Ausgabe 05/2015

Im Visier - »Wenn die Steuerfahndung stöbert«, wird es unangenehm. Das erleben gerade zahlreiche Winzer.

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 05/2015

Im Fall Hoeneß haben mutmaßliche Indiskretionen der Justiz die Öffentlichkeit informiert. Bei Ex-Post-Chef Zumwinkel sorgten die Finanzbehörden selbst für größtmögliche Aufmerksamkeit und mediale Präsenz. Schließlich sollten Steuersünder aufgescheucht werden wie Enten bei der Jagd. Ziemlich zugeknöpft geben sich die Finanzbehörden dagegen derzeit in Rheinland-Pfalz im Fall des Schwarzhandels mit Wein. Offenbar sollen die laufenden Ermittlungen nicht gestört und betroffene Sünder nicht vorzeitig gewarnt werden.

Rätseln darf man deshalb, wie das Verfahren eigentlich ins Rollen kam. Bekannt ist, dass die Finanzbehörden immer mal wieder eine ganze Branche ins Visier nehmen, und so sind diesmal nach Schrotthändlern und Gastronomen im vergangenen Jahr offenbar Winzer, Weingüter und ihre Lieferanten ins Blickfeld der Steuerfahnder geraten. Vorausgegangen sind den mit richterlichem Segen vollzogenen Hausdurchsuchungen in den Weinbaubetrieben offenbar Kontrollen bei Zulieferern. Bei denen lässt sich anhand der erforderlichen Aufzeichnungen im Zuge der Rückverfolgbarkeit des Materialflusses relativ leicht der Weg auch illegal beschaffter Materialien nachvollziehen. Eine gehörige Portion Dummheit gehört im einen oder anderen Fall natürlich auch dazu, wenn berichtet wird, dass in manchem Betrieb die Ehefrau peinlich genau Aufzeichnungen darüber geführt hat, was tatsächlich und was angeblich eingenommen wurde und wohin das Geld verschwand. Dumm, wenn sich solche Aufzeichnungen im Betrieb befinden, wenn die Fahnder vor der Tür stehen. Ob der Auslöser für die Ermittlungen die Betriebsprüfungen bei einem Lieferanten von Verschlüssen in Baden-Württemberg gewesen sind, die bereits einige Zeit zurückliegen und von den dortigen Finanzbehörden an die rheinland-pfälzischen gemeldet wurden, ist im Endeffekt unerheblich. Die Wahrheit wird man vermutlich eh nicht erfahren. Fakt ist, die umfangreichen Ermittlungen der Steuerfahnder halten an und manch prominenter Name sei bereits ins Netz gegangen, berichten Insider. Stellt sich natürlich die Frage, wie der Fall denn nun zu werten ist: Als ein Steuer- oder doch eher ein Weinskandal? Die Antwort wird wohl lauten, etwas von beidem. Lange wurden Steuervergehen als Kavaliersdelikte eingestuft. Doch die Zeiten haben sich geändert, seit die Finanzämter auf Drängen der Politik massiv gegen Steuerhinterzieher und ihr im Ausland vor dem Fiskus verstecktes Geld vorgehen. Man kann sich mit Fug und Recht über Sinn und Unsinn von Steuern und Abgaben ärgern. Auch die Gier des Staates und die maßlose Verschwendung von Steuergeldern stoßen sauer auf. Aber Recht und Gesetze müssen für alle gelten. Es kann nicht sein, dass mehr als 40 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland nackt bis auf das Hemd von den Steuerbehörden durchleuchtet werden und auf der anderen Seite der eine oder andere Landwirt meint, sich um Umsatz- und Einkommensteuer drücken zu können. Zumal gerade die Landwirtschaft wie keine andere Branche vom Staat Zuwendungen und Subventionen erhält. Niemand bezahlt gerne Steuern, aber Gesetz ist Gesetz, und wohin ein Staat verkommt, der nicht für Ordnung und im Interesse aller für Gleichbehandlung sorgt, ist am Beispiel Griechenlands zu sehen. Natürlich übertreiben auch die Finanzbehörden, und jeden Selbstständigen bereits als kriminellen Steuerhinterzieher zu behandeln, steht weder dem Staat und noch seinen Vollzugsbeamten zu. Der Fall hat auch eine weinrechtliche Seite. Die ist nicht minder spannend als die steuerrechtliche. Die Weinkontrolle ist im Moment wohl doch nicht über die einzelnen Fälle informiert, aber das wird kommen. Denn außer der Frage wieso Flaschen, Verschlüsse und Etiketten am Fiskus vorbei beschafft, befüllt und verkauft wurden, stellt sich die Frage: Woher stammt der darin befindliche Wein? Waren das Übermengen? War das Wein, der in keinem Kellerbuch zu finden ist? Wie steht es um die Einhaltung der Hektarhöchstertragsregelung, wenn die so leicht zu umgehen ist? Fragen über Fragen, die natürlich nach Antworten verlangen. Für die Betroffenen können die Verfahren unangenehme Folgen haben.

Hermann Pilz [email protected]