Ausgabe 9/2023

WEINWIRTSCHAFT 09/2023

Themen der Ausgabe

OIV-Bilanz

Der Weltweinmarkt ist in Bewegung – und Deutschland nicht mehr Importweltmeister.

Paula Bosch im Interview

Was die Grande Dame der deutschen Weinbranche über Gastronomie und Handel zu sagen hat.

Rosé

Die Provence will ihren Bestseller aufwerten und setzt künftig auch auf »Vins de garde« mit Reifepotenzial.

Toskana

Was bringen die neuen Herkunftsbezeichnungen UGA in der Vermarktung? Der deutsche Handel ist skeptisch.

Nachhaltigkeit

Wie Unternehmen ihre nachhaltige Mission jenseits von Greenwashing kommunizieren.

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KI für alle(s)?

ChatGPT kann vieles und wird auch die Arbeit in der Weinbranche erleichtern können – doch gibt es Grenzen

Warum selber schreiben, wenn man inzwischen schreiben lassen kann? Diesen Eindruck zumindest vermittelt uns die derzeit allgegenwärtige Künstliche Intelligenz ChatGPT. Viele nutzen das Tool bereits, um nervtötend lange Standardtexte zu verfassen, wie Eventeinladungen, Rundmails und vieles mehr. Auch Leitartikel in einem Weinfachmagazin? Höchste Zeit für einen Versuch.

Dabei muss ich gestehen: Die Idee stammt nicht von mir. Der Chefredakteur des deutschen Medienmagazins kress hat eben dieses Experiment jüngst gestartet und seine Leser am Ergebnis teilhaben lassen, einem längeren Chatverlauf, in dem der Autor der KI auch Rückmeldung gab und auf Fehler im vorgeschlagenen Text hinwies, die ChatGPT dann auszubessern versuchte. 

Doch wie schlägt sich ChatGPT in Sachen Weinwissen? Ich gebe ein: »Bitte schreibe einen Leitartikel für ein Weinfachmagazin«. Es folgt ein erstaunlich lesbares, sinnhaftes Ergebnis: Die KI berichtet, was alles zur Qualität eines Weines beiträgt, welche aktuellen Trends es gibt, ja sogar Begriffe wie Naturwein und Piwi-Sorten kennt das Gehirn aus dem Internet und erklärt, dem Leser des fiktiven Weinmagazins diese Trends näherbringen zu wollen. So weit, so richtig, aber eben auch sehr allgemein gehalten, etwas tiefer in die Materie wollen wir als Fachhandelspublikation mit Marktperspektive dann ja doch gehen. 

Nächster Versuch, diesmal also konkreter: »Bitte schreibe einen Leitartikel für ein Weinwirtschaftsmagazin vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen und den Entwicklungen im deutschen Weinmarkt«. Wieder liefert ChatGPT sehr sauber ab, benennt zwei Megatrends der heutigen Zeit, Nachhaltigkeit und Digitalisierung, die die Weinbranche vor viele Herausforderungen stelle, aber auch Chancen liefere – bleibt aber auch hier am Ende eher schwammig.

»Es ist wichtig, dass Winzerinnen und Winzer sowie Weinunternehmen sich auf die Veränderungen einstellen und neue Strategien entwickeln, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein«, fasst das Tool am Ende zusammen – lässt aber konkrete Hinweise auf das »Wie« missen. Also hake ich nach – und muss mich erneut mit eher oberflächlichen Antworten begnügen. Investitionen in Nachhaltigkeit und in Online-Shops oder »gezielte Marketingstrategien« – das sind Maßnahmen, die wohl derzeit für jedes Unternehmen gelten dürften.

»Echte Insights, Marktkenntnis, konkrete Ideen und Ansatzpunkte – das kann bislang doch nur ein Mensch liefern«

Als einen von fünf Punkten, die zukunftsfreudige Weinunternehmen berücksichtigen sollten, listet ChatGPT übrigens, Überraschung: den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, denn diese »biete der Weinbranche viele Möglichkeiten, Prozesse zu optimieren und die Effizienz zu steigern«. Nun, für das Schreiben des Editorials gilt dies schon mal nicht. Echte Insights, Marktkenntnis, konkrete Ideen und Ansatzpunkte – das kann letzten Endes bislang doch nur ein Mensch liefern. Hier kratzt die KI noch arg an der Oberfläche. 

Nichtsdestotrotz hat ChatGPT sicher recht: Viele Prozesse lassen sich mithilfe der KI effizienter gestalten. Vor allem im Handel, wo für Weinbeschreibungen und Winzer-Steckbriefe bislang ein menschliches Wesen Texte am laufenden Band produzieren musste, nimmt so ein Tool viel Fleißarbeit ab. Auch detaillierte Analysen in der Produktion, der Logistik sowie in der Vermarktung sind mittels automatisierter Prozesse, die lernen und stetig besser werden, eine denkbar dankbare Hilfe bei der strategischen Aufstellung eines jeden Weinunternehmens.

Die KI kann viel und kann der Weinbranche auch viel abnehmen. Gut beraten ist jeder Akteur, sich heute mit den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Bei aller Technikoffenheit muss jedoch auch klar sein, wo die (bisherigen) Grenzen solcher Tools liegen, die für jede Branche individuell zu definieren sind. Das Scheitern von ChatGPT, konkrete Branchenkenntnis zu liefern, hängt vor allem damit zusammen, dass das Weinbusiness ein People’s Business ist, viele Entwicklungen und Ideen entstehen im persönlichen Austausch, finden also nicht im Netz statt, sodass ChatGPT nicht darauf zugreifen kann. Hoffen wir, dass dies so bleiben wird. Alexandra Wrann