Reife Leistung

Die Privatbrauerei Erdinger ist eine der wenigen großen Weißbierbrauereien, die trotz hohem Aufwand auf die traditionelle Flaschengärung setzt. Dafür nimmt sich Erdinger etwas, das heute rar ist: Zeit.

15 Millionen Flaschen Weißbier reifen in Erding im klimatisierten Hochregallager. / Credits: Erdinger

Technisch gesehen ist die Flaschengärung eine anspruchsvolle Angelegenheit. Zunächst wird das im Gärkeller vergorene Jungbier filtriert und in einem Mischtank mit frischer Hefe und unvergorener Vorderwürze vermischt. Anschließend wird es in Flaschen oder Fässer abgefüllt, wo die Hefe den Malzzucker der Würze vergärt und dabei Kohlensäure bildet. Während dieser Nachreifezeit bekommt das Erdinger Weißbier seinen charakteristischen Geschmack, die entstehende feinperlige Kohlensäure sorgt für die prickelnde Frische.

Was im Prinzip einfach klingt, erfordert großen Aufwand. Kompromisslose Sauberkeit bei allen Brauprozessen ist eine Grundvoraussetzung für Flaschengärung. Dass auf Pasteurisierung verzichtet wird, kommt dem Geschmack sowie dem Vitamingehalt des Weißbieres zugute. Zudem brauchen die Hefen für ihre Arbeit konstante Temperaturen. Die Brauerei verfügt über ein speziell klimatisiertes Hochregallager, in dem die Weißbiere je nach Sorte unterschiedlich lange nachgären. Rund 15 Millionen Flaschen reifen hier zu einer traditionellen Bierspezialität – ähnlich dem Verfahren bei der Champagnerherstellung. Erst wenn der ideale Reifegrad erreicht ist, gelangen sie in den Verkauf.

Die hohe Flaschenzahl verdeutlicht den logistischen Aufwand, der ohne modernste Computertechnologie in dieser Größenordnung kaum zu bewältigen wäre. In Bayern hat die Flaschengärung eine lange Tradition. Weil sie jedoch sehr aufwendig ist, wird sie heute nur noch von wenigen Brauereien gepflegt. Erdinger wendet dieses bewährte Verfahren der Flaschengärung bei seinen hefehaltigen Weißbieren bereits seit Unternehmensgründung an. Übrigens: Auch das Weißbier, das für Gastwirtschaften in Fässern geliefert wird, reift direkt im Fass. Streng genommen muss es also „Gebindegärung“ heißen.

Interview

„Wir brauen ausschließlich Craftbiere“ Josef Westermeier, Geschäftsführer Erdinger Weißbräu, über die Erdinger-Strategie

Mit einem Absatz von 1,82 Millionen Hektolitern war das vergangene Jahr das bisher erfolgreichste in der Geschichte von Erdinger. Welche Rolle spielte dabei Erdinger Alkoholfrei?

Erdinger Alkoholfrei hat sich zu einer tragenden Säule im Sortiment entwickelt. Hier halten wir uns nicht nur auf hohem Niveau, sondern verzeichnen Jahr für Jahr beständig moderate Zuwächse. Die stärkste Sorte bei uns ist aber nach wie vor unser Klassiker Erdinger Weißbier mit feiner Hefe. Hier sehen wir weiterhin viel Potenzial, ebenso für Weißbier dunkel oder die Urweisse. Insgesamt stagniert zwar der Markt, weist aber innerhalb der Marken eine hohe Dynamik auf. Mit der richtigen Markenpolitik und einer nachhaltigen Wertepolitik können also weiterhin Erfolge generiert werden.

Craftbiere beleben aktuell den deutschen Biermarkt. Wann braut Erdinger eins?

Wir brauen in Erding ausschließlich Craftbiere auf höchstem Niveau und haben noch nie etwas anderes gemacht. Craftbier zu brauen, bedeutet für uns, mit Liebe und Leidenschaft Bier zu brauen. Außerdem haben wir mit Erdinger bereits die preisliche Differenzierung zu den großen Pilsmarken erreicht. Für uns sind weitere Spezialitäten kein Thema, wir wollen unser bestehendes Sortiment vorantreiben. Wir sehen mit unserem Portfolio noch Wachstumspotenzial im Markt. Daran wollen wir arbeiten. Auf welche Art und Weise die Craft- und Edelbiere den Markt beleben und die Bierpreise nach oben bringen, ist egal. Wichtig ist, dass sich etwas bewegt.

Stichwort Gastronomie: Hier hat man den Eindruck, dass in Bayern die Welt noch in Ordnung ist, insbesondere in der Landgastronomie. Profitiert Erdinger davon?

Das Gegenteil ist der Fall: Allein in Oberbayern stehen über 500 Landgaststätten leer. Wir haben hier auch ein Generationenproblem. Die Gastronomie ist kein einfaches Geschäft und die jungen Leute wollen oftmals den Betrieb der Eltern nicht weiterführen. Ich möchte mich bei der erfolgreichen Gastronomie nicht auf verschiedene Typen festlegen. In der Regel ist die erfolgreiche Gastronomie eine Kombination aus Preis, Qualität und Service. Wenn das in Harmonie ist, funktioniert es auch. Wir sagen unseren Wirten immer, sie sollen so kochen, dass sie es selber gerne essen würden.

Wo sehen Sie Potenzial für weiteres Wachstum Ihrer Marke?

Wir setzen unsere geradlinige Markenpolitik weiter fort und werden so Marktanteile dazugewinnen. Bayerische Bierspezialitäten liegen im Aufwind, was sich auch positiv auf unser Exportgeschäft auswirkt. Mit unserer Philosophie als Botschafter der bayerischen Lebensfreude liegen wir hier genau richtig. Unsere Strategie lautet: strikt am Kern unserer Marke festhalten und sich in Nuancen weiterentwickeln.