Ausgabe 25/2022

WEINWIRTSCHAFT 25/2022

Themen der Ausgabe

Interview: Rudolf Knickenberg

Der Geschäftsführer von Schlumberger über Weinhandel, Trends und warum Premiumwein seiner Meinung nach in der Glasflasche bleibt.

Südafrika

Zahlen, Fakten, Emotionen und Geschichten vom Kap.

Schaumweinstudie

Endlich Fakten und Zahlen zum Konsum der beliebten Prickler.

Österreich

Eine neue DAC und auch sonst viel Neues aus der Alpenrepublik.

 

Pinot-Preis

Einige Überraschungen bei Meininger's Deutscher Pinot-Preis. Wird Landwein der neue Fine-Wine?

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Die Weihnachtszeit ist der optimale Zeitpunkt, um sich Verbesserungen für die Weinwirtschaft zu wünschen.

Auch wenn viele froh sind, dass 2022 bald vorbei sein wird, ist die Vorfreude auf 2023 gering. Der Gedanke, dass es nur besser werden kann, verfängt nicht, weil noch zu viele Gefahren lauern. Gleichzeitig kann im Rückblick auf 2022 gesagt werden, dass es nicht so schlimm gekommen ist, wie teilweise ausgemalt. 

Die zuletzt angeführten Einbußen im LEH als Symptom für eine Krise sind trügerisch. Gegenüber den Corona-Jahr 2021 musste mit Einbußen gerechnet werden, da sich ein Teil des Konsums in die Gastronomie verlagerte. Auch während des Sommers musste mit Absatzeinbrüchen gerechnet werden, da die Deutschen wieder vermehrt ins Ausland gereist sind. Zum Trübsal blasen bieten die aktuellen Zahlen nur für den LEH einen Grund. 

Zugleich ist es dem Handel 2022 gelungen, große Leerstellen in den Regalen zu verhindern. Die Versorgung mit Trockenmaterialien – insbesondere Glas – verlief zwar mehr als holprig, funktionierte in den meisten Fällen mit Verzögerungen und Einschränkungen aber letztlich doch. Auch die Gas-Speicher konnten, anders als noch im Sommer von Experten prognostiziert, vor dem Winter aufgefüllt werden.

Die Explosion der Kosten war dennoch dramatisch, betraf aber alle Wettbewerber, und die Entwicklung war so offensichtlich, dass sogar der Handel Verständnis zeigte. Was bleibt ist der Kaufkraftverlust. Viele Gehaltserhöhungen werden durch die Inflation aufgefressen, hohe Tarifabschlüsse werden für Zweitrundeneffekte sorgen und die Inflationsrate 2023 auf einem Niveau oberhalb der von der EZB anvisierten 2 Prozent halten.

»Die Inflation bietet aber auch die Chance, dass traditionelle Preispunkte verändert werden«

Die Inflation bietet aber auch die Chance, dass traditionelle Preispunkte verändert werden. Andere Produkte setzen auf schleichende Preiserhöhungen mit Anpassungen der Verpackungsgröße. Für Wein ist das bisher nicht denkbar. Dennoch gehört die Verpackungsform Glasflasche auf den Prüfstand. Die hohe Anzahl an Flaschenformen ist ein großer Luxus, den sich unsere Branche leistet.

Wenn mir ein Flaschengeist drei Wünsche für die Weinindustrie gewähren würde, stünde die Vereinfachung der Flaschenformen an erster Stelle. Wenn es den Brauereien gelingt, ein Pfand-System für 0,33-Liter- und 0,5-Literflaschen umzusetzen und den Mineralbrunnen eins für 0,7-Literflaschen, muss sich die Weinbranche fragen lassen, warum sie das maximal für 1-Literflaschen, aber auf keinen Fall für 0,75-Literflaschen schafft. Ein Pfandsystem würde die Abhängigkeit von der Glasindustrie zumindest ein wenig lockern. Wer Pfand für Hokuspokus hält, sollte sich zumindest mit Leichtglas-Flaschen beschäftigen, um seinen CO₂-Abdruck zu verbessern.

Mein zweiter Wunsch betrifft die Weinbergsarbeit direkt. Es sollte jedem Landwirt klar sein, dass wir die Öko-Systeme seit Beginn der industriellen Landwirtschaft aufs Äußerste strapaziert haben und dass eine Umkehr zwingend erforderlich ist. Umkehr muss nicht als Abkehr von der industriellen Landwirtschaft verstanden werden, aber an eine Anpassung an den aktuellen Wissensstand und die Klimaerwärmung. Die Förderung von mehr Bio-Diversität gelingt nicht ohne eine Anpassung des Pestizid-Einsatzes. So wie wir moderaten Weinkonsum predigen, muss auch ein moderater Mitteleinsatz die Mindestvoraussetzung sein. Ich fürchte, dass es dafür gesetzliche Regeln braucht, denn maßvolles Agieren ist vielen, unabhängig von der Branche, nicht gegeben. 

Mein dritter Wunsch wäre ein faires Miteinander aller in der Weinwirtschaft Tätigen. Faire Arbeitsbedingungen in der Gastronomie zur Beseitigung des Arbeitskräftemangels, zuverlässiges Ordern und Bezahlen von Lieferungen und generell eine Beziehung auf Augenhöhe zwischen Handel und Lieferanten. Was bei Fachhandel und Erzeugern oft klappt, sollte auch für den LEH möglich sein. Dass in einer Wirtschaftskrise noch mehr auf die Nachkommastellen geachtet wird, mag verständlich sein, aber es verschärft die Geisterfahrt des deutschen Konsums und ignoriert die Chancen neuer Preispunkte.

Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Jahresendgeschäft, ein schönes Fest sowie einen guten Rutsch nach 2023 und hoffe, dass sich dann manche Wünsche erfüllen. Clemens Gerke