Ausgabe 7/2022

WEINWIRTSCHAFT 07/2022

Themen der Ausgabe

Discount-Sonderaktionen

Der Preisdruck ist hoch, aber wie ist die Qualität? Die Auswertung unseres Discount-Tests.

Weinmischgetränke

Im Trend für Frühling und Sommer?

Interview

Prof. Dr. Ulrich Fischer über die Qual der Vielfalt

Lugana

Überraschungen vom Gardasee

Chile

Chiles Weinszene entwickelt sich dynamisch

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Zwischen Oligopolen

Kennen Sie das, wenn Sie sich etwas fest vornehmen, was sich dann nicht einhalten lässt? Ich wollte für eine Zeit lang wirklich nicht mehr die Verhandlungspraktiken der Einkäufer aus dem Handel kommentieren, aber die Entscheidung der WZG, REWE vorerst nicht mehr zu beliefern, stimmt mich doch um.

Kurioserweise kam zeitnah zur Bekanntmachung des Lieferstopps der WZG die Nachricht, dass die REWE Group 2021 einen neuen Umsatzrekord aufgestellt hat. Der Gesamtaußenumsatz liegt jetzt bei 76,5 Mill. Euro. Das ist zunächst mal ein Zeichen, dass die Verkäufer der REWE viel richtig gemacht haben – und natürlich auch die Einkäufer, die dafür die Basis geliefert haben. Umsatz ist das eine, Gewinn etwas ganz anderes.

Der REWE-Konzern berichtet von einem Rekordumsatz von 69,4 Mrd. Euro und einem EBITDA von 4,4 Mrd. Euro. Was sich nach viel anhört, entspricht bei näherem Hinsehen einer Umsatzrendite von 6,3 Prozent. Nach Steuern bleibt eine Rendite von 1,1 Prozent.

Bei solchen Größenordnungen verwundert es nicht, dass die Einkäufer der REWE-Gruppe scharf rechnen und verhandeln. Wer im LEH Wein verkaufen will, weiß normalerweise auch, dass hier ein rauer Wind weht. Dennoch bleibt manchmal der Eindruck, dass einige Einkäufer Realitäten nicht anerkennen wollen.

Für Weinerzeuger ergibt sich somit die Situation, dass sie auf der einen Seite von ihren Lieferanten aus Glas- und Papierbranche vertragswidrige Preiserhöhungen diktiert bekommen und auf der anderen Seite nicht einmal begründete Preiserhöhungen durchgesetzt bekommen.

Letztlich befindet sich die sehr kleinteilige Weinbranche zwischen zwei Oligopolen. Während ihre Lieferanten jedoch die knappe Warenverfügbarkeit benötigen, um echte Marktmacht ausspielen zu können, besteht die Abhängigkeit gegenüber dem Handel für die großen Produzenten innerhalb der Weinwirtschaft fortwährend.

Angesichts der steigenden Kosten ist ein kooperatives Zusammenspiel zwischen Handel und Erzeugern zwingend für die Existenz der Produzenten. Natürlich hat jeder Händler das Recht zu entscheiden, welche Produkte er in sein Sortiment aufnehmen will und welche Produkte nicht, bzw. welche Preise nicht gegenüber den Kunden vermittelbar sind. Allerdings sollte er dabei nicht die Realität aus den Augen verlieren und auch den Erzeugern eine Umsatzrendite zugestehen.

Die derzeitige Inflation stellt alle Beteiligten vor eine Situation, die sie höchstens aus dem Lehrbuch kennen. Volkswirtschaftliche Lehrbücher sprechen vom Schuhsohleneffekt als Kosten der Inflation, weil eine niedrigere Kassenhaltung – bei die Inflation ausgleichenden Zinsen – häufigere Gänge zur Bank und ein Abnutzen der Schuhe nach sich zieht.

Die Realität sieht anders aus. Die Inflation wird Kaufkraftverluste nach sich ziehen, weil die Lohnsteigerungen die Inflation nicht kompensieren werden. Der enorme Anstieg der Energiepreise sorgt zudem dafür, dass weniger Geld für andere Ausgabenbereiche zur Verfügung steht. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass der Weinkonsum zurückgehen wird, weil Wein deutlich leichter substituierbar ist als Gas, Strom oder Brot und Wasser.

Die Weinerzeuger müssen sich also auf harte Zeiten einstellen. Wenn der Handel die Kostensteigerungen der Weinerzeuger jedoch nicht akzeptieren will, wird dies für viele Betriebe existenzbedrohend. Nicht nur, weil sie ohnehin schon seit langem mit sehr geringen Margen arbeiten, sondern auch, weil sie dann auf zwei Seiten verlieren: auf der Kostenseite und im Absatz.

Dass die Vollsortimenter angesichts der Inflation Angst haben, ihre in den letzten Jahren von den Discountern gewonnenen Marktanteile wieder zu verlieren, ist verständlich. Wenn sie jedoch selbst moderate Preiserhöhungen ablehnen, erhöhen sie die Existenzbedrohung der Weinerzeuger. Diesmal wird auch Größe kein wirksamer Schutz sein, gerade weil mit der Größe eines Betriebs die Abhängigkeit vom LEH wächst und man damit zwischen zwei Oligopolen gefangen ist.