Ausgabe 5/2022

WEINWIRTSCHAFT 05/2022

Themen der Ausgabe

Krieg in der Ukraine

Welche Folgen hat der Krieg für die Weinbranche?

Interview

Im Gespräch mit Henning Seibert von der Moselland eG

Non-fungible Tokens

Modernste Technik im Fine-Wine-Segment

Rheinhessen

Rheinhessens Stärke liegt in seiner Vielfalt

ProWein Business Report

Aktuelle Themen für Produzenten und im Handel

Einzelheft bestellen oder Abo abschließen:

 

 

 

Give peace a chance

Manchmal ist Schweigen die beste Alternative. Angesichts des Kriegs in der Ukraine fällt es zumindest schwer, launig über Wein und die Weinbranche zu schreiben. In Momenten wie diesen wird schmerzhaft bewusst, wie gering die Bedeutung des Luxusguts Wein für den Lauf der Welt ist.

Eigentlich ist diese Erkenntnis trivial, doch wir sind es so gewohnt, uns in unserer Wein-Blase zu bewegen, dass uns Wein als das Wichtigste auf der Welt vorkommt. Die Bilder von Panzern und zerschossenen Wohnhaus-Ruinen zwingen uns, die Realität außerhalb unserer Blase wahrzunehmen, und es ist gut, dass viele nicht schweigen, sondern lautstark protestieren. Noch besser und beeindruckender ist das Mitgefühl und die Solidarität, die das Leiden der Menschen erzeugt. Wie schon nach der Flutkatastrophe an der Ahr zeigt sich auch das Gute. Die Mitmenschen engagieren sich oder spenden, manche bieten Geflüchteten sogar eine sichere Unterkunft. Diese Aktionen geben Hoffnung, dass die Menschheit vielleicht doch eine bessere Welt hinkriegt.

Doch zugleich sind wir sehr verunsichert. Wir fühlen die Hilflosigkeit, weil Hilfsmaßnahmen den Krieg nicht beenden können und wir machtlos gegen einen Aggressor mit Atomwaffenarsenal sind. In der Weinbranche wird uns die eigene Bedeutungslosigkeit bewusst. Wenn im Hintergrund Kriegs-Nachrichten über den Bildschirm laufen, sorgt das für Frust, Stress und Demotivation.

Es ist ein gutes Zeichen unserer reifen Gesellschaft, dass jetzt Antikriegs-Songs im Radio gespielt werden und keine aufheizenden Kriegs-Propaganda-Märsche laufen. Auch mein erster Gedanke war, in diesem Editorial nur das Wort Frieden in 100 verschiedenen Übersetzungen von Pace über Peace bis Mir zu schreiben. Doch neben dem betitelnden Song von John Lennon, spukt mir leider auch ein Song aus dem letzten »echten« Queen-Album im Kopf: »The show must go on«. 

Bezeichnenderweise geht es darin abseits des Refrains um die Sinnsuche. Auch wenn das Weitermachen im Augenblick bedeutungslos erscheinen mag, so gibt es zugleich nur wenig Alternativen. Auch nach den Terroranschlägen des 11. Septembers galt das Weitermachen als ein Instrument des Widerstands gegen den Terror.

Weiter zu machen, verbietet aber nicht, gewisse Aspekte des eigenen Handelns zu hinterfragen. Das fällt augenblicklich schwer, denn »Business as usual« kennen wir seit zwei Jahren nicht mehr. 

Wenn ich die mediale Rolle hinterfrage, will ich nicht der russischen Propaganda auf den Leim gehen, doch die Frage, warum uns dieser Krieg stärker beschäftigt als der zwischen Armenien und Aserbeidschan im Jahr 2020 oder zahlreiche andere Verbrechen gegen die Menschheit, ist berechtigt. Ich glaube, dass dieser Krieg unser Fairness-Gefühl maximal verletzt. Das flächenmäßig größte Land der Welt mit 6.000 Atomsprengköpfen und einer Million Soldaten greift einen ungleich schwächeren Nachbarn an, dessen Bewohner sich spätestens jetzt nur noch nach Frieden und Freiheit sehnen.

An dieser Stelle meiner Überlegungen habe ich dann doch an die Weinwirtschaft gedacht, denn ähnlich unfaires Verhalten gibt es hier fast täglich. Natürlich wissen die großen Handelsketten darüber Bescheid, welche Auswirkungen ihre Preisdiktate haben. Sie wissen, dass preisgetriebene Auslistungen für die Erzeuger der Weinbranche existenzbedrohend sind und nicht-nachhaltiges Verhalten im ökologischen, sozialen oder ökologischen Bereich nach sich zieht. Natürlich ist das Feilschen um Nachkommastellen beim Preis einer Flasche Wein eine andere Dimension des Irrsinns als eine Entmilitarisierung des Nachbarstaats zu fordern, aber vielleicht wird angesichts Letzterem jetzt manchem klar, wie bedeutungslos seine die Marktmacht ausspielenden Forderungen sind. 

Die Solidaritätsaktionen der Menschen zeigen doch eines sehr klar. Sie wollen Fairness, und sie sind bereit, sich gegen Machtmissbrauch und für einen fairen Ausgleich zu engagieren. Echt gelebter fairer Handel wäre ein Beitrag, den die Weinbranche für eine bessere Welt und gegen unfaires Handeln leisten könnte.