Ausgabe 08/2020

Ende noch nicht in Sicht!

ddw08-2020

Seit über einem Monat dreht sich für alle Menschen
weltweit alles um das Thema Corona. Jedes EU-Land
setzt die Maßnahmen des sogenannten »Social Distancing
« unterschiedlich um. Neben den Bürgern, die
in ihrem privaten und ihrem Arbeitsumfeld betroffen
sind, leidet die Wirtschaft insgesamt erheblich unter diesen Einschränkungen.
Es ist daher nicht überraschend, dass wir uns
auch in dieser Ausgabe wieder mit den aktuellen Folgen der Corona-
Krise beschäftigen.
In den vergangenen Wochen haben wir die Politik immer wieder
zu rascher, unbürokratischer, wenn nötig auch zu unkonventioneller
Hilfe für unsere betroffenen Weinbaubetriebe aufgefordert.
Wir sind dankbar, dass zahlreiche
Hilfsmaßnahmen mittlerweile von der Bundesregierung
erlassen wurden, damit auch der
Weinsektor mit den unmittelbaren wirtschaftlichen
Folgen fertig werden kann. Weitere müssen
noch folgen! Zuletzt wurde beschlossen,
dass Erntehelfer und Saisonarbeitskräfte in begrenztem
Umfang und unter strengen Auflagen
wieder nach Deutschland kommen dürfen. Im
April und im Mai wird jeweils bis zu 40.000 Saisonarbeitern
die Einreise ermöglicht. Ein Stück
Arbeitnehmerfreizügigkeit zwischen den EULändern
ist damit wiederhergestellt. Insgesamt ruft die EU ihre
Mitglieder zu Solidarität und zu abgestimmtem Verhalten auf.
Europaweit befürchten bzw. erleiden viele Erzeuger erhebliche
Umsatzeinbußen. Insbesondere längerfristige Schließungen
von Hotel- und Gastronomiebetrieben sind dafür verantwortlich.
Aus einigen EU-Ländern wird daher der Ruf nach Krisendestillation
bereits laut! In vielen EU-Ländern nimmt aber der Konsum
zu Hause zu, viele Menschen decken sich derzeit im LEH
ein. Wie sich die Absatzzahlen mittel- bis langfristig entwickeln
werden, hängt davon ab, wie lange die Maßnahmen des »Social
Distancing« aufrechterhalten werden. Schwierig ist es allerdings,
in dieser ungewissen Situation und zu diesem Zeitpunkt der Vegetationsperiode
von der Politik bereits Entscheidungen zur Ertragsregulierung
zu verlangen! Notwendige Weichen sollten jedoch
gestellt werden, um – sofern wirklich erforderlich - schnell
reagieren zu können.
Die Weinbauländer Europas sind sich einig, dass die Weinbranche
auch nach dem Ende der Maßnahmen vor erheblichen
Herausforderungen stehen wird. Auf europäischer Ebene wird
daher bei der Durchführung der nationalen Stützungsprogramme
eine Flexibilisierung gefordert. Die Fristen für die Durchführung
der genehmigten Maßnahmen sollten um ein Jahr verlängert
werden. Außerdem wird gefordert, dass Gelder aus dem
Stützungsprogramm, die im aktuellen Jahr nicht verwendet
werden, über drei Jahre eingefroren werden und den Mitgliedstaaten
damit nicht verloren gehen. Flexibilisierung ist bestimmt
der richtige Ansatz. Auch bei den Pflanzrechten werden Ausnahmen
gefordert: Die dreijährige Frist zur Ausführung einer Neupflanzung
soll verlängert werden und in diesem Zusammenhang
vorgesehene Strafzahlungen aufgehoben werden – so die Forderung
auf europäischer Ebene. Um innerhalb von Europa Wettbewerbsverzerrungen
zu vermeiden, brauchen
wir in jedem Fall einheitliche oder zumindest
zwischen den Ländern abgestimmte Lösungen.
Wie wird es weitergehen? Eine Lockerung
der Kontaktsperren darf nach Aussagen der
Fachleute nicht zu früh erfolgen, weil sonst
das Risiko hoch ist, dass das Virus wieder aufflackert.
Andererseits muss es so schnell wie
möglich passieren, damit unsere Wirtschaft
nicht unnötig weiter leidet. Einige Winzer
gehen aktuell bei der Pflege der Kundenkontakte
neue Wege, da sie in ihren Weinbaubetrieben keine Weinproben
mehr anbieten dürfen. In den letzten Tagen
gab es auf Facebook und Instagram einige
Angebote für sogenannte »Live Tastings«,
bei denen der Konsument vorab georderte
Weine »gemeinsam« und »live« mit dem
Winzer auf seiner häuslichen Couch verkosten
kann. Der Winzer kommt also digital
vorbei. Ein Alternativkonzept auch für
die Zeit nach Corona? Durchaus denkbar,
auch wenn ich selbst in Zukunft nicht auf das
persönliche Gespräch mit dem Winzer
verzichten möchte. F