Das Fließband Teil II

Peter H. MüllerCheck-in in einem der zehn Hotels am Platze, die allesamt den selben horrenden Preis für eine Übernachtung aufrufen. Dies ist selbstredend vollkommen gleichgültig, da es ausschließlich diese zehn Hotels gibt, sie von daher sowieso stets ausgebucht sind und jeder Gast nur einmal dort schläft. Mit der Aussage „Ich bin gespannt was sie zu ihrem Zimmer sagen werden“, bestätigt die Frau an der Rezeption, deren Kragen zur einen Hälfte aus Make-up besteht und zur anderen aus etwas, das eine Mischung aus Marmelade und Rotwein oder Blutkruste sein könnte, formlos, dass hier der Wurm drin steckt. Wenn nicht gar der Lindwurm. Über enge dunkle Flure und auf Böden, die mehr aus Milben als aus Teppich bestehen und mit der verheißungsvoll düsteren Stimmung von „Fear and Loathing in Las Vegas“ aufwarten, geht es zum Zimmer. Von zwölf Glühbirnen haben, auf dem Weg dorthin, sieben geleuchtet. Das ist eine durchaus vielversprechende Ratio für einen unvergesslichen Aufenthalt. 

Das Kissen grüßt mit einem bereits geöffneten Tütchen Gummibärchen und einem beachtlich langen Achselhaar des korpulenten Alten, der im Feinripp Unterhemd im Keller in der Mangelstube neben seinem Radio sitzt, das lediglich rauscht, weil es ja im Keller steht. Das splitternde Glas der Duschkabine fordert heraus zur nervenkitzelnden Erfahrung der Körperreinigung im Reich der Fakire. Die Lüftung ist nicht nur defekt, sondern wurde schlicht herausgerissen und ersetzt durch ein klaffendes Loch mit der Angst einflößenden Ausstrahlung des Nichts auf seinem Vernichtungszug durch Phantasien. Und wem gehören eigentlich diese ausgelatschten Schuhe neben dem Bett? Egal. Die freundliche Hausdame im  80er-Jahre-Jogging-Anzug bringt die noch fehlenden Handtücher. Aufmerksam, wie sie ist, hat sie diese bereits vor-angefeuchtet. 

Erstmal in den Frühstücksraum, beziehungsweise die Mittagsbuffet-Station, beziehungsweise das A-la-Carte Restaurant. Eben der Raum mit den Vasen mit den vergilbten Preisschildern darauf und den verstaubten Plastikblumen darin. Der Raum, der mehr nach Chafing-Dish-Paste riecht als nach irgendetwas zu essen. Der Raum, in dem der vom örtlichen Krankenhaus ausrangierte Kaffee- und Suppenautomat steht.
„Was soll‘s? Schließlich sind wir nur einmal in Hallstatt/Florenz/Dubrovnik/ (an dieser Stelle nach Belieben hoch frequentierte und penetrierte Touristenstätte einfügen).
Zweimal Chicken Bombay mit Reis­timbalen und Dosenananas, bitte.“

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

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Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

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Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote