Am Stammsitz der ältesten Winzergenossenschaft der Welt kam es zu großen Schäden (Foto: WG Mayschoß-Altenahr)
Am Stammsitz der ältesten Winzergenossenschaft der Welt kam es zu großen Schäden (Foto: WG Mayschoß-Altenahr)

Noch immer große Unklarheit

»Man fühlt sich wie in einem alten Kriegsfilm«, sagt Matthias Baltes, geschäftsführender Vorstand der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr, im Gespräch mit WEINWIRTSCHAFT. Die Standorte der ältesten Winzergenossenschaft der Welt liegen in dem am schlimmsten betroffenen Teil der Flutkatastrophe, dem oberen Ahrtal von Walporzheim bis in den Westen. 

Noch immer ist unklar, wie viel Wein die WG Mayschoß-Altenahr in der Flut verloren hat. Die Kellermeister sind immer noch am Bergen und prüfen, ob Fässer intakt geblieben sind. Die drei Vinotheken der Winzergenossenschaft sind alle unbrauchbar geworden. Am Stammsitz in Mayschoß, das lange nicht über offizielle Wege erreichbar war, mussten aus Sicherheitsgründen Gebäudeteile abgerissen werden. 

Zwei Wochen nach der Katastrophe konnte die Verwaltung ein 2-Mann-Notbüro bei einer Raiffeisen-Gesellschaft in Gelsdorf beziehen, sodass Vertrieb und Buchhaltung wieder ihre Tätigkeit aufgenommen haben. Baltes selbst wechselt zwischen den Standorten und koordiniert die Aufräumarbeiten. 

Ernte sichern als wichtigstes Ziel

Höchste Priorität genießt die Wiederherstellung der Annahme, die komplett unter Wasser stand. Die Techniker zeigen sich zuversichtlich, sie bis zum Herbst wieder einsatzfähig zu kriegen, doch das Zeitfenster ist mit sechs Wochen knapp bemessen. Doch auch wenn es den Arbeitern gelingt, die Anlage rechtzeitig zum Herbst instandzusetzen, bleiben externe Probleme. Sind die Strom- und Trinkwasserversorgung bis dahin sichergestellt? 

Trotz aller Bemühungen im Weinberg, in denen Winzer aus anderen Anbaugebieten bei den Laubarbeiten aushelfen und Hubschrauber mit einer Sondergenehmigung das Spritzen übernommen haben, stehen hinter der Ernte also Fragezeichen, denn realistisch betrachtet werden mindestens 90 Prozent der Ernte über die Annahmen der Genossenschaften Dagernova und Mayschoß-Altenahr laufen müssen. Für die WG Mayschoß-Altenahr ist die eigene Annahme ohnehin nahezu alternativlos, da nur so die für die Auszahlungen relevanten Messungen durchgeführt werden können.

Die zusammengebrochene Infrastruktur erschwert die Aufräumarbeiten zusätzlich. Immerhin funktioniert das Mobilfunknetz mittlerweile weitgehend, sodass die Bewohner nicht mehr 10 km auf einen Berg fahren müssen, um ein Telefonat zu führen, doch viele Straßen bleiben noch lange unbefahrbar. »Wofür man früher 10 Minuten unterwegs war, braucht man jetzt manchmal 90«, verdeutlicht Baltes. Das beste Fortbewegungsmittel ist der Traktor.

Angesichts der Zerstörungen ist es klar, dass der Wiederaufbau Jahre dauern wird. Die Sorge der Bewohner ist, dass der Fokus, in dem das Ahrtal derzeit steht, in dieser langen Spanne verloren geht.

Großer Zusammenhalt

Das positive Signal im Desaster ist der Zusammenhalt. Die Arbeiten im Weinberg werden pragmatisch organisiert, sodass die Bewirtschaftung unter Aspekten der Effizienz erfolgt und nicht danach, wem eine Parzelle gehört. Untereinander helfen sich die Winzer zudem mit Ausrüstung aus, denn manchen ist alles weggeschwommen. Baltes freut sich auch über die genossenschaftliche Unterstützung: »Wir haben massive Hilfe von anderen Genossenschaften erhalten. Sie haben Gitterboxen zum Lagern der verschlammten Flaschen zur Verfügung gestellt sowie Maschinen und Menschen, die sich selbst einbringen.«

Auch die Spendenbereitschaft freut die Winzer des Ahrtals. Speziell für die Winzer wurde der Verein AHR – A wineregion needs Help for Rebuilding geschaffen.
 
IBAN: DE 94 5775 1310 0000 339507
KSK Ahrweiler MALADE51AHR 

Daneben hilft auch die Aktion #Flutwein (www.flutwein.de), um Liquidität zu den Winzern zu bringen. Hier können Unterstützer zentral aus dem Schlamm geborgene Flaschen von Winzern aus dem Ahrtal erwerben. Eine Übersicht über zahlreiche Hilfsmöglichkeiten findet sich zudem beim Deutschen Weininstitut. cg

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

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Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.