Luxusproblem?

Erfolgreich und doch unzufrieden. Wer schon mal die südliche Voralpenlandschaft im östlichen Veneto in Augenschein genommen hat, wird nicht umhinkommen, dass hier Wohlstand und sicher auch viel Geld zuhause sind. Schmucke Einfamilienhäuser, herausgeputzte Dörfer und Straßen, Villensiedlungen, pittoreske Ortskerne und über die Landschaft verstreute Bauern- und Winzergehöfte wechseln sich munter mit gepflegten Gewerbe- oder Industrieimmobilien ab. Gebaut wird an vielen Stellen, auch das ein sichtbares Zeichen des Wohlstands. 

In Italien eilt den Venezianern oft das Vorurteil des Provinziellen voraus. Vor allem im Vergleich mit den Lombarden und Piemontesern, die sich dank der Finanzmetropole Mailand und der Autostadt Turin mondän und weltläufig fühlen.

Ein bisschen überträgt sich das Image auch auf die Weine der Regionen: Franciacorta gilt als nobler Spumante, Barolo und Barbaresco sind die Pfunde mit denen das Piemont wuchern darf. Prosecco hängt dagegen der Ruf des Bruder Leichtfußes, des flatterhaften Spaßmachers zum Carnevale di Venezia an.

Wie dem auch sei. Die Venezianer sind geschäftstüchtig und fleißig, was mehr als anderswo in der prosperierenden Provinz Treviso zwischen Valdobbiadene und Conegliano zu sehen ist. Der Erfolg des Proseccos hat sicher viel zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beigetragen.

Allem Wohlstand zum Trotz hadern gerade die vielen Winzer der Region mit der jüngsten Entwicklung. Es ist nämlich nicht alles Gold, was glänzt rund um die Marke Prosecco. Mit dem 2009er Coup und der Schaffung der beiden Herkunftsweine Prosecco DOC und Prosecco DOCG wurde zwar die Grundlage für einen beispielslosen Aufschwung des Prosecco DOC gelegt, dessen Absatz sich innerhalb einer Dekade quasi verfünffacht hat, mit dem der Absatz des Prosecco DOCG trotz Steigerungen jedoch nicht mithalten konnte. 

Hermann Pilz, Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT
Hermann Pilz, Chefredakteur WEINWIRTSCHAFT

Viele Winzer im Kerngebiet würden sich gerne abgrenzen vom übrigen Prosecco und ein anderes Image belegen. Befeuert wird der Wunsch durch die wirtschaftlichen Ungleichheiten. Beide Proseccos liefern den Winzern Hektarerlöse von etwa 25.000 bis 26.000 Euro.

Doch in den steilen Terrassen- und Hügellagen ist viel Handarbeit erforderlich. Der Arbeitsaufwand liegt bei 600 bis 800 Stunden pro Jahr und Hektar im Gegensatz zu 100 bis 150 Stunden in der Ebene, wo sie sich zudem die Arbeit voll mechanisieren lässt. In der Ebene ist somit mehr verdient als in den anspruchsvolleren Höhenlagen.

Viel Geld ist es allemal, aber der enorme Aufwand wurmt und die Winzer würden gerne mehr erzielen. Vor allem mit Blick auf die Zukunft: Wie lange hält der Prosecco-Boom noch an?  
Die Frage heißt daher: Wie abgrenzen? Der Markt nimmt nur den Begriff Prosecco wahr. Selbst in Italien erschließen sich die Unterschiede den Konsumenten kaum, je weiter man sich aus dem Veneto entfernt.

Das Beispiel des Proseccos macht deutlich, dass die Herkunft als Marke nicht allein glückselig macht. Es zeigen sich die Grenzen des Herkunftsmarketings. Ein Name für zwei unterschiedliche Produkte scheint problematisch zu sein. Es erinnert ein bisschen an die Großlagendiskussion in Deutschland und die lästige Trittbrettfahrerei. 

Daher ist die Branche auf der Suche nach einer Alternative. Nur zu verständlich, dass der Gedanke nahe liegt, den Vordenker wie der Önologe Loris Dall‘Acqua ins Spiel brachten, mehr auf die tatsächliche Herkunft Conegliano Valdobbiadene zu setzen als auf den Allerweltsnamen Prosecco, der für die meisten Konsumenten noch immer mehr Kategorie eines prickelnden Weins als wirkliche Herkunft sein dürfte.

Vielleicht rächt sich jetzt, dass 2009 Prosecco in Glera umgetauft wurde und ein kleiner Flecken nahe der Stadt Triest als Namensgeber für einen Großteil des östlichen Italien herhalten muss. Es war noch nie eine gute Idee dem Verbraucher ein X für ein U vorzumachen. Mehr Investitionen ins Marketing könnten womöglich helfen.

Ausgabe 8/2024

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