Insgesamt landen etwa 37 Prozent der Getränkekartons gar nicht erst im Gelben Sack, sondern werden fälschlich in der Papiertonne, dem Restabfall oder der Umwelt entsorgt, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe. (Foto: DUH)
Insgesamt landen etwa 37 Prozent der Getränkekartons gar nicht erst im Gelben Sack, sondern werden fälschlich in der Papiertonne, dem Restabfall oder der Umwelt entsorgt, kritisiert die Deutsche Umwelthilfe. (Foto: DUH)

Deutsche Umwelthilfe kritisiert Ökobilanz zu Getränke-Plastikkartons

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die vom Heidelberger IFEU-Institut im Juli 2019 veröffentlichte und zwischenzeitlich wegen falschen Angaben zurückgezogene Ökobilanz zu Getränkekartons und Mehrwegflaschen als Musterbeispiel für Greenwashing.

„Wie lässt die Industrie eine aus bis zu 50 Prozent Kunststoff und Aluminium bestehende Einwegverpackung, die lediglich zu etwa einem Drittel recycelt und oft in der Umwelt entsorgt wird, umweltfreundlich erscheinen? Ganz einfach: Über eine Auftrags-Ökobilanz, die mit falschen Angaben zu Mehrweg und dem Zauberinstrument der ‚CO2-Gutschrift‘ ausgerechnet den Getränke-Plastikkarton schönrechnet“, kommentiert DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Negative ökologische Folgen von Kunststoffverpackungen, wie die Vermüllung der Landschaft, Eintrag der Kunststoffpartikel in Flüsse, Seen und Meere oder die Belastung von Tieren und Menschen mit Schadstoffen und Mikroplastik, wurden nach Angaben der DUH bei er ökobilanziellen Betrachtung ausgeklammert. Auch die in der IFEU-Studie angenommene Recyclingquote für Getränkekartons liege nach Berechnungen der DUH nicht bei 64,7 Prozent, sondern tatsächlich bei nur 35,8 Prozent, wie eine Infografik der DUH zeigt. Demnach wird kaum mehr als ein Drittel der Getränke-Plastikkartons recycelt.

IFEU-Institut berechnete auf flascher Grundlage

In der IFEU-Ökobilanz wurden laut DUH für Mehrwegflaschen für Milch Transportentfernungen von 1.443 Kilometern und für Saft und Nektar von 1.231 Kilometern angenommen. Auf dieser Basis, so die DUH, kommunizierten das IFEU-Institut und der Getränke-Plastikkartonverband FKN, dass Getränke-Plastikkartons für Milch aus Umweltsicht besser sowie für Saft und Nektar zumindest gleichauf mit Mehrwegflaschen seien. Erst nachdem  das IFEU-Institut von Fachleuten auf die unrealistischen Zahlen und Ergebnisse angesprochen wurde, räumte dieses ein, mit falschen Zahlen gerechnet zu haben. Man habe verwendete Gutachten zu Transportentfernungen, die ebenfalls im Auftrag des FKN erstellt wurden, nochmals überprüft und festgestellt, dass man ‚aus Versehen‘ die Transportentfernungen für Mehrweg verdoppelt hatte.

Als besonders dreist bewertet die DUH den Trick, durch zu hohe CO2-Gutschriften – ausgerechnet für die Verwendung von Primärfasern anstelle recycelten Papiers sowie die Verbrennung der Getränkekartons – die Klimabilanz der Einwegverpackung schönzurechnen. „Die CO2-Gutschriften in der IFEU-Ökobilanz machen Getränke-Plastikkartons im Milchsegment auch dann klimafreundlicher als Mehrwegflaschen, wenn diese ohne jeglichen Transport in der Molkerei abgefüllt, leer getrunken und wiederbefüllt würden. Gleichzeitig könnten laut der Studie Getränkekartons tausende Kilometer weit transportiert werden. Spätestens hier erkennt man, dass die Annahmen völlig absurd sind und mit der Realität nichts zu tun haben“, erklärt der Stellvertretende Leiter für Kreislaufwirtschaft Philipp Sommer.

Die DUH fordert das IFEU-Institut auf, zukünftig – gerade auch bei Gutachten im Auftrag der Einweg-Industrie – eine realistische Bewertung von Getränke-Plastikkartons und Mehrwegflaschen vorzunehmen. Wichtige und in dieser Studie nicht oder nur ansatzweise berücksichtigte Umweltkriterien wie etwa die Vermüllung der Umwelt, entstehendes Mikroplastik, die Schäden in marinen Ökosystemen, die Naturraumbeanspruchung oder die Human- und Ökotoxizität sollten bei der Ergebnisfindung gleichwertig berücksichtigt werden. //pip

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GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.