Ausgabe 04/2017

Die Welt zu Gast

WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 04/2017

Mich begeistert, was Deutschland in den letzten Jahrzehnten geschaffen hat. Besinnen wir uns: Allmählich neigt sich die Zeit dem Ende entgegen, in der Erwachsene, die das Dritte Reich und den Weltkrieg erlebt haben, noch davon berichten können. Als Nachkriegskind durfte ich viel aus erster Hand erfahren, aus den Erzählungen meiner Eltern, Großeltern, Verwandten und Bekannten. Was war das faschistische Nazi-Deutschland für ein angsteinflößendes und menschenverachtendes Regime. Tödlich für viele Menschen, hinterließ es Deutschland, Europa und die Welt in einem Trümmerhaufen.

Die Ideologie setze auf Ausgrenzung, Hass, Neid, Verrat, Angst und förderte die schlechtesten Eigenschaften vieler Menschen zutage. Nach der Niederlage, die eine Befreiung war, wurde unser Land aufgefangen von anderen Nationen und Völkern. Wie viel Leid wurde in deutschem Namen in der Welt und in Deutschland verursacht? Man wird es nie beantworten können. Die Mahnung bleibt und wir müssen sie wach halten. Doch Deutschland durfte zurückkehren in den Kreis
zivilisierter Völker. Mit Demut und Achtung vor der Größe derer, die uns das ermöglichten, darf Deutschland, dürfen Deutsche, heute wieder Teil der Völkergemeinschaft sein. Keine Selbstverständlichkeit.
Und dieses Nachkriegs-Deutschland hat seine Chancen ergriffen und sich bei passenden Gelegenheiten weltoffen, menschlich, verantwortungsvoll und hilfsbereit gezeigt. Bei Olympischen Spielen, bei Welt- und Europameisterschaften war es wohl am eindrucksvollsten. »Die Welt zu Gast bei Freunden«, ein wunderbares Motto, das vor zehn Jahren eine ganze Generation beflügelte.

Für mich sind die internationalen Messen, die auf deutschem Boden stattfinden, Ausdruck dieser Weltoffenheit. Vor Kurzem fand die BioFach in Nürnberg statt: 2.785 Aussteller aus 88 Ländern präsentierten ihre Produkte aus allen Bereichen der Nahrungs- und Genussmittelbranche. Über 50.000 Besucher reisten aus über 130 Ländern zur weltgrößten Biomesse nach Nürnberg. Für viele Menschen in der Welt ist Deutschland deshalb ein Begriff.
In wenigen Wochen geht in Düsseldorf mit der ProWein 2017 die größte Weinmesse der Welt über die Bühne. Sie hat sich innerhalb von 25 Jahren zur internationalen Leitmesse der Weinbranche entwickelt. Rund 6.400 Aussteller aus 61 Ländern präsentieren ihre Weine. Über 50.000 Besucher aus mehr als 100 Ländern werden Deutschland, Düsseldorf, dem Rheinland und der ProWein einen Besuch abstatten.

Vom internationalen Austausch von Waren und Ideen ziehen alle Nutzen. Der Wettbewerb um bessere Leistungen und Qualitäten setzt Kräfte frei und fördert ein besseres Leben und den Wohlstand aller. Wäre das möglich, würde sich Deutschland ausgrenzen, abschotten, in den eigenen Grenzen verbarrikadieren, sich der Welt und Menschen anderer Nationen und Völker verweigern? Ausgerechnet die eigentlich liberalen Länder England und USA gehen diesen Weg, von schäbigen, bornierten Dummköpfen verführt. England verlässt die EU nicht wegen ihrer Fehler, sondern um sich abzuschotten von Polen, Italienern, Spaniern, Deutschen und Franzosen. Was für eine Idiotie? Wo Probleme sind, müssen sie angesprochen und nach Lösungen gesucht werden. Lösungen gibt es immer. Dazu brauchte es die Offenheit gegenüber anderen und Andersdenkenden.

Wir haben ein weiteres Mal Gelegenheit, Größe und Vernunft zu beweisen. Soll man Gleiches mit Gleichem vergelten? Ich meine, nein. Die Geschichte lehrt, dass Vernunft, Geduld und Gesprächsbereitschaft dem Wohl aller mehr dienen als Konfrontation und Gewalt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen zusammen mit der Redaktion und dem ganzen Meininger-Team eine erfolg- und begegnungsreiche ProWein 2017. Vieleicht besinnt sich ja auch der deutsche Weinbau, überwindet die selbstgesteckten Grenzen und ergreift seine Chancen im Wettbewerb mit anderen. Dann könnte auch der Marktanteil deutscher Weine wieder über die mageren 35 Prozent hinaus steigen.

Hermann Pilz
Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT
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