Ausgabe 21/2015

Spiel der Kräfte

Weinwirtschaft Ausgabe 21/2015

Der Preis sorgt für ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Das ist auch in der Weinwirtschaft so.

Wer blind auf die scheinbar festgezurrten Fassweinmärkte vertraute, reibt sich momentan verwundert die Augen und blickt auf die mageren Preise aus dem Herbst 2015. »Die mauern und hoffen auf einen niedrigen Herbstdurchschnittspreis«, wähnte mancher Marktteilnehmer die Bösewichte auf Seiten der Kellereien. Das wird von denen ganz anders gesehen: »Wir haben ein paar Jahre gelitten, jetzt finde ich es nur mehr als gerecht, dass wir auch mal wieder günstiger einkaufen können«, meinte der Inhaber einer großen Weinkellerei. Not haben die Kellereien nicht, denn sie konnten sich vor dem Herbst bevorraten. Bis ins nächste Jahr dürften die 2014er Bestände reichen, so dass der Wechsel zu 2015 erst nächstes Frühjahr erfolgt. Entsprechend lang dürfte für die Winzer die Durststrecke sein. Schlimmer als die vorhandenen Bestände wirkt sich das Geschacher von Seiten des Lebensmittelhandels und der Ausfall wichtiger Exportmärkte aus. Jetzt spürt die Branche die Spätfolgen der hohen Preise und der im Lebensmittelhandel und den Discountern ausgefallenen oder durch ausländische Weine ersetzten Aktionen. Die Folgen sind desaströs, wie selbst die genossenschaftlichen Weinerzeuger auf rechtsrheinischer Seite erkennen. Zwar wurde die Ernte in Baden und in Württemberg gut gemeistert, wenn auch nicht mit den gewünschten Mengen. Immerhin wurde aber etwas mehr Menge als im Vorjahr und vor allem eine bessere Qualität eingelagert. Vom Gesamtmarkt, der in letzter Konsequenz durch die rheinland-pfläzischen Winzer bestimmt wird, können sich die genossenschaftlichen Strukturen in Baden-Württemberg nicht gänzlich entkoppeln.

Die Herbstpreise lassen daher keinen gemütlichen Sommerspaziergang erwarten: 60 bis 70 Cent pro Liter für diverse Weißweinsorten, 70 Cent für Dornfelder und 80 Cent für Riesling, lautete die harte Währung im Herbst. Immer stärker setzt sich nun die Erkenntis durch, dass auf Herbstbasis wohl ein Teil der im kommenden Jahr laufenden Kontrakte kalkuliert werden wird.

Das dürfte auf Winzer- wie auf Kellereiseite manchem die Luft zum Atmen rauben und dem discountierenden Lebensmittelhandel Pulver für die eine oder andere spektakuläre Preisaktion liefern. Selbst auf internationaler Bühne wird die verquere deutsche Marktsituation wahrgenommen. Ciatti, der weltgrößte Fassweinbroker, bezeichnet den deutschen Markt als »unusual«. Die Preise für die aktuelle Ernte hätten im Herbst 20 Cent tiefer gestartet und nach wenigen Tagen nochmals 10 Cent nachgegeben. Die Probleme für die abnehmenden Abfüller liegen auf der Hand: Kalkulieren sie auf Basis dieser Preise und sind nicht für die gesamte Lieferperiode gedeckt, gehen sie ein großes Riskio ein. Entsprechend groß ist die Verunsicherung. Die Ursachen für die Misere werden rauf und runter diskutiert, doch im Grunde genommen ist es ganz einfach. Auch das zeigt Ciatti mit klarem Blick für den Markt. Die kleinen deutschen Ernten 2010 mit 7 und 2013 mit 8,4 Mill. Hektolitern Litern haben zu kräftigen Preissteigerungen geführt. Deutsche Weine wurden teurer, teilweise waren sie nicht mehr lieferbar und wurden in Aktionen durch Alternativen ersetzt. Zu allem Überdruss begannen etliche Winzer zu spekulieren, statt für 1,60 Euro Mosel-Riesling zu verkaufen, hoffte mancher auf 2 Euro. Kurz vor dem Herbst fingen die Spekulanten an, ihre Keller zu räumen, mit der Folge, dass die Preise bis aufs heutige Niveau durchsackten. Einmal im Fallen, ist ein solcher Trend schwer aufzuhalten. Jetzt dämmert vielen, dass es entscheidend darauf ankommt, die wetterwendischen Absatzmärkte kontinuierlich zu bedienen, und dass deutsche Weine endlich ein Marketingkonzept statt der Ramschvermarktung benötigen. Stabilere und bessere Ernten gibt’s auf mehr Fläche mit niedrigerem Ertrag. Doch das wurde aus Gründen der Besitzstandswahrung erfolgreich verhindert. Ein schlechtes Geschäft, wie jetzt mancher erkennt, der sich mit der blühenden Bürokratie um die Verteilung der paar Hektar Pflanzrechte herumschlagen muss.

Hermann Pilz [email protected]