Ausgabe 06/2016

Gefährliche Aktionitis

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 06/2016

Guter Rat ist teuer: Wie hilft man dem deutschen Weinmarkt auf die Sprünge? Gute Ideen sind Mangelware.

Die Not muss groß sein. In kleinen Zirkeln beraten derzeit Funktionäre von Verbänden und Werbegemeinschaften, wie der darniederliegende deutsche Weinmarkt wiederbelebt werden kann. Hintergrund der hektischen Betriebsamkeit, die bis zum Big Bang der Aktionen möglichst im Verborgenen bleiben sollen, ist die Gewissheit, dass in fünf Monaten eine neue Ernte vor der Tür steht und der bis dahin gehortete Weinsee endgültig droht überzulaufen. Ja, wenn es so einfach wie in China wäre, mag sich mancher denken, wo 1,5 Millionen Stahlkocher nach Hause geschickt und die Werke stillgelegt werden. Doch so leicht lassen sich deutsche Winzer nicht davon abhalten, aufs Neue Trauben zu produzieren, ob es einen Markt gibt oder nicht.
Die Ursachen der Misere sind vielfältig, wie hier schon mehrfach aufgedröselt wurde, und reichen vom Verlust von Listungen im Inland aufgrund geringer Verfügbarkeit in den Vorjahren, über spekulierende Winzer bis zum Exodus aus wichtigen Exportländern, was ebenfalls wieder ganz individuelle Gründe hat. Wenn man jahrelang die Liebfrau(en)milch schlecht redet, braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Engländer das irgendwann auch glauben. Apropos Glaube: Einen Zahn kann man der deutschen Weinbranche in jedem Fall ziehen. Die importierten Auslandsweine sind nicht für die marode Situation auf dem Weinmarkt in Deutschland verantwortlich. Der Durchschnittspreis für alle importierten Weine lag im vergangenen Jahr bei 1,62 Euro pro Liter. Selbst die sogenannten »anderen Weißweine« worunter sich mehrheitlich weiße Verarbeitungs- und Tafelweine aus Ländern wie Spanien, Italien und Frankreich verbergen, die für gewöhnlich die Billigsten am Markt sind, notierten im vergangenen Jahr bei 73 Cent pro Liter. Da wären viele deutsche Winzer froh, sie würden für ihre Qualitätsweißweine diverser Sorten einen solchen Preis statt der derzeit 50–55 Cent pro Liter erzielen.
Wie dem auch sei, jetzt soll es fürs Erste der deutsche Markt, respektive der Lebensmittelhandel richten, wie aus den Gremien vorab verlautete. Wenn da die Rechnung nur nicht ohne den Wirt gemacht wird. Die letzten Tage und Wochen ließen etliche Händler schon mal aufhorchen. Etwa wenn bei Edeka 6 Flaschen Dornfelder für glatte 6 Euro verhökert oder Weine aus Rheinhessen-Schrägstrich-Pfalz bei Penny zu Preisen von 1,29 bis 1,99 Euro angeboten werden. Mit Geld will man den Handel locken und stampft jetzt eilig Aktionen aus dem Boden, nur damit die Menge fortkommt. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu ahnen, dass der Handel so was gerne mitnimmt, aber der Absatz dadurch nur beschränkt angekurbelt wird.
Im besten Fall gehen die Weine zu Tiefstpreisen weg, andere, vielleicht höherpreisige, bleiben dafür liegen. Das ist, wie wenn man das Geld von der einen in die andere Tasche steckt und meint, man habe hernach mehr im Sack. Die eigentliche Gefahr droht aus dem Imageverlust, der durch solche Aktionen ausgelöst wird. Aber auch das wischt mancher fort und meint, die Konsumenten würden solche Aktionen rasch vergessen.
Viel eher ist jedoch ein lange anhaltender Imageschaden zu befürchten. Jetzt rächt sich ein grundlegender Fehler der deutschen Weinmarktarchitektur. Während die großen mediterranen Länder ihre Billig- und Massenweine von Hause aus als Verarbeitungs- und Tafelweine ernten und somit eine klare Unterscheidung zu den höherwertigen Ursprungs- und Herkunftsweinen treffen, gedeihen in Deutschland Jahr für Jahr fast zu hundert Prozent Qualitätsweine in den Weinbergen. Alles was jetzt billig auf den Markt kommt, darf sich großspurig Qualitätswein schimpfen. Das wird sich kein Einkäufer im Handel nehmen lassen, und keine Kellerei, Genossenschaft und kein Weingut wird das verweigern, schon um der Konkurrenz willen nicht. Mit Hau-Ruck-Aktionen wird man den Weinmarkt nicht retten. Der Schaden wird für alle nur noch größer werden. Dagegen sollte man aber doch mal beim DWI anklopfen, was sie denn mit ihren 30 Millionen Euro auf der Hohen Kante anfangen?
Hermann Pilz [email protected]