In manchen Weingütern ist die komplette Ausrüstung vernichtet worden (Foto: Kerstin Koch)
In manchen Weingütern ist die komplette Ausrüstung vernichtet worden (Foto: Kerstin Koch)

Brutale Flutschäden

Auch eine Woche nach der Flutkatastrophe an der Ahr ist die Lage noch unübersichtlich. Bis zum 21. Juli 2021 sind im Kreis Ahrweiler 122 Todesopfer zu beklagen, weitere 155 Menschen werden noch vermisst. Die Flut in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen dürfte ähnlich viele Menschenleben gefordert haben wie die Flutkatastrophe im deutlich dichter besiedelten Hamburg 1962. 

»Es ist ein herber Schlag für die gesamte Ahr«, kommentiert Dominik Hübinger, Geschäftsführer der Ahr Winzer eG Dagernova. Auch die Sachschäden sind enorm, die zerstörte Infrastruktur macht Aufräum- und Hilfsarbeiten sehr schwierig. Gebäude, die weiter von der Ahr entfernt stehen, sind teilweise glimpflich davon gekommen. Das zeigt sich auch bei den Ahr Winzern. Am Standort Dernau stand das Wasser in der Vinothek bis zum Dach. Das Gebäude muss kernsaniert werden. Der etwas höhergelegene Fasskeller wurde dagegen weitgehend verschont ebenso wie der Standort in Bad Neuenahr.

Die Kollegen von der WG Mayschoss-Altenahr schrieben am 18.7. auf Facebook: »Die letzten Tage sind nicht in Worte zu fassen, und aktuell wissen wir nicht, wie es weitergehen soll. Die Situation in Mayschoss und an der ganzen Ahr ist schrecklich, und wir haben keinen Strom, kein Wasser und keinen Empfang. Daher sind wir auch leider bis auf Weiteres nicht zu erreichen. Das komplette Gebäude der WG ist zerstört, und wir wissen aktuell nicht, wo wir zuerst helfen und anfangen sollen.« 

Das Weingut Adeneuer bittet gleichfalls auf Facebook »um Verständnis, dass wir erst einmal eine Betriebsstruktur aufbauen müssen« und daher schlecht erreichbar seien. Neben der Straßeninfrastruktur sind auch Telefon, Strom und weitere Versorgungsleitungen in vielen Gebieten ausgefallen. Auf Instagram schrieb das Weingut am 17.7.: »Leider ist sowohl das Flaschenlager als auch der Weinkeller komplett zerstört, und alles ist weg oder kaputt. Auch die Häuser sind unbewohnbar und zum Teil nicht zu erreichen, da die Brücken es nicht gepackt haben. Das komplette Ausmaß werden wir wohl erst in den kommenden Tagen einschätzen können.«

Die Schäden in den Weingütern unterscheiden sich von Betrieb zu Betrieb, ebenso wie die Abdeckung durch Versicherungen. Sicher ist: Die Flut hat Existenzen vernichtet. Im schlimmsten Fall sind im Rotweingebiet mit der gesamten Weingutsinfrastruktur auch zwei bis drei Ernten im Keller verloren gegangen, wobei auch die Voraussetzung für die Ernte 2021 schlecht sind.

Auch in den Weinbergen ist die Lage jedoch noch immer schwer zu beurteilen. »Die Flachlagen sind komplett zerstört«, erklärt Hübinger. Und die Weinbergsarbeit ist jetzt ein großes Problem: Die Peronospora-Gefahr ist hoch, die Bearbeitung wegen der durchweichten Böden und nicht mehr einsatzfähigem Gerät sowie fehlender Infrastruktur schwierig. Die versprochene Genehmigung zum Hubschrauber-Einsatz für das Spritzen kam im Laufe des 21.7., wobei der Luftraum über der Ahr zumindest teilweise gesperrt ist. 

Dennoch ist Hübinger optimistisch, dass Teile der Ernte gerettet werden können: »Wir spüren eine große Hilfsbereitschaft und Solidarität. Fachleute aus der Branche kommen von der Mosel und aus Rheinhessen sowie der Pfalz, um zu helfen. Es sind die vielen kleinen Hilfen, die uns voranbringen.«
Die Wiederaufbauarbeiten werden einen langen Zeitraum erfordern, und auch der für das Ahrtal so wichtige Tourismus wird erst einmal zum Erliegen kommen. »Wenn die Solidarität so weitergeht, wird uns der Wiederaufbau gelingen«, glaubt Hübinger.

Eine Übersicht über einige Hilfsmaßnahmen in der Weinbranche finanzieller Natur finden Sie hier, eine Adresse zur Koordination von Arbeitshilfe hier. Exemplarische Bilder von einigen Schäden in Weingütern hat DER DEUTSCHE WEINBAU veröffentlicht. cg

Ausgabe 6/2024

Themen der Ausgabe

Meininger’s Wine Conference

Die Zukunft liegt in der Technologie, oder nicht? So war die MWC.

Meininger Awards

Auf der großen Gala wurden verdiente Persönlichkeiten der Wein- und Spirituosenbranche ausgezeichnet.

ProWein 2024

Die ersten Eindrücke von der Messe in Düsseldorf.