Ausgabe 6/2022

WEINWIRTSCHAFT 06/2022

Themen der Ausgabe

Vinitaly

Großer Sonderbericht über die Messe, den italienischen Markt und den deutschen Markt für italienische Weine

Interview

Im Gespräch mit Christoph Mack von Mack & Schühle

Weinmarktanalyse

Zahlen belegen, wie sich das Einkaufsverhalten ändert

Neuseeland

Neuseeland = Sauvignon Blanc? Nicht ganz

Oenorama

Entdeckungsreise in Griechenland

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Was ist Luxus?

In Woche vier nach dem Angriff auf die Ukraine, manifestiert sich die schreckliche Erkenntnis: Dieser Krieg wird andauern. Dabei geht es um Menschenleben. Nichts kann wichtiger erscheinen, wenn wir die grausamen Bilder von zerbombten Wohnhäusern und Kinderhospitälern ins heimische, heimelige Wohnzimmer gesendet bekommen. 

Doch mit jedem Tag rückt der Krieg mit seinen Folgen auch ein Stück näher an uns heran. Schmerzlich wird es jedem an der Zapfsäule bewusst oder spätestens auf der Heizkostenabrechnung. Wohl dem, der sicher in Lohn und Brot steht, und diese Preissteigerungen zumindest partiell abfedern, die Mehrbelastung aushalten kann. Für alle jene, die eh schon am vorderen und hinteren Ende knapsen müssen, sind harte Zeiten angebrochen. Dass der Staat hier einschreiten muss, bestenfalls bevor sich Millionen Bürger die Frage nach Tanken oder Heizen stellen müssen, ist klar. Die Frage bleibt nur: wie? 

Klar ist auch das: Es wird teuer. Nach zwei Jahren mit massiven Ausgaben für Infektionsschutz und Unterstützungen für die Pandemie-gebeutelte Wirtschaft, rückt ein schuldengebremster Haushalt erneut in weite Ferne. Wieder müssen wir kreditfinanzierte Milliarden aufbringen, nun um die Kriegsfolgen aufzufangen. Dazu gehören neben der Aufnahme von Flüchtlingen, der Ausrüstung der Bundeswehr und der Abkehr vom russischen Gas auch die volkswirtschaftlichen Folgen, die ins Haus stehen: Zahlreiche Unternehmen, Corona-geschädigt oder nicht, werden die enormen finanziellen Belastungen nicht schultern können. Wieder wird der Staat mit Milliardenhilfen versuchen müssen, Insolvenz- und Arbeitslosenwellen abzuwenden oder zumindest abzumildern. 

Verzicht sei das Gebot der Stunde, hören wir vor allem aus der Politik. Für viele Menschen wird dies keine Frage der Freiwilligkeit sein. Viele werden sich die Flasche Wein schlichtweg nicht mehr leisten können. Und so könnte Wein, der zwar nicht jedem schmeckt, aber doch zumindest noch für jeden erschwinglich ist, zum Luxusgut werden. Denn natürlich ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis auch dieses Produkt deutlich mehr kosten wird müssen. Vom Brot- über den Nudelproduzenten bis zur Brauerei – höhere Preise für Lebensmittel sind unlängst im Supermarktregal angekommen. In der besonders von der Pandemie betroffenen – und leider oft auf wackeligen Kapitalfüßen stehenden – Gastronomie werden sich die explodierenden Kosten ebenso dramatisch auswirken. Viele Betriebe werden das womöglich nicht überleben, zumal im Preiseinstiegslevel schon jetzt ein harter Kampf um jeden Euro fürs panierte Schweineschnitzel geführt wird. Auswärts essen gehen, wird dann ebenfalls zum Gutverdiener-Hobby.

Das mag man in Teilen begrüßen, sind doch die Preise für Wein und Speisen teilweise lächerlich gering. Kein Lebensmittel sollte unter Wert verkauft, keine Flasche Wein für einen Euro im Sonderangebot beworben werden können. Doch zu selten macht man sich in seiner Blase wohl bewusst, dass Wein eben nicht nur das hochwertige Lagengewächs vom Handwerkswinzer ist. Wein ist ein landwirtschaftliches Produkt, das nicht nur bei uns in großen Mengen hergestellt wird – und weltweit eine Milliardenindustrie. Ob uns das als Weinkenner mit dem feinen Gaumen im wahrsten Sinne schmeckt oder nicht, ist dabei zunächst einmal völlig irrelevant. Am Produkt Wein hängen Existenzen, kleine Familienbetriebe wie große Konzerne, die Millionen Menschen Arbeit bieten.

Diese große Branche kann so übrigens auch in Krisenzeiten helfen: Neben den zahlreichen Hilfsaktionen, die die Weinwelt für die Ukraine in den vergangenen Tagen und Wochen auf den Weg gebracht hat (s. S.6), sticht ein Projekt der internationalen Sommelier-Vereinigung ASI heraus: Eine Wein-Jobbörse, die Geflüchteten schnellstmöglich eine Chance geben will, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, um nicht auf die finanzielle Hilfe anderer angewiesen zu sein. Denn auch das, Sicherheit und eine eigene Arbeit, kann ein großer Luxus sein.