Landschaft baut. Entschuldigung, aber ich wollte das eigentlich essen.
Benjamin Brouër
Stv. Chefredakteur
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