Stefan Nink über tierische Abzocke im Urlaub

HAB’ ICH AN DIESER STELLE EIGENTLICH SCHON MAL ERWÄHNT, dass ich Affen nicht sonderlich leiden kann? Als ich sieben war, bin ich im Zoo gebissen worden, von einem Gibbon, der meinen Zeigefinger durch die Stäbe seines Käfigs zog und offenbar testen wollte, wie der schmeckt. Seitdem leide ich an einer Art posttraumatischem Affenbiss-Syndrom (ich für mich nenne das „mein PTAS“). Wann immer mir Affen begegnen – und in einigen Ecken dieser Welt begegnen sie einem leider regelmäßig – kriecht Angst meinen Nacken hinauf. Ich werde dann sehr still, nehme große Umwege in Kauf oder trete gleich den Rückzug an.

Auf Bali ging das nicht, da habe ich nämlich nichts mehr gesehen. Ich bin stark kurzsichtig, minus fünf Dioptrien auf beiden Seiten, ohne Brille verschwimmt die Welt um mich herum hinter einer Art Schleier. Und meine Brille war weg, weil ein Affe sie mir von der Nase gerissen hatte. Zuvor war ich auf einem Leihmoped quer über die Insel getuckert, zu einem abgelegenen Tempel, der im späten Licht des Tages besonders schön sein sollte. War er auch. Und die Aussicht von dort oben ebenfalls, man sah über eine niedrige Mauer hinweg hinunter auf Bali. Zumindest ein paar Minuten lang. Dann kam von Gott weiß woher ein Affe gesprungen, landete auf meiner Schulter, krallte sich meine Brille und hüpfte hinunter in den Berghang. Da saß er dann, drei, vier Meter entfernt und trotzdem unerreichbar – die Böschung war viel zu steil zum Hinterherklettern.

Foto: Ralf Ziegler/AdLuminaStatt meines PTAS ergriff mich Verzweiflung. Ich war mir nicht sicher, ob ich im Hotel eine Ersatzbrille hatte. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass ich ohne Brille in der Dämmerung noch nicht einmal mit dem Moped zurückfahren konnte. Ich würde ein Taxi nehmen müssen, und am nächsten Tag ein weiteres, um wieder zu meinem Moped am Tempel zurückzukommen. Falls überhaupt eine Brille im Gepäck war. Ansonsten: zuerst zum Optiker. Ach, diese Affen! Dachte ich. Ach, diese Affen! Sagte ein Mann, der plötzlich neben mir stand. Und mir seine Hilfe anbot. Einen Moment später kletterte er über die Mauer in den Hang, holte eine Handvoll Erdnüsse aus der Jackentasche und begann, auf den Affen einzureden. Der Affe kam augenblicklich angerannt. Nahm sich die Nüsse – und gab dem Mann meine Brille. Ich konnte es kaum fassen und bedankte mich überschwänglich.

 

Der Mann freute sich und sagte, er würde sich noch mehr freuen, wenn er für seine Dienste belohnt werde. Ich gab dem Mann Geld, und weil er seine Hand weiter ausstreckte und weiter lächelte, gab ich ihm noch mehr Geld. Obwohl ich mein PTAS spürte, drehte ich mich auf dem Weg zum Moped noch einmal um. Rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Affe – DER Affe – einer Touristin die Brille klaute und mit ihr hinter der Mauer verschwand. Augenblicklich ging der Mann – DER Mann – auf die Frau zu und sprach beruhigend auf sie ein. Dann kletterte er über die Mauer, dem Affen hinterher ... Wahrscheinlich gibt es gar keinen Grund, Affen nicht leiden zu können, dachte ich später bei einem Glas Wein an der Hotelbar. Wahrscheinlich sollte ich eher damit beginnen, bei einer gewissen Spezies Mensch vorsichtig zu sein.

 

Stefan Nink ist Reisejournalist. Man kennt ihn aus Funk, Fernsehen und verschiedenen Magazinen. Für uns schreibt er regelmäßig Kolumnen. "Affentanz" ist in Ausgabe 4/21 von MEININGERS WEINWELT erschienen.

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