Ausgabe 6/2021

Herzenssache
WEINWIRTSCHAFT Ausgabe 6/21

Themen der Ausgabe

Weinmischgetränke

Geliebt, vergöttert, verteufelt: kaum eine Rubrik polarisiert mehr als die der weinhaltigen Getränke

Benchmark Burgund

Spätburgunder und Chardonnay sind für Erzeuger und Händler nicht nur eine Frage des Stils

Nachhaltigkeit

Zertifizierungen und weitere Ansätze beflügeln die Diskussion um ökologische und soziale Verantwortung 

Konjunkturumfrage Spanien

Nachgefragt: Wie gut oder schlecht laufen spanische Weine im deutschen Fachhandel?

Discounter

Die Sonder-Platzierungen der Discounter zum Jahresendgeschäft unter der Lupe

Herzenssache

Es gibt sie noch die guten Nachrichten, Jubiläen zählen dazu, vor allem dann, wenn es sich um Unternehmen handelt, die uns als Presseorgan des Weinhandels und der Weinbranche besonders am Herzen liegen.

Die Handelsvertretung Stegemann mit Sitz in Felde bei Kiel in Schleswig-Holstein zählt dazu. Im April 1921, vor exakt einhundert Jahren, als die Spanische Grippe in Europa und der Welt allmählich abgeklungen war, erlebte die Handelsvertretung für Weine, Sekt und Spirituosen ihre Gründung. Vor genau 40 Jahren trat der heutige Firmeninhaber Kai-Michael Stegemann als junger Mann in die elterliche Firma ein. Die fünfte Generation tritt Anfang dieses Jahres in die Fußstapfen der Vorfahren.

Es dürfte wenige andere auf Wein und Sekt spezialisierte Handelsvertretungen geben, die eine vergleichbare Historie vorweisen können. In den vergangenen 100 Jahren ist viel passiert. Um die Höhen und Tiefen dieser Zeitspanne als Unternehmen zu überstehen, bedarf es besonderer Menschen mit besonderen Fähigkeiten.

Handelsagenturen sind in der Regel Familienunternehmen, wie auch im Fall der Firma Stegemann. Eine Familie hält zusammen, unterstützt sich gegenseitig und ist in der Lage auch mal über den Tag hinaus Besonderes zu leisten. Handelsvertretungen sind in der Wirtschaft das Salz in der Suppe. Sie bahnen Geschäfte an und sorgen damit für den entscheidenden Faktor, der Wirtschaft, Unternehmen und damit unsere gesamte Gesellschaft am Laufen hält: Sie sorgen für Verkauf, Absatz und Umsatz. Sie müssen Chancen wahrnehmen, Ideen entwickeln, den Verkauf und die Platzierung von Waren planen, die Kunden beraten und bei alledem die Interessen beider Seiten, der Erzeuger und der Kunden im Auge behalten. Für Handelsvertretungen gilt mehr als für viele andere Akteure: Man trifft sich mehr als einmal im Leben. 

Nach Handelsrecht machen sie Geschäfte auf fremde Rechnung und müssen daher eine besondere Sorgfalt mit dem ihnen übertragenen Mandat an den Tag legen. Klar, kann man Vertrieb auch zentral und vom Unternehmen aus regiegeführt organisieren. Das kann funktionieren, oft ist es aber die zweite Wahl. Meist sind in der mittelständischen Wirtschaft die Kosten höher und die Effizienz geringer. Viel Leerlauf muss in Kauf genommen werden.

Die meisten Handelsagenturen sind in ihrer Region fest verankert und spiegeln Wirtschaft und Gesellschaft wider. Rund 2.000 Kunden betreut die Handelsvertretung Stegemann in Schleswig-Holstein und im Großraum Hamburg und besitzt damit das Wichtigste, was ein Unternehmen für eine erfolgreiche Tätigkeit braucht: solide Kundenbeziehungen.

Sah es lange so aus, als wären die Tage der klassischen Agenturen gezählt, scheint sich eine gegenläufige Entwicklung Bahn zu brechen. Immer öfter wagen Vertriebsmitarbeiter den Sprung in die Selbständigkeit und gründen eigene Handelsagenturen. Die Entwicklung des Weinfachhandels und vor allem der selbständigen Lebensmitteleinzelhändler macht es möglich. Kundenbeziehungen sind gefragt, und sie sind eine Gegenbewegung zur Konzentration im Handel. 

Auf die Frage, wie die Branche und sein Unternehmen durch die derzeitige Krise kommen, zeigt sich Stegemann zuversichtlich. Seine Handelsagentur ist auf vielen Feldern tätig. Im Facheinzel- und Lebensmittelhandel läuft es mit Marken aus dem Wein-, Getränke-, Süßwaren- und Feinkostbereich gut. Die Kunden des gastronomieorientierten Großhandels leiden dagegen. Der Lockdown der Gastronomie schmerzt, genauso wie die Grenzlandgeschäfte Richtung Skandinavien brachliegen. Die Umsatzzuwächse im Handel können die Verluste in den übrigen Bereichen nicht ausgleichen.

Aber es wird und muss weitergehen. Auch wenn nicht alle Maßnahmen für ihn nachvollziehbar sind, so zeigt er doch Verständnis und zitiert einen alten Bergmannsspruch: »Vor der Hacke ist es duster«. Dem ist nichts hinzuzufügen.